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FINANZEN/049: Bund Naturschutz fordert Debatte über EU-Agrargelder und legt eigene Zahlen offen (BN)


Bund Naturschutz in Bayern e.V. - München, 2. Juli 2009 / Landwirtschaft

Bund Naturschutz fordert offene und ehrliche Diskussion über eine sozial gerechte und umweltverträgliche Verteilung der EU-Landwirtschaftsgelder und legt eigene Zahlen offen


Der Bund Naturschutz hat die Weigerung der bayerischen Staatsregierung, die Zahlungen der EU an Bauern und die Lebensmittelindustrie zu veröffentlichen, als "Schutzmaßnahme für die Falschen" scharf kritisiert. "Kein bayerischer Familienbetrieb muss verbergen, dass er auf Grundlage der Agenda 2000 staatliche Zahlungen erhält", so der BN-Landesvorsitzende Hubert Weiger.

Durch die Veröffentlichung der Zahlen würden aber "schreiende Ungerechtigkeiten" im System der Direktzahlungen, der sogenannten 1. Säule der EU-Agrarpolitik, deutlich und die Diskussion über soziale und ökologische Kriterien für Agrarzahlungen neu belebt werden. "Die Offenlegung der Zahlen ist im Interesse der großen Mehrheit der bäuerlichen Betriebe in Bayern", so Weiger. Aus den vorhandenen Statistiken der EU sei schon jetzt ablesbar, dass 116 Betriebe in Bayern mit mehr als 100.000 Euro an Direktzahlungen genauso viel erhalten, wie mit knapp 21.500 Betrieben rund ein Fünftel aller bayerischen Betriebe. Knapp 50 Prozent aller bayerischen Betriebe bekommen weniger als 5.000 Euro im Jahr.


EU-Agrar-Direktzahlungen in Bayern 2007


Betriebe
Bayern
Betriebe
Bayern
Zahlungen
in Bayern
Zahlungen
in Bayern
Anzahl
in %
in Mio. Euro
in %

36.708
25.738
25.864
35.970
1.211
116
29,2%
20,5%
20,6%
28,6%
1,0%
0,1%
30,2 Euro
87,40 Euro
186,10 Euro
700,00 Euro
76,9 Euro
17,6 Euro
2,7%
8,0%
16,9%
63,7%
1,2%
1,6%
       bis 2.000 Euro 2.000 - 5.000 Euro
5.000 - 10.000 Euro
10.000 - 50.000 Euro
50.000 - 100.000 Euro
    über 100.000 Euro
Summe




125.607
100,0%
1.098,4 Euro
100,0%

Quelle: EU-Finanzstatistik, Auswertung Euronatur 2009


Als "verhängnisvoll für die Wettbewerbsfähigkeit der bayerischen Betriebe" sieht Lutz Ribbe, Agrarexperte von Euronatur die ungerechte Verteilung der Agrarförderung innerhalb Deutschlands.

Nach der Statistik von 2004 bekam allein die Firma Südzucker pro Jahr mit 2,78 Millionen Euro Euro Direktzahlungen ebensoviel wie alle 1219 bäuerlichen Betriebe im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen. Nach der Statistik von 2005 bekamen die 10 größten Agrargenossenschaften in Berlin/Brandenburg mit 18,63 Millionen Euro Direktzahlungen etwas mehr als 3.148 Bauernhöfe im LK Rosenheim.

Im Vergleich zwischen Bayern und Mecklenburg-Vorpommern bekommt ein bayerischer Betrieb pro Arbeitskraft und Jahr 5.781 Euro, ein Großbetrieb in Mecklenburg-Vorpommern aber 18.775 Euro.

"Die Offenlegung der Zahlungen, die mit absoluter Sicherheit kommt, wird auch zeigen, dass der bayerische Bauernverband nicht die Interessen einer bäuerlichen Landwirtschaft in Bayern sondern das falsche "Wachsen oder Weichen"- Prinzip vertritt", so der BN-Landesbeauftragte Richard Mergner. Der Bund Naturschutz fordert von Ministerpräsident Horst Seehofer und dem bayerischen Landwirtschaftsminister Helmut Brunner ihre Geheimhaltetaktik endlich aufzugeben.

In der Analyse der Ungerechtigkeit des Systems sieht der Bund Naturschutz durchaus Übereinstimmung mit Landwirtschaftsminister Brunner. Dieser äußerte im landwirtschaftlichen Wochenblatt (BLW 24 vom 12.6.09, S. 14), "dem Problem, dass ein kleiner Teil der landwirtschaftlichen Betriebe relativ Förderung erhalte, müsse mit neuen Überlegungen begegnet werden. Und wörtlich: "Ich bin durchaus aufgeschlossen für die Einführung einer degressiven Förderung und einer Höchstgrenze. Dies kommt den bayerischen Betrieben zugute und ist auch gerechter."

