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MASSNAHMEN/143: Scheitert das Antibiotika-Monitoring an der Blockadehaltung der Bauern? (BBU WASSER-RUNDBRIEF)


BBU-WASSER-RUNDBRIEF Nr. 1064 vom 04. Mai 2015 34. Jahrgang

regioWASSER e.V. - Freiburger Arbeitskreis Wasser im Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz e.V. (BBU)

Scheitert das Antibiotika-Monitoring an der Blockadehaltung der Bauern?


Da sich Antibiotika-Wirkstoffe und Antibiotikaresistenzen mehr und mehr über Gülle und den Abwasserpfad verbreiten, verfolgen wir alle Aktivitäten zur Einschränkung der Antibiotikaresistenzbildung (s. RUNDBR. 1039/4). Dazu gehört auch das vom Bundeslandwirtschaftsministerium groß angekündigte Antibiotika-Monitoring in der Nutztierhaltung. Die erste Runde des groß angekündigten Antibiotika-Monitorings endete in einem Fiasko. Mit dem Antibiotika-Monitoring wollte das Bundeslandwirtschaftsministerium der Kritik an einer überbordenden Verabreichung von Antibiotika-Wirkstoffen in der Nutztierhaltung den Wind aus den Segeln nehmen. Mit dem Antibiotika-Monitoring war geplant, ab dem Jahr 2014 flächendeckend den Einsatz von Antibiotika-Wirkstoffen zu erfassen. Auf Grund des Monitorings sollten die Bauern registriert werden, die bei der Verabreichung von Antibiotika in der oberen Hälfte oder gar im obersten Viertel der Statistik angesiedelt wären. Diese Landwirte mit einem überdurchschnittlich hohen Antibiotikaeinsatz sollten dann veranlasst werden, Maßnahmenpläne für einen reduzierten Antibiotika-Einsatz in ihren Ställen zu erstellen. Mit der Minimierung des Antibiotikaeinsatzes im Tierstall zielte man darauf ab, die Entstehung und Verbreitung von Antibiotikaresistenzen zu verringern. Jetzt hat sich herausgestellt, dass die Statistik nichts taugt - denn Tausende Landwirte haben trotz Meldepflicht die Datenerhebung boykottiert. Die Datenerhebung ist so gestrickt, dass die Landwirte ohne Meldung als Betriebe in die Statistik Eingang finden, die keinerlei Antibiotikaeinsatz aufweisen! Damit sind die errechneten Kennzahlen über den durchschnittlichen Antibiotikaeinsatz ohne jede Aussagekraft. Jetzt müssen die Datensätze einer aufwendigen Plausibilitätsprüfung unterworfen werden - und das wird Monate dauern. Der Fehlstart des Antibiotika-Monitorings war durch eine Recherche von NDR/WDR und Südt.Ztg. 28.04.15 publik geworden.

Defizite beim Antibiotika-Monitoring - So sieht es in den einzelnen Bundesländern aus

Der Nachrichtendienst agrarheute.com hat zum Stand der Defizite bei der Datenerhebung in den einzelnen Bundesländern folgende Angaben präsentiert:

Nordrhein-Westfalen: Rund 2.300 Tierhalter - etwa ein Fünftel aller meldepflichtigen Betriebe - habe dort laut Angaben des Ministeriums nichts in die Datenbank eingetragen.

Schleswig-Holstein: Hier fehlen Angaben von rund 40 Prozent der meldepflichtigen Betriebe. Baden-Württemberg: Hier sollen sogar mehr als die Hälfte der landwirtschaftlichen Betriebe keine Angaben über die Antibiotika-Gaben gemacht haben.

Sachsen-Anhalt: Hier teilte das Land mit, es wisse nicht, wieviele Landwirte Angaben zum Antibiotika-Einsatz gemacht haben.

Niedersachsen: Nach Angaben von NDR geht das Ministerium dort davon aus, dass wohl die meisten Betriebe ihre Angaben korrekt in die Datenbank eingetragen haben.

Brandenburg: Auch hier können die Behörden bisher keine gesicherten Angaben geben. Bayern und Sachsen: Hier teilten die Landesministerien mit, sie hätten keinen Zugriff auf die Zahlen.

Antibiotika-Monitoring: Boykott-Bauern droht Bußgeld

Eigentlich müsste die breite Verweigerungshaltung der deutschen Nutztierhalter gegenüber dem Antibiotika-Monitoring der Bundesregierung superpeinlich sein - hat doch Bundeskanzlerin Angela Merkel den Kampf gegen die Entstehung und Ausbreitung von Antibiotika-Resistenzen als Topthema auf dem anstehenden G7-Gipfel im Juni 2015 auf Schloss Elmau ganz weit oben platziert. Gegenüber dem NDR gab man sich im Bundeslandwirtschaftsministerium aber ganz abgeklärt: "Einen fehlerfreien Start habe man nicht erwarten können." Für den Fehlstart des Antibiotika-Monitorings hat Bundeslandwirtschaftsminister CHRISTIAN SCHMIDT (CSU) inzwischen die Bundesländer verantwortlich gemacht: "Wenn es tatsächlich gravierende Meldelücken und damit Vollzugsdefizite in den Bundesländern geben sollte, sind diese von den zuständigen (Landes-)Behörden abzustellen", hatte SCHMIDT am 29.04.15 erklärt. Zur Rechtslage hatte der Bundeslandwirtschaftsminister festgestellt. "Wer angewendet hat, muss melden. Wer angewendet hat und nicht meldet, verstößt gegen das Arzneimittelgesetz."

In Niedersachsen sollen schon 250 Verfahren wegen möglicher Verstöße eingeleitet worden sein. Der Deutsche Bauernverband (DBV) hat am 30.04.15 in einer verquasten Pressemitteilung ebenfalls Stellung zum Fiasko beim Antibiotika-Monitoring bezogen. Die geringe Teilnahmequote begründete der DBV damit, dass es im Rahmen eines Qualitäts-Sicherungssystems bei der Fleischproduktion bereits ein freiwilliges Meldesystem für den Antibiotikaeinsatz in der Tiermast geben würde. Demgegenüber sei das staatliche System praxisfern, wenig sinnvoll und viel zu bürokratisch. Vor allem ärgert sich der Bauernverband aber darüber, dass durch die geringe Beteiligungsquote der Durchschnitt des Antibiotikaeinsatzes nach unten gedrückt würde. Damit würden auch Landwirte zur Erstellung von Antibiotika-Reduktions-Maßnahmenpläne veranlasst, die bei einer stimmigen Kennzahl weit unter dem Durchschnitt gelegen hätten. Denn wenn ein Betrieb keine Angaben geliefert hat, wird er von dem äußerst smarten Datenverarbeitungssystem so gewertet, als hätte der Betrieb keine Antibiobiotika eingesetzt.

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Quelle:
BBU-WASSER-RUNDBRIEF Nr. 1064
Herausgeber:
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veröffentlicht im Schattenblick zum 1. Juni 2015

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