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SPORT/028: Stand Up Paddling gefährdet überwinternde Wasservögel (LBV)


Landesbund für Vogelschutz in Bayern e.V. (LBV) - Verband für Arten- und Biotopschutz

Presseinformation vom 27. November 2018

Stand Up Paddling (SUP) gefährdet überwinternde und rastende Wasservögel

Europaweit erste wissenschaftliche Untersuchung zur Auswirkung der Trendsportart - "Knigge" für Stehpaddler


Hilpoltstein, 27.11.18 - Die Trendsportart Stand Up Paddling (SUP) wird immer beliebter und stellt gleichzeitig eine massive Störung von überwinternden und rastenden Wasservögeln dar. Dies zeigt eine vom LBV in Auftrag gegebene Masterarbeit, deren Ergebnisse in Kürze veröffentlicht werden. Zum ersten Mal in ganz Europa wurden dazu wissenschaftliche Daten erhoben und ausgewertet. Zwar findet die Sportart vor allem in den Sommermonaten immer neue Anhänger, aber dank Neoprenanzügen erfreut sie sich gerade auch jetzt in den Herbst- und Wintermonaten während der Vogelzugzeit zunehmender Beliebtheit. "Die wissenschaftliche Auswertung der Daten zeigt, dass die Störung des SUP auf Wasservögel verglichen mit der Störwirkung anderer Wassersportarten wie Rudern, Segeln oder Kanufahren in Bayern überdurchschnittlich hoch ist", erklärt der freiberuflicher Ornithologe Matthias Bull. Dabei gibt es mehrere mögliche Gründe, in erster Linie jedoch die klare Erkennbarkeit der menschlichen Silhouette. Häufige Störungen können sich bei den Vögeln sogar negativ auf die Fortpflanzung auswirken. "Jeder, der die Natur für sein Hobby nutzt, trägt ihr gegenüber auch eine Verantwortung, denn sie ist mehr als nur Kulisse. Auch Stand Up Paddling lässt sich naturverträglich ausüben", so Bull. Tipps für vogelfreundliches Stehpaddeln finden Stand Up Paddler in einem "Knigge", den der Ornithologe entwickelt hat.

Die bayerischen Seen sind im Winterhalbjahr Dreh- und Angelpunkt des internationalen Vogelzuggeschehens. An einem durchschnittlichen Dezembertag überwintern mehr als 150.000 Vögel auf den Seen und Flüssen des Freistaates. Stellt Stand Up Paddling (SUP) ein Problem für die überwinternden und rastenden Wasservögel in Bayern dar? Diese Fragestellung untersuchte Matthias Bull in seiner vom LBV in Auftrag gegebenen Masterarbeit. Im Rahmen der Untersuchungen wurden Vogelkundler aus ganz Bayern dazu aufgerufen, Beobachtungen von Störungen durch Wassersportler nach einem festen Schema zu protokollieren und zu melden. In Ergänzung dazu sammelte Bull am Rothsee in Mittelfranken und am Starnberger See in Oberbayern mittels Zeitrafferkameras weiteres Datenmaterial.

Insgesamt wurden so über zwei Jahre jeweils für den Zeitraum von September bis April Daten von 364 Störungen gesammelt, 104 wurden durch SUP verursacht, 260 durch andere Wassersportarten. "Der Großteil der Störungen durch SUP fand auf den großen Seen im Voralpenraum statt, die im Winterhalbjahr einerseits tausenden Wasservögeln als Rast- und Überwinterungsplatz dienen, andererseits auch von Wassersportlern noch rege frequentiert werden", so Bull. Als weitere Schwerpunktgebiete für Störungen durch Stehpaddeln erwiesen sich das Fränkische Seenland und die Staustufen größerer Flüsse wie z. B. an der Donau bei Günzburg und entlang des Lechs. Unter den betroffenen Arten finden sich viele gefährdete Vögel wie Samtente, Eistaucher oder Zwergschwan. Von einigen liegen die nächsten Brutgebiete erst in Island, Skandinavien oder Sibirien. "Häufige Störungen führen bei Vögeln zu Energieverlusten, die sich negativ auf ihre Fitness und so bis auf die Fortpflanzung in der kommenden Brutzeit auswirken können", sagt Matthias Bull.

