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POLITIK/332: Deutsche Waldpolitik - Ordnungsgemäß statt gut (BUNDmagazin)


BUNDmagazin - 3/2010
Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland - BUND
Friends of the Earth Germany

TITELTHEMA
Deutsche Waldpolitik
Ordnungsgemäß statt gut

Von Nicola Uhde


Welche politischen Schritte sind aus Sicht des BUND nötig, um die biologische Vielfalt unserer Wälder zu erhalten und - vor allem - auf großer Fläche wiederherzustellen?

Dass die deutsche Waldpolitik gefordert ist, ergibt sich aus der Nationalen Biodiversitätsstrategie. Dort heißt es: »Aus ökologischer Sicht besonders wertvolle alte Wälder (mit Bäumen älter als 180 Jahre) sind mit etwa 2% Anteil an der Waldfläche kaum mehr vorhanden. Die für natürliche Wälder typische biologische Vielfalt ist gefährdet. Vor allem solche Tier-, Pflanzen- und Pilzarten sind überproportional stark gefährdet, die auf typische Strukturen naturnaher Wälder spezialisiert sind.«

Deutschland hat sich als einer von 193 Vertragsstaaten dazu verpflichtet, das »Übereinkommen über die Biologische Vielfalt« einzuhalten. Dazu hat das Kabinett 2007 eine Biodiversitätsstrategie verabschiedet. Darin finden sich Ziele wie »2020 beträgt der Flächenanteil der Wälder mit natürlicher Waldentwicklung 5% der Waldfläche«, die »Erhaltung großräumiger, unzerschnittener Waldgebiete« oder die »Erhaltung und Entwicklung natürlicher und naturnaher Waldgesellschaften«.


Ziellinie weit entfernt

Doch Bund und Länder sind weit davon entfernt, diese - richtigen - Ziele konsequent anzusteuern, geschweige denn, sie zu erreichen. Im Gegenteil: Das kürzlich novellierte Bundeswaldgesetz verschenkt Chancen für mehr Naturund Artenschutz im deutschen Wald. Gegen die Stimmen von SPD und Grünen wurde darauf verzichtet, verbindliche und bundesweit gültige Standards einer »guten fachlichen Praxis« zu fixieren, die über die Grundsätze der »ordnungsgemäßen Forstwirtschaft« hinausgehen. Wichtige Aspekte des Waldschutzes bleiben ungeregelt - wie das Kahlschlagsverbot, der Bodenschutz, die Bestandsverjüngung, der Schutz von Biotopbäumen. So droht nun ein Wettlauf der Bundesländer hin zu möglichst niedrigen Schutzstandards. Auch finden sich keinerlei Vorgaben, Wälder der natürlichen Entwicklung zu überlassen.

Um die biologische Vielfalt in unseren Wäldern zu erhalten, ist nicht nur ein effektiver Naturschutz in Wirtschaftswäldern geboten. Nötig sind eben auch Flächen, die als »Urwälder von morgen« für immer aus der Nutzung genommen werden. Der BUND fordert mindestens 5% der Waldfläche in großen Prozessschutzgebieten dauerhaft der natürlichen Entwicklung zu überlassen. Gemäß seiner Vorbildfunktion hat der öffentliche Wald hierzu 10% seiner Flächen bereitzustellen. Diese Gebiete sind durch kleinere Trittsteine auf weiteren 5% der Waldfläche zu ergänzen - um als Netz von Naturwäldern die heimischen Waldökosysteme angemessen repräsentieren zu können. Auch daher ist der Verkauf von Staatswald unverzüglich zu stoppen.


Was muss sich ändern?

Die besondere Gemeinwohlverpflichtung des öffentlichen Waldes sollte sich zudem in seiner Bewirtschaftung widerspiegeln und ökologisch vorbildlich sein. Dass dies nicht überall gängige Praxis ist, hat der BUND 2009 im »Schwarzbuch Wald« anhand von 15 Fallstudien aus elf Bundesländern angeprangert - übrigens keine Einzelfälle, sondern Vorkommnisse, wie sie dem BUND immer wieder gemeldet werden.

Weiter fordert der BUND, bei der forstlichen Ausbildung den gestiegenen Ansprüchen an den Lebens- und Erholungsraum Wald Rechnung zu tragen. Die Forstverwaltung muss für eben diese Ansprüche über genügend - gut geschultes - Personal verfügen. Zudem ist der Grundsatz »Wald vor Wild« endlich flächendeckend umzusetzen. Einkünfte durch Jagdpacht sind dabei mit den Kosten durch Wildschäden und Zäunung abzuwägen. Unter Umständen kann es günstiger sein, Jäger für ihre Arbeit zu bezahlen.


Skepsis geboten

Und dann muss endlich »eine Strategie von Bund und Ländern zur vorbildlichen Berücksichtigung der Biodiversitätsbelange für alle Wälder im Besitz der öffentlichen Hand bis 2010 und ihre Umsetzung bis 2020« vorgelegt werden (Zitat Biodiversitätsstrategie). Der BUND ist skeptisch, ob die »Waldstrategie 2020«, die derzeit das Landwirtschaftsministerium erarbeitet, dieser Aufgabe gerecht wird. Deshalb wird der BUND ein waches Auge auf den Prozess haben, seine Stimme erheben und sich einmischen.

Nicola Uhde ... ist wissenschaftliche Mitarbeiterin für Naturschutz in der Bundesgeschäftsstelle.


Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:

Der Igelstachelbart - eine Pilzrarität an alten Buchen und Eichen. (W. Willner)


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Quelle:
BUNDmagazin 3/2010, S. 18
Herausgeber:
Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V. (BUND)
Friends of the Earth Germany
Am Köllnischen Park 1, 10179 Berlin
Tel. 030/27586-457, Fax. 030/27586-440
Email: redaktion@bund.net
Internet: www.bund.net

Das BUNDmagazin ist die Mitgliederzeitschrift
des BUND und erscheint viermal im Jahr


veröffentlicht im Schattenblick zum 4. Dezember 2010