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TIERE/108: Sind Klimaschutz und Massentierhaltung miteinander zu vereinen? (PROVIEH)


PROVIEH Heft 2 - Juni 2010
Magazin des Vereins gegen tierquälerische Massentierhaltung e.V.

Sind Klimaschutz und Massentierhaltung miteinander zu vereinen?

Der aktuelle FAO-Bericht zum Thema Viehwirtschaft

Von Ira Belzer


Die UN-Organisation für Ernährung (FAO) hat im Februar dieses Jahres den lange erwarteten Bericht zum Thema Ernährung und Landwirtschaft mit dem Schwerpunkt Viehwirtschaft herausgebracht.

Die FAO untersuchte unter dem Titel "Livestock's long shadow" die ökologischen Auswirkungen der globalen Tierhaltung. Durch steigendes Einkommen der Schwellenländer sowie exponentielles Bevölkerungswachstum und Verstädterung wird geschätzt, dass sich die globale Fleischproduktion bis 2050 verdoppeln muss, um die rasant steigende Nachfrage zu befriedigen. Beispielsweise soll der Rinderbestand von aktuell 1,5 Mrd. Tieren auf 2,6 Mrd. und der Ziegen- und Schafbestand von 1,7 Mrd. auf 2,6 Mrd. ansteigen. Doch schon jetzt sind die Grenzen der Belastbarkeit unseres Planeten erreicht.

Laut FAO wird der anthropogene CO2-Anteil der Tierproduktion auf 18% geschätzt, das Worldwatch-Institut hingegen korrigiert diese in der neu erschienen Studie eindeutig nach oben. Demnach soll die globale Produktion von Fleisch, Eiern und Milch mit 51% zur Klimaveränderung beitragen. Damit verursacht die industrielle Nutztierhaltung mehr Emissionen als der komplette Transportsektor.

Als einer der am schnellsten wachsenden Wirtschaftszweige schädigt die Viehwirtschaft nicht nur das Klima, sondern auch die Böden und das Wasser. Damit führt sie zu einem unaufhaltsamen Verlust an Biodiversität.

Die FAO übt derweil "Business as usual" aus und bietet lediglich allgemein gehaltene Lösungsvorschläge. Die vielfältigen Möglichkeiten der Besteuerung finden in dem Bericht keinerlei Erwähnung. Denkbar wäre sowohl eine Steuer auf Emissionen in der Viehhaltung, als auch ein erhöhter Mehrwertsteuersatz für tierische Produkte. Auch die Internalisierung externer Kosten, also das Einbeziehen von sozialen und ökologischen Folgekosten in die einzelwirtschaftliche Kostenrechnung, wäre ein Lösungsweg. Dass der Sektor Nutztierhaltung durch Subventionen und Entwicklungshilfe rasant vorangetrieben wurde, kommt ebenfalls nur am Rande zur Sprache. Detailliert erläutert wird allerdings die regulatorische Unterstützung von Exportindustrien.

Einem der grössten Probleme der industriellen Nutztierhaltung wird in dem FAO-Bericht nur wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Die industrielle Erzeugung tierischer Produkte führt zu einem millionenfachen, unvorstellbaren Leid der Tiere. In qualvoller Enge und ohne Tageslicht fristen sie ihr Dasein und dienen damit ausschließlich der kurzfristigen Profitmaximierung. Der Einsatz von Qualzuchten ist ebenso an der Tagesordnung wie die aus der industriellen Haltung resultierenden Krankheiten. Trotz der umfassenden Biosicherheit sind Nutztiere extrem anfällig für Krankheitserreger. Ihr geschwächtes Immunsystem ist oftmals zu labil, um Infektionen abzuwehren.

Die FAO spricht die Empfehlung aus, große Tierfabriken auszulagern, um der Übertragung von Krankheitserregern vorzubeugen. Ausserdem wird empfohlen, das übermäßige prophylaktische Töten von Tieren, die der Gewinnung von Nahrungsmitteln dienen, zu vermeiden. Diese vorbeugende Maßnahme hat in Zeiten der Vogelgrippe zu mangelnder Ernährungssicherheit, steigender Armut und dem Verlust von Artenvielfalt geführt.

Um Armutsbekämpfung und Nahrungsmittelsicherheit zu gewährleisten, rät die FAO, Kleinbauern zu fördern und eine Politik der ländlichen Entwicklung weiterzuentwickeln. Für 70% der Ärmsten dieser Welt sind Nutztiere jedoch eine elementare Lebensgrundlage.

Dies solle man im Kopf behalten, empfiehlt die FAO. Leider folgen auf diese Ratschläge nur ungenaue Lösungsansätze.

Statt konkreten nachhaltigen Konzepten den Weg zu bereiten, tritt die FAO nach wie vor für die Ausweitung industrieller Viehhaltung ein. Mit dem Argument, dass Mütter und Kinder tierische Produkte aufgrund der Nährstoffversorgung benötigen, verschließt die Organisation die Augen vor den Grenzen des Wachstums. Die Produktion proteinreicher und zugleich klimaeffizienter Pflanzen, die einem Nährstoffmangel vorbeugen könnten, sind weltweit rückläufig, zum Teil sogar auf Grund ihrer Konkurrenz zu den Anbauflächen für Futtermittel.

Effektive und erweiterte Instrumente sollen dem Bericht nach das Mittel der Wahl sein, um die Finanzierung der Viehwirtschaft zu gewährleisten. Die Aussage, dass die Viehwirtschaft ein enormes Potential zur Minderung des Klimawandels habe, bedeutet nicht, dass die Studie anregt, den Konsum bewusster zu gestalten. Zur Messung und Verringerung klimarelevanter Gase, die durch die Produktion tierischer Produkte entstehen, sollen innovative Technologien erforscht werden. Diese sollen anschließend eingesetzt und verbreitet werden, so dass zukünftig zuverlässigere Werte in Bezug auf die Höhe des CO2-Ausstoßes ermittelt werden können.

Sowohl der Nutzen, als auch die anfallenden Kosten dieser Vorgehensweise sind zum heutigen Zeitpunkt nicht quantifizierbar. Genaue Aussagen wird man erst treffen können, wenn diese Technologien in unbestimmter Zukunft erforscht und im Einsatz sind.

Treffend beschreibt Susanne Gura das Fazit des Berichts: Die FAO-Vorschläge lesen sich, als sollten lediglich die Liegestühle auf der Titanic neu arrangiert werden.


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Quelle:
PROVIEH Heft 2, Juni, 2010, Seite 14-15
Herausgeber: PROVIEH - Verein gegen tierquälerische Massentierhaltung
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PROVIEH erscheint viermal jährlich.


veröffentlicht im Schattenblick zum 2. Juli 2010