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AUEN/103: Burgauenbach - Heimat für Käfer, Schnecken und Krebse (Naturschutz heute)


NATURSCHUTZ heute - Herbst 2019
Mitgliedermagazin des Naturschutzbundes (NABU) e.V.

Renaturierung
Heimat für Käfer, Schnecken und Krebse

von Nicole Flöper


Mal mehr, mal weniger Wasser führt der Burgauenbach in Leipzig, ein ehemaliges Renaturierungsprojekt. Oft sieht man ihn nur als kleines Rinnsal. Trotzdem ist er Lebensraum für verschiedene Arten, auch solche, die auf eine Auenlandschaft spezialisiert sind. Zum 20. Geburtstag des Bachs wurde genauer hingeschaut.


Vom Elsterbecken im Stadtgebiet Leipzig bis zu den Lachen an der Waldspitze im Auwald verläuft der Burgauenbach 5,4 Kilometer. In der Nähe des Elsterbeckens westlich der Leipziger Altstadt beginnt meine Radexkursion mit Maria Vlaic, Mitarbeiterin im Auenzentrum des NABU Sachsen. Leicht zu entdecken ist der Bach nicht, denn meistens handelt es sich nur um ein Rinnsal, das durch mehrere Rohre plätschert. Dieses Jahr feiert der Burgauenbach seinen 20. Geburtstag. "Im Jubiläumsjahr hat sich der NABU Leipzig vorgenommen, die Flora und Fauna zu untersuchen, um zu evaluieren, was sich verbessert hat oder auch nicht", erklärt Vlaic. Der NABU Leipzig ist Pate des Baches, der zur Renaturierung der Aue vom NABU Sachsen gemeinsam mit der Stadt Leipzig geschaffen wurde. Über die Sinnhaftigkeit des Projekts gibt es unterschiedliche Meinungen, manche sagen sogar, es sei gescheitert: Der Grundwasserspiegel konnte nicht erhöht werden, die ökologische Durchgängigkeit ist nicht immer gegeben, und die Überschwemmungen werden immer seltener.

Noch immer ist der Leipziger Auwald mit seiner Großstadtnähe und seiner Vielfalt an Biotopen und Arten einzigartig in Mitteleuropa. Früher wurden große Teile der Aue regelmäßig überflutet. Um Hochwasser abzuleiten, entstand ab den 1930er Jahren die Neue Luppe, ein eingedeichter Kanal. Die Folgen waren das Ausbleiben von Überflutungen, die Entwässerung der Flussarme und der Rückgang des Grundwassers und wassergebundener Tier- und Pflanzenarten.

Erhalt des Baches · Der Erhalt des Auenwaldes war spätestens seit den 1980er Jahren Ziel der Naturschützer. Ein Teil des Plans war der Burgauenbach, der 1999 fertiggestellt wurde. Noch vorhandene Altarme wurden miteinander verbunden und zu einem Fließgewässer entwickelt, das auf einigen Flächen auch ausuferte. "Nach dem letzten Hochwasser 2013 wurde der Deich saniert. Seitdem ist der Einlass nicht mehr regelbar. Nun fließt ganzjährig nur noch wenig Wasser durch den Burgauenbach", erzählt Maria Vlaic.

Artenvielfalt Aue · Während wir mit den Rädern dem Bach folgen, weist mich die 39-Jährige auf das kahle Bachbett hin. "Leider hat sich hier immer noch keine Vegetation eingestellt." Das liege vermutlich am geringen Lichteinfall unter der geschlossenen Kronendecke des Waldes. Aber es gebe viele Tierarten, die nachgewiesen wurden. Mit ehrenamtlichem Einsatz und einer Förderung durch die Patenschaftsgelder des NABU-Bundesverbandes konnten eine Gewässerstrukturgütekartierung und Erfassungen von Vögeln, Fischen, Mollusken und Kleinstlebewesen durchgeführt werden. An den Waldspitzlachen wurden auch Libellen kartiert. Gefunden wurden seltene Arten, wie die Rötliche und die Schlanke Bernsteinschnecke oder die Tellerschnecke. Aber auch Zebramuschelkrebse, Taumel- und Kugelkäfer sind vorhanden.

