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AGRARINDUSTRIE/109: EU-Nitratrichtlinie - endlich Schluss mit Ausnahmen (PROVIEH)


PROVIEH MAGAZIN - Ausgabe 2/2014
Magazin des Vereins gegen tierquälerische Massentierhaltung e.V.

EU-Nitratrichtlinie - endlich Schluss mit Ausnahmen

Von Sievert Lorenzen



Wem gegenüber fühlen sich die Agrarminister in der EU eigentlich verantwortlich? Gegenüber den EU-Bürgern, die eine gesunde Umwelt auch für die nächsten Generationen bewahren wollen? Oder gegenüber den Agrarindustriellen, die des Profits wegen eine kranke Umwelt in Kauf nehmen?

Die Agrarminister der deutschen Bundesländer gaben auf ihrer Konferenz am 16. Januar 2014 eine klare Antwort: Sie stehen auf Seiten der Agrarindustriellen. Zwar beklagten die Minister in TOP 12, "dass es in einzelnen Regionen nach wie vor teilweise große, die Wasserqualität gefährdende Nährstoffüberschüsse gibt", aber dennoch bitten sie in TOP 11 den Bund, "alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um die Derogation weiterführen zu können."

Mit "Derogation" ("außer Kraft setzen") sind in diesem Fall Ausnahmen von der EU-Nitratrichtlinie 91/676/EWG gemeint. Diese Richtlinie wurde 1991 zum Schutz unseres Grundwassers erlassen mit dem Ziel, dass das Grundwasser in der EU bis 2015 höchstens 50 Milligramm Nitrat pro Liter enthalten dürfe. Jetzt, 23 Jahre später, steht fest: Dieses Ziel wird weit verfehlt werden, wie die EU-Kommission am 4. Oktober 2013 in ihrem Bericht mitteilte. Es kommt noch immer zu viel Nitrat auf die Felder. Pro Jahr dürfen es 170 Kilogramm pro Hektar sein, aber zu viel davon sickert ab ins Grundwasser. Dennoch wollen die deutschen Agrarminister, dass die EU auf Antrag auch weiterhin 230 Kilogramm Nitrat pro Jahr und Hektar auf Grünland und Feldgras erlaubt, aber das ist selbst für schon bestehende Pflanzendecken zu viel.

Die EU-Kommission will die Ausnahme nicht mehr erlauben. Sie ist sauer, dass Deutschland noch immer keine strengere Düngeverordnung auf die Reihe gebracht hat. Sie droht Deutschland sogar mit einer Klage vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH), was aus dem gleichen Grunde 2002 schon einmal geschah. Wer nicht hören will, muss fühlen. Das gilt für alle Mitgliedsländer der EU, auch für Deutschland.


Wurzel des Übels: Zügellose Förderung von Massentierhaltungen

In ihrem Bericht vom 4. Oktober 2013 stellt die EU-Kommission unmissverständlich fest: "Der Viehbestand zählt zu den Hauptverursachern der Umweltbelastung. Große Tierbestände, die sich an einem Ort oder in einer Region konzentrieren, stellen eine große Gefahr für die Umwelt dar, weil ein Ungleichgewicht zwischen der Gülleerzeugung und der verfügbaren Fläche beziehungsweise dem Bedarf der angebauten Kulturen besteht. Dieses Ungleichgewicht verursacht einen Nährstoffüberschuss, der früher oder später in das Wasser (Nitrat und Phosphat) und in die Luft (Ammoniak und Stickoxide) entweicht, wenn er nicht aus dem betreffenden Gebiet entfernt wird."

Gülle mit riesigen LKWs in Regionen mit wenig Vieh zu transportieren ist teuer, schadet den Straßen und löst das Gülleproblem nicht. Die einzig taugliche Lösung lautet: Viehdichte drastisch reduzieren, damit sich Gülle von einem Entsorgungsproblem wieder zu einem wertvollen Düngegut entwickeln kann. Die Massentierhaltungen schossen ja wie Pilze aus dem Boden, weil massenhaft viel billiges Kraftfutter aus Übersee verfügbar war und weil Massentierhaltungen zügellos genehmigt und mit hohen Subventionen gefördert wurden. Und jetzt haben wir das Problem mit der überschüssigen Gülle. Sie in die Agrargasanlagen zu pumpen, löst das Problem nicht, weil die Pflanzennährstoffe erhalten bleiben und mit den Gärresten etwas später auf die Felder gelangen.

Massentierhalter verdienen an ihrem Geschäft und an den üppigen Subventionen hierfür, und im Gegenzug muten sie Mensch, Tier und Natur Leid und Umweltverschmutzung zu, für deren Beseitigung im Zweifel wir Steuerzahler zahlen müssen. Billige tierische Produkte sind für uns also viel zu teuer, als dass wir sie uns leisten können. Es ist ungeheuerlich, dass das ganze Treiben dennoch politisch und aus Steuermitteln noch immer massiv gefördert wird.

Oft wird frech gelogen, die Massentierhaltung unterstützte den Kampf gegen den Hunger in der Welt. Das tut sie nicht, sie schafft Hunger in der Welt, weil Millionen Hektar Ackerboden in Übersee für die Erzeugung von Futtermitteln für unsere Nutztiere beschlagnahmt werden und für die Nahrungsmittelerzeugung für die Menschen vor Ort ausfallen. Massentierhaltung ist schon aus diesem Grunde ethisch unvertretbar. Ein anderer Grund ist, dass Nutztiere als fühlende Lebewesen in der EU noch immer nicht richtig ernst genommen werden. Aus beiden Gründen ist die Arbeit von PROVIEH auch weiterhin unverzichtbar.

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Quelle:
PROVIEH MAGAZIN - Ausgabe 2/2014, Seite 30-31
Herausgeber: PROVIEH - Verein gegen
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veröffentlicht im Schattenblick zum 23. September 2014