Schattenblick → INFOPOOL → UMWELT → LANDWIRTSCHAFT


AGRARINDUSTRIE/153: Eine weitere "beispielhafte" Güllehavarie - dieses Mal aus Meck-Pomm (BBU WASSER-RUNDBRIEF)


BBU-WASSER-RUNDBRIEF - Nr. 1146, vom 07. Aug. 2019 - 38. Jahrgang

regioWASSER e.V. - Freiburger Arbeitskreis Wasser im Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz e.V. (BBU)

Eine weitere "beispielhafte" Güllehavarie - dieses Mal aus Meck-Pomm


Immer wieder kam es in der jüngeren Vergangenheit zu Gülleeinleitungen in Bäche mit z.T. massivem Fischsterben als Folge. Der BUND hat uns gebeten, einmal mehr auf die latente Gefährdung von Bächen durch nicht sachgemäß betriebene Biogasanlagen und Güllelager aufmerksam zu machen. Ein "Paradebeispiel" dafür, was alles schief laufen kann, war nach Angaben des BUND die Havarie in einer Schweinemastanlage in Neubukow. Am 02. Dezember 2018 kam es dort über einen längeren Zeitraum zu einem massiven Eintrag von Gülle in den Panzower Bach, den Hellbach und das Salzhaff (Ostsee). Bemerkt wurde der Eintrag nicht durch einen Anlagen-internen Alarm sondern nur durch Angler, die einen unguten Geruch am Hellbach und ein flächendeckendes Fischsterben bemerkten. Das Staatliche Amt für Landwirtschaft und Umwelt nahm erst zwei Tage nach der Havarie Wasserproben, ca. vier Kilometer bachabwärts. Trotz der Verdünnung der Einleitung durch die 4 km lange Fließstrecke im Panzower Bach und Hellbach und trotz des zeitlichen Abstandes zum Zeitpunkt der Havarie wurden lt. BUND extrem hohe Werte an wassergefährdenden Stoffen festgestellt. Die Ammoniakkonzentration lag bei 0,4 mg/l und überschritt damit den Orientierungswert um Zehnerpotenzen. Die Konzentrationen von Kupfer (9.7 µg/l), Zink (0.035 mg/l), Phosphat (0.47 mg/l), Nitrit (0.09 mg/l) und organische Belastung (CBS: 89 mg/l, BSB5: 43 mg/l O2 ) waren ebenfalls stark erhöht. Die Schwermetalle stammen aus Futtermitteln, Desinfektionsmitteln (Klauenbäder) und Einstreu. Nach einschlägiger Literatur entsprachen die Ammoniak-, Kupfer- und Zink-Konzentrationen im Bach akut-lethalen Konzentrationen für verschiedene Fischarten, so die Bewertung durch den BUND. Bei Begehungen zwischen dem 04. und dem 10.12.18 wurden in der Tat auch keine lebenden sondern nur noch massenhaft tote Fische gefunden. Darunter waren v.a. Plötze, Aland, Barsch, Bachforelle, Zander, Hecht und Meerforelle. Auch die gesamte Fischbrut dürfte abgetötet worden sein. Die Bäche sind Laichgewässer für u.a. etwa 80% der Meerforellen in der Wismarbucht. Das Land hatte in den letzten 10 Jahren daher für rund 2.6 Millionen Euro Gewässerabschnitte renaturiert, Fischtreppen gebaut und Besatzmaßnahmen durchgeführt. All diese Anstrengungen wurden mit einem Schlag zunichte gemacht.