"Diese Einsicht kommt sehr spät, denn die bayerische Staatsregierung hätte im Jahr 2008 handeln können, als der "Gesundheits-Check" der EU-Agrarpolitik beschlossen wurde", so die BN-Agrarreferentin Marion Ruppaner. Die EU Kommission hatte damals vorgeschlagen, die Direktzahlungen zu kürzen und mit dem Geld auch Agrarumweltprogramme und Milchfördermaßnahmen zu unterstützen.

Die Pläne der Kommission hätten nach Berechnung von Euronatur und Bund Naturschutz pro Jahr rund 160 Millionen Euro zusätzliche Mittel für bayrische Bauern bedeutet, ein Großteil des Geldes wäre von den großen Ackerbaubetrieben Ostdeutschlands gekommen, die bisher die Subventionsgewinner waren.


Forderungen für eine Neuausrichtung der Agrarförderprogramme

Agrarumwelt- und Vertragsnaturschutzprogramme sollen nach Auffassung des BN als Einkommenskomponente noch mehr zur Existenzsicherung der noch bestehenden bäuerlichen Familienbetriebe in Bayern beitragen. Dies hilft, eine artenreiche Kulturlandschaft zu erhalten und fördert damit die Lebensqualität in Bayern sowie den Tourismus als einen der wichtigsten Wirtschaftszweige des Freistaats.


Die Forderungen des BN, die mit der nächsten Agrarreform umgesetzt werden müssen, sind:

• Weitere Umschichtung der Fördermittel für Agrarumweltprogramme und weitere Programme der ländlichen Entwicklung, die den Landwirten selbst zugute kommen, und nach 2013 EU- und WTO- konform für spezielle Leistungen ausgezahlt werden können

• Eine einheitlichen Grundprämie für alle nachhaltig bewirtschafteten Flächen mit einer Flächenbindung der Tierhaltung auf maximal zwei Großvieheinheiten/Hektar, Einhaltung einer Fruchtfolge, in der eine Frucht nicht mehr als 50 Prozent einnimmt und 20 Prozent "Gesundungsfrüchte" angebaut werden, fünf Prozent der Betriebsfläche für Landschaftselemente oder Agrarumweltmaßnahmen, und Verzicht auf den Anbau gentechnisch veränderten Pflanzen

• Bindung von Direktzahlungen an den Nachweis der Beschäftigung einer bestimmten Anzahl sozialversicherungspflichtiger Arbeitskräfte


Bund Naturschutz seit 2005 auch "landwirtschaftlichem Betrieb"

Der Bund Naturschutz selbst erhält für seinen 2005 installierten landwirtschaftlichen Betrieb, in dem knapp 160 Hektar Grünlandfläche in ganz Bayern extensiv landwirtschaftlich genutzt werden, Direktzahlungen in Höhe von durchschnittlich 13.500 Euro/Jahr.

Hinzu kommen aus dem Bereich der EU Zahlungen für die ländliche Entwicklung für 143 Hektar Zahlungen aus dem Vertragsnaturschutzprogramm für besonderen Naturschutzpflegeaufwand und die Ausgleichszulage für benachteiligte Gebiete Der Bund Naturschutz bearbeitet und pflegt die Flächen selbst oder lässt sie als Auftragsarbeit über Maschinenringe oder einzelne Landwirte pflegen.

Ab 2010 werden die Direktzahlungen für Grünlandbewirtschaftung in mehreren Schritten auf die Höhe der Flächenprämie für Ackerland angehoben. Bisher erhalten Ackerbauer ca. 300 Euro/ha, Grünland ist mit ca. 90 Euro/ha bewertet. Die Erhöhung erfolgt über eine Umschichtung von erteilten "Betriebsprämien", z.B. für vor 2005 gehaltene Tiere oder für die Milchquote.


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Quelle:
Pressemitteilung PM 074/09/LFGS, 02.07.2009
Herausgeber:
Bund Naturschutz in Bayern e.V.
Landesgeschäftsstelle
Dr.-Johann-Maier-Str. 4, 93049 Regensburg
Tel. 0 941/ 2 97 20-0, Fax 0 941/ 2 97 20-30
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Internet: www.bund-naturschutz.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 6. Juli 2009