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BIENEN/163: Das Verschwinden der Bienen (BUNDmagazin)


BUNDmagazin - 2/2013
Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland - BUND
Friends of the Earth Germany

Vielfältig bedroht
Das Verschwinden der Bienen

von Tomas Brückmann



Ob wilde Bienen oder die Honigbiene - ihre Entwicklung gibt Anlass zur Sorge. Je monotoner Feld und Flur, desto mehr Bienen verschwinden aus unseren Breiten. Eine neuartige Gruppe von Pestiziden steht unter besonderem Verdacht.


In den letzten Jahren häufen sich die Meldungen: Viele Völker der Honigbiene sind stark dezimiert oder gehen ein - besonders in den USA und im Nahen Osten. Doch auch Europa und Deutschland sind betroffen. So kommt es großräumig oder auf regionaler Ebene immer wieder zu größeren Bestandseinbrüchen. Woran die Honigbienen sterben und warum ganze Völker verschwinden, ist umstritten. Mal wird das Wetter verantwortlich gemacht, mal die Ausbreitung der Varroa-Milbe, mal unsere immer eintönigeren Landschaften und der hohe Pestizideinsatz. Vermutlich wirken meist mehrere Faktoren zusammen.

Die industrielle Landwirtschaft setzt eine Vielzahl von Umweltgiften ein. Diese Stoffe und ihre giftigen Abbauprodukte finden sich im Nektar und Blütenpollen der Pflanzen. Giftstoffe in verschiedensten Konzentrationen bilden eine Grundbelastung, der unsere Bienen permanent ausgesetzt sind. Sie schwächt ihr Immunsystem, wodurch Krankheitserreger wie Viren und Milben leichtes Spiel haben. Daneben trifft die Beseitigung blütenreicher Lebensräume die Honigbiene ähnlich stark wie ihre wilden Verwandten.


Wildbienen sterben unauffällig

Während der Verlust ganzer Bienenvölker von den Imkern rasch registriert wird, verschwinden unsere wilden Bienen still und meist unbemerkt. Zumal sie in aller Regel solitär leben, also keine auffälligen Staaten bilden. Zu schaffen macht den Wildbienen vor allem der Verlust passender Lebensräume samt ihrer Futterpflanzen. Wie schon erwähnt ist daran besonders die Agrarindustrie schuld. Sie macht allen unerwünschten Bewohnern ihrer Produktionsflächen mit immer größerer Perfektion den Garaus. Auch in Gärten und auf städtischem Grün wird noch viel zu oft bunter Wildwuchs entfernt. Fades Blumeneinerlei und Exoten aus dem Gartencenter sind hierfür kein Ersatz.


Nervengifte unter Verdacht

Unter besonderem Verdacht, zum Sterben unserer Bestäuber beizutragen, stehen seit einiger Zeit die »Neonikotinoide«. Diese Nervengifte zur Vernichtung von Insekten sind eine relativ neue Stoffgruppe. Sie binden sich an die Rezeptoren im zentralen Nervensystem der Insekten. Hier summieren sich viele kleine Pestizidgaben und entfalten ihre Wirkung.

Neonikotinoide, die oft zur Beizung von Saatgut eingesetzt werden, wirken systemisch: Sie werden über die Wurzel aufgenommen, bis in die Blätter transportiert und in Guttationstropfen auf der Blattunterseite ausgeschieden. Trinkt ein Insekt von diesen Tropfen, zeigt es die typischen Symptome: Es verliert die Orientierung, taumelt und stirbt meist rasch.


Bienentod am Oberrhein

Ins öffentliche Interesse rückte die Stoffgruppe erstmals im Jahr 2008. Die Neonikotinoide führten am Oberrhein zu einem Sterben von Bienenvölkern in bis dato nicht gekannter Dimension. Bauern beizten ihr Mais-Saatgut mit Clothianidin. Das Pestizid wurde vom Wind auf benachbarte Äcker verweht. Imkern bot sich kurz darauf ein dramatisches Bild: Sterbende und tote Bienen lagen zuhauf vor und in den Bienenkästen. Über 700 Imker mit etwa 12.000 Bienenvölkern wurden unterschiedlich stark geschädigt. Welche Spuren der Gifteinsatz bei wilden Bienen sowie Schmetterlingen und anderen Insekten hinterlassen hat, wurde nie untersucht.


Neue Erkenntnisse

Zwei in »Science« veröffentlichte Studien bestätigten 2012, dass Neonikotinoide viel stärker wirken, als bisher bekannt war. So belegten französische Forscher, dass die Gifte - auch ordnungsgemäß angewendet - die Orientierung von Honigbienen erheblich einschränken. Teilweise finden derart viele Bienen nicht zu ihrem Stock zurück, dass ganze Bienenvölker absterben.

