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FORSCHUNG/465: Können Meeresbewohner länger ohne Sauerstoff leben? (idw)


Universität Rostock - 29.06.2018

Können Meeresbewohner länger ohne Sauerstoff leben?

Rostocker Forscherin nimmt vier Muschel-Arten unter die Lupe


Geht der Ostsee die Luft aus? Inna Sokolova, Professorin für Meeresbiologie an der Universität Rostock, gebürtige Westukrainerin, die in St. Petersburg studierte, an der Russischen Akademie der Wissenschaften promovierte, sich in den USA habilitierte und auch an einer Universität in Kanada als Wissenschaftlerin arbeitete, verweist auf ein alarmierendes Szenario.


Foto: © Universität Rostock / Thomas Rahr

Hypoxie-tolerante Muschelart Arctica islandica mit Miesmuscheln im Hintergrund.
Foto: © Universität Rostock / Thomas Rahr

"Die Todeszonen in den Tiefen der Küstenmeere steigen jährlich weltweit durchschnittlich um etwa ein Prozent". Den Grund für diese dramatische Entwicklung beschreibt die Rostocker Wissenschaftlerin so: "Besonders steigende Temperaturen und Nährstoffe wie Stickstoff und Phosphor, die sich von den Feldern den Weg in die Ostsee bahnen, überlasten das Ökosystem und führen zu Sauerstoffmangel". Sokolova: "Die Ostsee und auch ihre Küstenbereiche sind in Not".


Foto: © Universität Rostock / Thomas Rahr

Miesmuscheln vom Typ Mytilus, die am häufigsten vorkommende Muschelart.
Foto: © Universität Rostock / Thomas Rahr

Aktuell erforscht Professorin Sokolova, wie einzelne Meeresbewohner länger ohne Sauerstoff und mit erhöhten Temperaturen des Ostseewassers leben können. Konkret werden verschiedene Muschelarten untersucht, die unterschiedliche Toleranzen zum Sauerstoffmangel haben. Hintergrund: Die Sauerstoffkonzentration im Wasser verliert sich mit zunehmender Erwärmung der Erde. Doch Sauerstoff ist für die Meeresbewohner wie Fische, Muscheln und weitere wirbellose Tiere überlebenswichtig.

Um zu begreifen, welchen Einfluss die sich verändernden Bedingungen in der Ostsee auf die Meeresbewohner haben, untersuchen die Rostocker Forscher den Einfluss der Sauerstoffkonzentration auf den Stoffwechsel bei den verschiedenen Tieren und dessen Konsequenzen für Wachstum und wichtige ökologische Aktivitäten wie Bioturbation, also das Durchwühlen und Durchmischen von Böden oder Sedimenten durch Lebewesen. "Wir wollen herausfinden, ob die Mitochondrien, die Kraftwerke der Zellen, die für die Energieproduktion zuständig sind, trotz Sauerstoffmangel dazu beitragen, dass die Tiere eine Überlebens-Chance bei Sauerstoffmangel haben", sagt die Professorin. Die Ergebnisse aus Rostock könnten die Politik dann zum Handeln anregen.

Gleich mehrere Stressfaktoren belasten die Ostsee. Die steigenden Kohlendioxidwerte in der Luft lassen das Meereswasser immer saurer werden. Durch den Klimawandel erwärmt sich das Wasser. "Das Problem ist unsichtbar, aber sehr dringend", sagt Inna Sokolova. Wenn die Temperatur steige und mehr Nährstoffe ins Wasser geleitet werden, blühen die Algen und sterben ab. Bakterien fressen dann organische Stoffe und verzehren dabei Sauerstoff.

In ihrer aktuellen Forschungsarbeit geht Inna Sokolova auch der Frage nach, wie mehrere Stressfaktoren, beispielsweise CO2, Temperaturschwankungen, Versauerung, Sauerstoffmangel und Wasserverschmutzung sich gegenseitig beeinflussen und welche Auswirkungen das auf die Meerestiere hat. Wie diese Stressfaktoren miteinander interagieren, darüber gibt es noch keine umfangreichen Forschungen.

Sokolova beobachtet, dass die Ostsee eines der Gebiete ist, die sich schneller erwärmen als viele andere Meere. Als Ursache benennt sie unter anderem auch die geografische Lage der Ostsee und ihre Tiefe. Ihre Forschung erstreckt sich über die Ökosysteme von der Atlantik- und Pazifikküste der USA, der Nordsee, dem arktischen Weißmeer und jetzt besonders auf die Ostsee. Dass es auch hier den Muscheln schlecht geht, beunruhigt sie. "Diese Tiere sind im Ökosystem die Ingenieure".

Text: Wolfgang Thiel


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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Universität Rostock - 29.06.2018
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E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 3. Juli 2018

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