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FORSCHUNG/451: Bis zu 16 Prozent der Tier- und Pflanzenarten sind potentielle Auswanderer (idw)


Universität Wien - 05.02.2018

Bis zu 16 Prozent der Tier- und Pflanzenarten sind potentielle Auswanderer


Weltweit nimmt die Ausbreitung nicht-einheimischer Tier- und Pflanzenarten rasant zu. Ein internationales Forschungsteam um den Botaniker Franz Essl von der Universität Wien und Hanno Seebens vom Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrum hat nun herausgefunden, dass jede vierte neu beobachtete Spezies erstmals außerhalb ihres Heimatgebietes registriert wurde. Bis zu 16 Prozent aller Tier- und Pflanzenarten haben das Potential, vom Menschen in andere Gebiete verschleppt zu werden, wo sie erhebliche Risiken für Mensch und Umwelt bergen. Dazu publizieren die AutorInnen im renommierten Fachjournal "Proceedings of the National Academy of Sciences".


Foto: © Tim M. Blackburn, University College London

Das nordamerikanische graue Eichhörnchen hat das heimische rötliche Eichhörnchen in Großbritannien nahezu verdrängt.
Foto: © Tim M. Blackburn, University College London

Nicht-einheimische Tier- und Pflanzenarten - sogenannte Neobiota - sind weltweit auf dem Vormarsch. In den Jahren 2000 bis 2005 hat weltweit die Zahl an Nachweisen einen neuen Höchststand erreicht, die Tendenz ist weiter steigend. Da einige solcher Spezies zum Problem werden könnten, versucht die Europäische Union Gegenmaßnahmen zu ergreifen, indem sie eine Liste der 49 aggressivsten Neobiota erstellt hat. Nur dürfte dieser Ansatz zu kurz greifen, wie die internationale Forschungsgruppe nun festgestellt hat.


Foto: © Franz Essl

Gebietsfremde Arten sind weltweit auf dem Vormarsch, wie etwa die Lupinie.
Foto: © Franz Essl

Der Leiter der Studie, Hanno Seebens vom Senckenberger Forschungszentrum Biodiversität und Klima dazu: "In den Jahren von 2000 bis 2005 wurde jede vierte in einem Land neu registrierte, nicht-einheimische Tier- und Pflanzenart erstmals als Neobiota nachgewiesen. Solche Neuzugänge unter den Neobiota stehen daher per se noch nicht auf der EU-Liste." Ein Rückgang der biologischen Neuzugänge ist nicht in Sicht, denn obwohl die Anzahl invasiver Arten stark zugenommen hat, ist der Anteil neuer Neobiota über die letzten 150 Jahre ungefähr gleichgeblieben.

Die ForscherInnen werteten dazu einen globalen Datensatz mit rund 46.000 Einträgen von Sichtungen nicht-einheimischer Tier- und Pflanzenarten aus. Die Daten decken grob den Zeitraum der letzten fünfhundert Jahre ab - eine Zeit, in der der Mensch in zunehmenden Maße auch entlegene Regionen erschlossen hat. Über diese neu geschaffenen Straßen, Schiffspassagen und Flugrouten wurden und werden bis heute Tier- und Pflanzenarten durch den Menschen unbeabsichtigt oder beabsichtigt in neue Gebiete eingeführt.

Das Modell zeigt zudem, dass es mit der Ankunft neuer Neobiota noch nicht vorbei sein dürfte. Franz Essl vom Department für Botanik und Biodiversitätsforschung der Universität Wien erklärt: "Wir haben errechnet, dass zwischen einem und 16 Prozent aller existierenden Tier- und Pflanzenarten potentiell in der Lage sind, sich mit Hilfe des Menschen außerhalb ihrer Heimat anzusiedeln. Das geringste Potential haben Weichtiere wie Schnecken und Muscheln, das größte Potential haben Säugetiere".

Dieser Pool an potentiellen Neobiota ist längst noch nicht leer. Mehr noch: Aufgrund des globalen Handels haben immer mehr Arten überhaupt die Gelegenheit, in neue Gebiete eingeschleppt zu werden. "Die große Herausforderung ist nun, durch Handelsregelungen und Zollinspektionen die zunehmende Verschleppung von Neobiota zu reduzieren. Dabei geht es um jene Arten, die problematisch werden könnten. Dies erfordert deutlich höhere Anstrengungen als bisher", fasst Essl zusammen.


Publikation in "Proceedings of the National Academy of Sciences" (PNAS) Seebens, H. et al. (2018): Global rise in emerging alien species results from increased accessibility of new source pools. Proceedings of the National Academy of Sciences
DOI: 10.1073/pnas.1719429115

Die gesamte Pressemitteilung inkl. Bilder unter:
http://idw-online.de/de/news688634
Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution84

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Universität Wien, Stephan Brodicky, 05.02.2018
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 8. Februar 2018

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