Deutlich erhöhte Fluchtdistanzen

Die Wasservögel reagierten lediglich auf motorisierte Boote noch sensibler als auf Stand Up Paddling. Häufiger als gegenüber den anderen untersuchten Wassersportarten zeigten Wasservögel bei Störungen durch Stehpaddler Fluchtdistanzen von über 500 Meter. "Zudem waren die maximal festgestellten Effekt- und Fluchtdistanzen bei keiner der anderen untersuchten Wassersportarten höher als beim SUP", so Bull. In einem Fall flüchteten so über 13.000 Vögel von einem einzelnen Stand Up Paddler in einer Entfernung von 1,5 Kilometer. Dies unterstreicht die hohe Störwirkung der Sportart. Allgemein zeigte sich, dass durch SUP aufgeschreckte Vögel überdurchschnittlich oft weite Strecken flogen, ehe sie wieder landeten. Teilweise wurden kilometerlange Fluchtstrecken dokumentiert. Auch verließen die Vögel das Gewässer häufiger als dies bei Störungen durch die anderen untersuchten Sportarten der Fall war. Gründe für die hohe Störwirkung könnten die klare Erkennbarkeit der menschlichen Silhouette sein, die Erschließung bisher wenig genutzter Gewässerbereiche durch Stehpaddler und die Tatsachen, dass sie in der Regel nicht immer den gleichen Routen folgen und außerhalb der normalen Badesaison unterwegs sind.

Kameras belegen Häufigkeit der Verstöße

Die Aufnahmen der Zeitrafferkameras belegen zudem, dass Stand Up Paddling schon lange keine Randerscheinung mehr ist. Am mittelfränkischen Rothsee waren Stand Up Paddler an knapp einem Drittel der Verstöße gegen das Befahren des Naturschutzgebietes beteiligt. Nur Segelbootfahrer missachteten die mit Bojen und Schildern gekennzeichnete Grenze des Schutzgebietes noch häufiger. Am Starnberger See waren SUP und Kanufahren die Sportarten, die nach dem Motorbootfahren die meisten Störungen der Wasservögel in der ganzjährigen Schutzzone der Roseninselbucht verursachten. Der LBV fordert deshalb die teilweise noch jungen Verbände der Trendsportart auf, das Thema Vogelschutz stärker in ihre Öffentlichkeits- und Ausbildungsarbeit zu integrieren und bietet seine Zusammenarbeit an. "Aus Sicht des LBV ist eine Informationskampagne für naturverträgliches Stehpaddeln dringend notwendig", so Matthias Bull.

"Knigge" für Stehpaddler

In seiner Arbeit nennt Bull verschiedene Maßnahmen, die ein konfliktärmeres Miteinander von Vogelschutz und Freizeitnutzung gewährleisten können. Diese richten sich insbesondere an den behördlichen und verbandlichen Naturschutz, Landschaftsplanungsbüros, Wassersportverbände, Surfschulen, Verleihstationen von Wassersportequipment sowie die Jägerschaft. Daneben kann auch jeder einzelne Sportler dazu beitragen Störungen zu vermeiden. Hierzu hat Matthias Bull aus seiner Masterarbeit einfache Verhaltensregeln für die naturverträgliche Ausübung des Stand Up Paddlings abgeleitet:

  • Freiwilliger Verzicht auf SUP zur Vogelzugzeit im Zeitraum von Anfang Oktober bis Ende März.
  • Ganzjährig einen großen Abstand von mindestens 300 Metern zu Vogelansammlungen einhalten
  • Nur bestehende Einstiegsstellen wie Häfen, Badestrände und Slipanlagen in Gewässer nutzen
  • Abstand halten zu Naturschutzgebietsgrenzen, Winterruhezonen, Flachwasserbereichen und Schilfgürteln
  • Informieren Sie sich im Vorfeld eines Ausfluges über Schutzgebiete und Befahrungsregeln am Zielort
Hintergrund:

Die Erhebungen des Studenten für Naturschutz und Landschaftsplanung der Hochschule Anhalt fanden in den Wintern 2016/17 und 2017/18 statt. Auslöser der Untersuchung waren sich häufende Beschwerden von Vogelschützern über massive Störungen der Wasservögel durch die neue Trendsportart. Andere Sportarten, die im Vergleich untersucht wurden waren insbesondere Motorboot- und Kanufahren, Rudern und Segeln.

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Quelle:
Presseinformation, 27.11.2018
Landesbund für Vogelschutz in Bayern e.V.
Eisvogelweg 1, 91161 Hilpoltstein
Tel.: 09174/4775-30, Fax: 09174/4775-75
E-Mail: info@lbv.de
Internet: www.lbv.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 28. November 2018

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