"Am Burgauenbach wurden seltene Arten, wie die Rötliche und die Schlanke Bernsteinschnecke oder die Tellerschnecke. Aber auch Zebramuschelkrebse, Taumel- und Kugelkäfer nachgewiesen."

Im Überschwemmungsbiet sind die tiefen Gräben ehemaliger Flüsse noch deutlich zu sehen. Fließt mehr Wasser im Burgauenbach, sind sie gefüllt und treten über die Ufer. Am Bach finden wir immer wieder Überreste von Muscheln. Waschbär und Nutria haben sie hinterlassen, sie scheinen ihnen also zu schmecken.

Stillwasserbereiche fehlen · Die bisherigen Ergebnisse der Untersuchungen, die kürzlich öffentlich vorgestellt wurden, zeigen das Potenzial des Burgauenbaches als Lebensraum, aber auch seine derzeitigen Grenzen. "Kleine Wasserlebewesen, Schnecken oder Muscheln sind nicht sehr facettenreich vertreten. Es fehlen vor allem lichte Stillwasserbereiche, wie sie durch Aufweitung des Bachbettes oder Altarme entstehen, und eine stärkere Wasserstandsdynamik. Dies würde auch die Entwicklung von Pflanzen und Algen befördern, denn gerade anspruchsvollere Arten wie die Gemeine Federkiemenschnecke sind nur spärlich vertreten", erklärt Vlaic. Dennoch: Der Bach bietet verschiedene Mikrolebensräume, die vor allem für die Kleinstlebewesen wichtig sind. So finden sich im Verlauf des Baches verschiedene Köcherfliegenarten, darunter auch die köcherlose Art Hydropsyche angustipennis (ohne deutschen Namen). Das Vorkommen dieser Kleinstlebewesen weist auf eine verhältnismäßig gute Wasserqualität hin.

Am Ende erreichen wir die Waldspitzlachen, deren Entwicklung leider negativ zu bewerten ist. Der Burgauenbach sollte die Lachen indirekt mit Wasser versorgen. Unbekannte graben jedoch immer wieder Durchlässe, um vermutlich Fische in den Lachen zu lassen, was zu einem Verlust kurzlebiger Habitate geführt hat. Die weißmündige Tellerschnecke konnte so nicht mehr nachgewiesen werden. "Die Anzahl der Libellenarten an den Lachen hingegen hat sich stark erhöht - von 18 Arten im Jahr 2002 auf aktuell 26", berichtet Vlaic.

Auch wenn einige das Projekt nicht für sinnvoll halten, für Maria Vlaic zeigt die Untersuchung welches Potenzial im Burgauenbach steckt. "Die Natur erobert sich Lebensräume zurück, durch geschickte Planung kann der Vorgang unterstützt werden. Nach 20 Jahren können wir schon recht gut sehen, ob sich ein Projekt 'gelohnt' hat oder ob eine Nachbesserung oder auch ein verändertes Management sinnvoll erscheint."


Info

Leipziger Auwald
Als breites grünes Band durchzieht der Auwald die Stadt leipzig von Süden nach Nordwesten und reicht dort bis an die Stadt Schkeuditz heran. Die Flächen des Leipziger Hartholzauwalds sind die mit Abstand größten zusammenhängenden in Sachsen. größere oder ähnlich komplexe Bestände sind erst wieder im Mittelelbe- und im Rhein-Main-Gebiet vorhanden. Hinsichtlich des Anteils der Auwaldfläche innerhalb des Stadtgebietes nimmt der Leipziger Auwald mit 1.630 Hektar im deutschlandweiten Vergleich sogar den zweiten Platz ein. Die größte Auenlandschaft liegt nahe Dessau an der Elbe.

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Quelle:
Naturschutz heute - Herbst 2019, Seite 22 - 23
Verlag: Naturschutz heute, 10108 Berlin
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ist der Bezug im Jahresbeitrag enthalten.


veröffentlicht im Schattenblick zum 26. Februar 2020

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