Eine Forschergruppe der britischen Universität Stirling untersuchte Erdhummeln, also wildlebende Bestäuber. Sie setzten eine Kolonie dem Neonikotinoid Imidacloprid aus, in herkömmlicher Dosis. Ergebnis: Das weitere Wachstum der Kolonie und die Produktivität der Königin wurden erheblich gestört.


Bundesregierung stützt Agrarindustrie

Diese neuen Erkenntnisse zwangen die Politik zum Handeln. Eine Studie des Europäischen Parlaments präsentierte im Dezember Beweise für die fatale Wirkung der Neonikotinoide und stellte einen klaren Zusammenhang zum Bienensterben her. Im Januar erklärte die Europäische Behörde für Nahrungsmittelsicherheit, dass Bienen die Nervengifte über mehrere Quellen aufnehmen: Pollen, Nektar, Staub und Guttationswasser. Der Gesundheitskommissar der EU, Toni Borg, reagierte. Er schlug den EU-Mitgliedsstaaten vor, die drei Neonikotinoide Clothianidin, Imidacloprid und Thiamethoxam in »bienenrelevanten« Kulturen vorerst zwei Jahre nicht mehr einzusetzen. Doch Borg hatte den Widerstand der Agrarindustrie unterschätzt. Diese präsentierte einen angeblich drohenden Schaden von europaweit mehreren Milliarden Euro und den Verlust von 860.000 Jobs.

Eine für Februar anberaumte Abstimmung im Ausschuss für Nahrungsketten und Tiergesundheit wurde auf Drängen der Wirtschaft verschoben. Im März schließlich verfehlte der Vorschlag Borgs die nötige Mehrheit - da sich Deutschland und Großbritannien der Stimme enthielten. Hinter verschlossener Tür versuchen Unterhändler der Bundesregierung derzeit andere Mitgliedsländer vom Verbot bestimmter Neonikotinoide abzubringen - ganz im Interesse von Chemiekonzernen wie Bayer, BASF und Syngenta.


Zulassung reformieren

Die Hersteller behaupten, ihre Pestizide seien amtlich geprüft, zugelassen und sicher. Für den BUND aber sind die Regeln für die Prüfung und Zulassung das Kernproblem: Zulassungsbehörden dürfen für ihre Bewertung bislang nur Studien der Hersteller zugrunde legen, nicht aber die von unabhängiger Seite. Gleichzeitig halten die Behörden die Studien der Industrie fest unter Verschluss (Geschäftsgeheimnis!). Solange sich das nicht ändert, ist zu befürchten, dass die industrielle Landwirtschaft der Vielfalt - nicht nur - unserer Bienen bald ein Ende bereitet. Zumal die nicht tödlichen Effekte im Verfahren meist unberücksichtigt bleiben, desgleichen Kombinationseffekte, die beim Einsatz mehrerer Pestizide auftreten.


Bienenkiller verbieten

Der BUND fordert alle Neonikotinoide EU-weit zu verbieten - und dazu alle anderen für Wild- und Honigbienen gefährlichen Pestizide. Außerdem muss die Zulassung von Pestiziden neu geregelt werden: So müssen die Rohdaten der Industrie und der Schriftwechsel mit Behörden öffentlich zugänglich sein und von unabhängigen Wissenschaftlern überprüft werden. Auch die Studien unabhängiger Institutionen sollten künftig bei der Bewertung eines Mittels berücksichtigt werden. Nur ein solch transparentes Verfahren kann sicherstellen, dass derart gefährliche Stoffgruppen erst gar nicht in die Umwelt gelangen.

Europas Agrarpolitiker müssen dringend umsteuern. Eine weniger intensive Landnutzung mit vielfältiger Fruchtfolge und wieder mehr blühenden Randstreifen lautet das Gebot der Stunde. Nur das schafft auf Dauer Futterplätze und Nistmöglichkeiten für Wildbienen und Futter auch für ihre zahmen Verwandten.


Tomas Brückmann betreut das BUND-Projekt »Pestizide/Biodiversität«.


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

- Pestizide für die Agrarwüste - kein Ort für Bienen.
- Protest gegen Pestizide und das Bienensterben zu Jahresanfang in Berlin.

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Quelle:
BUNDmagazin 2/2013, S. 16 - 17
Herausgeber:
Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V. (BUND)
Friends of the Earth Germany
Am Köllnischen Park 1, 10179 Berlin
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veröffentlicht im Schattenblick zum 6. Juli 2013