Gülleeinleitung: BUND ärgert sich über unprofessionelle Behörden

Entgegen den öffentlichen Beteuerungen des Umweltministers funktionierten Behörden-Meldeketten nicht, Zuständigkeiten wurden zwischen Behörden hin- und hergeschoben. So fand eine Beräumung der toten Fische durch Landesbehörden nie statt. Wichtige Analysen wie z.B. auf freigesetzte Mikroorganismen, wurden nicht durchgeführt, obwohl bekannt ist, dass Gülle oft z.B. multiresistente Keime enthält. Von Behördenseite wurde darauf verwiesen, dass weder in der Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) noch in der Oberflächengewässerverordnung (OGewV) auf Mikrobiologie abgestellt würde. Ursache der Havarie in Neubukow war offenbar, dass in der Mastanlage (i) ein funktionierendes Warnsystem für Undichtigkeiten und austretende Gülle nicht vorhanden war, (ii) weder eine Notabschalte- noch funktionierende Güllerückhalteeinrichtungen existierten. Außerdem waren Gülletransfers innerhalb der Anlage mit "fliegenden Leitungen" realisiert. Laut Verordnung zu wassergefährdenden Stoffen (AwSV) müssen Mastanlagen aber so konstruiert sein, dass wassergefährdende Stoffe wie Gülle nicht austreten können und ein Austritt schnell (!) und zuverlässig erkennbar sein muss. Die Güllehavarie legt nahe, dass Landesbehörden entweder eine nicht-genehmigungsfähige Anlage zugelassen haben oder ihren Kontrollpflichten nicht wirksam nachgekommen sind.

Noch zweieinhalb Monate vor der Havarie war die Mastanlage durch Landesbehörden überprüft worden. Die fliegenden Leitungen zwischen Güllebehältern wurden moniert ohne eine Stilllegung des Betriebes bis zu einer baulichen Änderung zu verfügen. Die Anlage wurde offenbar aber nicht auf funktionierende Signalsysteme für Undichtigkeiten und austretende, wassergefährdende Stoffe und auch nicht auf genügend groß dimensionierte und dichte Rückhaltebecken untersucht. Die Güllehavarie zeigt, dass gefährliche und erhebliche Mängel in der Anlage bestanden haben, die zu einer unverzüglichen Stilllegung der Anlage und einer gutachterliche Überprüfung hätten führen müssen. Geboten wäre jetzt, eine gründliche, gutachterliche Überprüfung der Zulassungs- und Überwachungspraxis aller Mastanlagen im Lande sowie ein Verzicht auf Neugenehmigungen von Mastanlagen in der Nähe von Fließgewässern, mahnt der BUND. Außerdem müssen bei Havarien mit Gülle oder Gärresten unbedingt mikrobiologische Analysen durchgeführt werden, da eine Gefährdung von Mensch und Umwelt durch antibiotika-resistente Keime und andere gefährliche Erreger wie Clostridien (C.tetanii, C. botulinum v.a. in Gärresten - siehe RUNDBR. 1036/1-2) wahrscheinlich ist.

Weitere Auskunft zur Bewertung der Güllehavarie
durch die zuständige BUND-Ortsgruppe:
BUND Ortsgruppe Salzhaff-Rerik
Gartenweg 7
18233 Teßmannsdorf
Tel.: 038296-74057


https://www.bund-mecklenburg-vorpommern.de/mitmachen/bund-gruppen-vor-ort/salzhaff-rerik/

(Weitere Beispiele für Gülle- und Biogashavarien können in den RUNDBR. 1127/1-2, 1072/1, 1071/3-4, 1062/1-3, 1036/1-3, 1024/4; 990/4, 973/2-4, 964/1-4, 963/1-3 und 948/3-4 nachgelesen werden.)

*

Quelle:
BBU-WASSER-RUNDBRIEF Nr. 1146
Herausgeber:
regioWASSER e.V. - Freiburger Arbeitskreis Wasser
im Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz e.V. (BBU),
Grete-Borgmann-Strasse 10, 79106 Freiburg i./Br.
E-Mail: post@regiowasser.de
Internet: www.akwasser.de, www.regioWASSER.de
 
Der BBU-WASSER-RUNDBRIEF kann abonniert werden durch Voreinzahlung
von 30 Euro für 30 Ausgaben auf das Postbankkonto Arbeitsgruppe
Wasser, Kto-Nr. 41952 757, Postbank Klrh., BLZ 660 100 75.
 
Meinungsbeiträge geben nicht in jedem Fall die Position des BBU wieder!
Die Weiterverwendung der Informationen in diesem RUNDBRIEF ist bei
Quellenangabe (!) erwünscht!
© Freiburger Ak Wasser im BBU


veröffentlicht im Schattenblick zum 8. Oktober 2019

Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang