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INITIATIVE/141: Germanwatch-Informationsdienst KlimaKompakt Nr. 66 (GW)


Germanwatch e. V.

KlimaKompakt Nr. 66 - 22. Februar 2010


Aktuelle Daten überraschen mit Ergebnissen
Januar 2010: Wärmster Monat seit Beginn der Satellitenmessungen

Ausbau von CCS (CO2-Abscheidung und -Speicherung) geht der IEA zu langsam
Gesamtkosten der Minderung ohne CCS 70 Prozent höher

Studie der WestLB sieht wenig Anreize für Ersatzinvestitionen in neue Kraftwerke
Der jetzige Strommarkt bietet keinen Anreiz für Gas und CCS

Raute

Editorial

Ohne CCS können Klimaziele nicht erreicht werden

Nachdem Kopenhagen nicht den erwünschten und schnellen Erfolg brachte, den sich vom Klimawandel betroffene Staaten und Umweltorganisationen gewünscht haben, bereiten wir uns auf ein weiteres klimapolitisches Jahr vor. Denn die notwendige Klimapolitik duldet keinen Aufschub - auch wenn das hiesige Wetter momentan mit klirrender Kälte einen anderen Eindruck vermittelt und grundsätzlichen Zweiflern des Klimawandels Aufwind gibt.

Zu Recht ist die CO2-Abscheidung und -Lagerung (CCS) ein umstrittenes Instrument zur Erreichung von Klimasicherheit und Emissionsreduktionszielen, denn viele Gründe sprechen gegen ihren Einsatz: Etwa der höhere Kohleverbrauch und die Fortsetzung des Kohleberg- oder -tagebaus mit noch höheren dadurch resultierenden Schäden.

Aber Länder wie China und die USA werden noch einige Jahre nicht auf Kohle als Energieträger verzichten - China hat vor kurzem Kohle im Wert von 60 Milliarden Dollar für die nächsten 20 Jahre in Australien bestellt und hat noch erhebliche eigene Vorräte. Sie werden deshalb, um überhaupt in die Nähe der erforderlichen Emissionsminderungen zu kommen, auf die Brückentechnologie CCS angewiesen sein. Auch ambitionierte Klimapolitik in Deutschland und Europa wird nur noch mit CCS möglich sein, denn selbst bei einer vollständig auf Erneuerbare Energien umgestellte Stromversorgung müssen prozessbedingte CO2-Emissionen industrieller Prozesse wie der Stahl- und Zementherstellung abgefangen werden können.

Manfred Treber


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Aktuelle Daten überraschen mit Ergebnissen

Januar 2010: Wärmster Monat seit Beginn der Satellitenmessungen

Nachdem vor wenigen Wochen das Jahr 2009 noch als das zweitwärmste Jahr der letzten 130 Jahre vorgestellt wurde, haben seit Mitte Dezember Schnee, Eis und Wind weite Teile der Nordhalbkugel fest im Griff. Vor diesem Hintergrund wird so manchen die Nachricht überraschen, dass der Januar 2010 anders als in Teilen Europas und der USA im globalen Durchschnitt extrem warm war.

Germanwatch dokumentiert einen Artikel der britischen BBC, der auf die Fortsetzung der globalen Erwärmung auch in 2010 aufmerksam macht.

"Der "University of Alabama-Satellit (UAH)" verzeichnete im Januar 2010 für die unterste Troposphärenschicht eine Temperaturabweichung von ’ 0,72 °C gegenüber dem langjährigen Mittelwert. Der Januar diesen Jahres ist demnach der Wärmste seit Beginn der Satellitenmessung vor 32 Jahren. Dieser Befund konnte auch durch die aktuellen Bodenmessungen der NASA erhärtet werden: Dabei nähert sich die globale Durchschnittstemperatur der Erdoberfläche momentan dem globalen Rekordwert, der im Februar 1998 erreicht wurde (siehe Update). Die neuen Satellitenmessungen werden vor allem Klima-Skeptiker, die an der Gültigkeit von Bodenmessungen zweifeln und die globale Erwärmung auf den Effekt der städtischen Wärmeinseln zurückführen, überraschen. Seit Beginn der Satellitenmessung in den späten 1970er Jahren haben die Aufzeichnungen des UAH-Satelliten im Gegensatz zu den Bodenthermometern die Erderwärmung nämlich nur teilweise bestätigen können.

Besonders interessant ist, dass die Temperaturen seit Dezember vor allem in der Nordhemisphäre stark angestiegen waren, obwohl genau dort viele Regionen dieses Jahr einen besonders kalten Winter erleben. Diese Entwicklung macht auch die hohe Bedeutung der Ozeane deutlich, die viel wärmer waren als normalerweise und die gegenwärtig kältere Landflächen um ein Vielfaches übertrafen.

Sollte sich der gegenwärtige Trend fortsetzen so erwarten die beiden führenden Klimaforschungsinstitute, das amerikanische NASA Goddard Institute for Space Studies, sowie das britische Met Office des Hadley Centers, dass das Jahr 2010 wahrscheinlich zum, wärmsten Jahr seit Beginn der Temperaturaufzeichnungen werden wird."

Quelle: Paul Hudson, BBC-Blog, Feb. 2010: January 2010 warmest on record - Yes really!
www.bbc.co.uk/blogs/paulhudson/2010/02/january-2010-warmest-on-record.shtml

Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:
Karte: Globale Temperaturanomalien gegenüber dem langjährigen Mittelwert von 1979-1998. Während es in Teilen der Nordhalbkugel (blaue Farbtöne, v.a. USA und Mexiko, Europa und Teile Sibiriens) vergleichsweise kalt war, lagen die Temperaturen auf dem größten Teil des Globus ungewöhnlich hoch (gelbe und rote Farbtöne, v.a. Arktis, naher Osten, Südostasien, große Teile Afrikas, Australiens und Südamerikas). Quelle: www.remss.com

Update 19. Februar: Die Messungen der NASA werden zusätzlich noch durch die Boden- und Meeresstationen des staatlichen US-Wetterdienstes NOAA bestätigt, welche den Januar 2010 zum viertwärmsten Januar seit Beginn der Aufzeichnungen im 19. Jahrhundert zählt.

Quelle:
NOAA 2010, www.ncdc.noaa.gov/sotc/?report=global&year=2010&month=1&submitted=Get+Report


Weitere Infos: Germanwatch-Hintergrundpapier "Januar 2010 bricht Wärmerekord trotz der Minusgrade", www.germanwatch.org/klima/januar10.pdf


Ausbau von CCS (CO2-Abscheidung und -Speicherung) geht der IEA zu langsam

Gesamtkosten der Minderung ohne CCS 70 Prozent höher

Die traditionell den großen Stromkonzernen nahestehende Internationale Energie-Agentur (IEA) hat mittlerweile anerkannt, dass es als Antwort auf die Klimaänderung weltweit starker Emissionsreduktionen bedarf. Für sie ist die Abscheidung und Speicherung von CO2 (CCS) neben einem Ausbau der Erneuerbaren und einer Erhöhung der Energieeffizienz dafür ein zentrales Element. Um den Ausbau von CCS zu beschleunigen, legte die IEA einen Technologieausbauplan für CCS vor.

Germanwatch übersetzt Auszüge der CCS-Roadmap der IEA.

"Die Kohlenstoff-Abscheidung und -Speicherung (CCS) ist ein bedeutender Teil des Portfolios zur kostengünstigen Senkung von Treibhausgasen (THG). Die IEA-Analyse weist darauf hin, dass ohne CCS die Gesamtkosten, um die Emissionen bis zum Jahr 2050 auf das Niveau von 2005 zu reduzieren, um 70% ansteigen werden. Diese Roadmap beinhaltet einen ambitionierten CCS-Entwicklungspfad zwecks Erreichung dieses THG-Minderungspotentials und sieht 100 weltweite Projekte bis 2020 und über 3000 Projekte bis 2050 vor. Das Ausmaß der Projektentwicklungen dieser Roadmap benötigt zusätzliche Investitionen von über 2,5-3 Milliarden US$ von 2010 bis 2050, was ca. 6% der benötigten Gesamtinvestitionen ausmacht, um eine Reduzierung der THG-Emissionen um 50% bis 2050 zu erreichen. Die OECD-Regierungen müssen die Finanzierung für CCS-Demonstrationsprojekte auf jährlich durchschnittlich 3,5 bis 4 Milliarden US$ von 2010 bis 2020 erhöhen. Zusätzlich werden Mechanismen in Form von Aufträgen, THG-Reduzierungsanreizen, Steuererstattungen oder anderen Finanzierungsmechanismen benötigt, um die Kommerzialisierung nach 2020 anzuregen.

Obwohl die Industriestaaten die Entwicklung von CCS in der nächsten Dekade anführen müssen, sollte die CCS-Technologie auch rasch in Entwicklungsländern verbreitet werden. Dieses Wachstum erfordert zunehmende internationale Zusammenarbeit und Finanzierung für CCS-Demonstrationsanlagen in Entwicklungsländern von jährlich durchschnittlich 1,5 bis 2,5 Milliarden US$ von 2010 bis 2020. Um diese Finanzierung bereitzustellen, muss CCS im Clean Development Mechanism (CDM) anerkannt werden. CCS ist mehr als eine Strategie für "saubere Kohle". CCS-Technologie muss auch bei Biomasse- und Gaskraftwerken angewendet werden; in der Kraftstoffumwandlung und bei der Gasaufbereitung sowie in emissionsintensiven industriellen Sektoren wie Zement, Eisen und Stahl, Chemie, Papier und Zellstoff.

CO2-Speicherungstechnologie ist zwar heute kommerziell verfügbar, aber die damit verbundenen Kosten müssen gesenkt und die Technologie muss noch im großtechnischen Maßstab demonst-riert werden. Ergänzende Forschung und Entwicklung wird zudem benötigt, vor allem um sich mit den verschiedenen CO2-Strömen von industriellen Quellen zu befassen (...).

CO2-Transport mittels Pipelines hat sich bewährt; die Herausforderung für die Zukunft der Transporttechnologie ist, langfristige Strategien für CO2-Quellen-Häufungen und CO2-Pipelinenetzwerke zu entwickeln, welche die Übertragung von der Quelle zur Senke optimieren. Um sich mit dieser Herausforderung zu befassen, müssen Regierungen regionale Planbeispiele initiieren und Anreize für CO2-Transportknotenpunkte generieren. Es besteht ein dringender Bedarf, den weltweiten Wissensstand über die Entwicklungsperspektiven von CO2-Speichern zu verbessern. Während erschöpfte Öl- und Gasfelder gut kartiert sind und vielversprechende, kostengünstige Möglichkeiten bieten, sind auf lange Sicht tiefe Salzwerkformationen die praktikabelste Option.

(...) es besteht Bedarf an gemeinsamen internationalen Methoden für die Auswahl von CO2-Lagerstätten, für das Monitoring und die Prüfung sowie für Risikobewertung.

Während einige Regionen erheblichen Fortschritt bei der Entwicklung von rechtlichen und regulatorischen Rahmenbedingungen für CCS gemacht haben, müssen die meisten Länder noch Kernpunkte klären, bevor maßgeblicher Fortschritt erreicht werden kann. Es besteht Bedarf dafür, kurzfristige regulatorische Ansätze für CCS-Demonstrationsvorhaben zu erleichtern (...).

Lokale Gruppen haben berechtigte Bedenken über CCS, die geklärt werden müssen. Regierungen müssen bei der Entwicklung von auf lokale Gruppen zugeschnittenen, öffentlichen Dialogstrategien die Führung übernehmen. Dies beginnt mit dem Bereitstellen von Informationen (...), gefolgt vom Gewährleisten von frühen Informationen über die Kosten und Vorteile von geplanten CCS-Projekten gegenüber anderen THG-Minderungsoptionen. Aufgrund des kurzen Zeitrahmens und der benötigten Investitionen kann diese Vision nur durch erweiterte internationale Zusammenarbeit möglich werden. Besonders benötigt werden neue Anstrengungen, um Entwicklungsländer mit CCS-Capacity-Building sowie Wissens- und Technologietransfer zu versorgen. Industriesektoren mit globaler Reichweite sollten ebenfalls ihre gemeinsamen Handlungen zu CCS erweitern."

Quelle:
www.iea.org/papers/2009/CCS_Roadmap.pdf


Studie der WestLB sieht wenig Anreize für Ersatzinvestitionen in neue Kraftwerke

Der jetzige Strommarkt bietet keinen Anreiz für Gas und CCS

Eine Studie der WestLB kommt zu dem Ergebnis, dass die deutsche Stromwirtschaft in Zukunft ihren Ruf als Branche mit geringen Risiken und hohen, stabilen Erträgen einbüßen könnte. Insbesondere bei niedrigen CO2-Preisen zeigen sich deutliche Rentabilitätsprobleme für neue fossile Kraftwerke. Das auf den ersten Blick überraschende Resultat der Studie ist, dass eine konsequente Klimapolitik mit hohen CO2-Preisen die Attraktivität der Branche fördern kann. Der jetzige Strommarkt bietet keine Anreize in Ersatzinvestitionen wie Gas und CCS. Um unter der Klimaschutzmarke von 2 Grad zu bleiben, sind demzufolge entsprechende politische Rahmenbedingungen nötig.

Germanwatch bringt Auszüge aus der der WestLB-Studie.

"Die vier großen Verbundunternehmen der deutschen Stromwirtschaft (EnBW, E.ON, RWE und Vattenfall) stecken in einer schwierigen Lage. In den kommenden Jahren stehen erhebliche Investitionen in neue Kraftwerke an. Diese werden für mehrere Jahrzehnte die Produktionsstrukturen der deutschen Stromwirtschaft prägen. Gleichzeitig wird sich eine Vielzahl von entscheidenden (...) Parametern verändern, die die Rentabilität der getätigten Investitionen beeinflussen Bei einer Übertragung des von der Bundesregierung anvisierten Klimaschutzziels auf die deutsche Stromwirtschaft würden bereits fünf große neue 2.000-MW-Kohlekraftwerke das zulässige Emissionsbudget des Jahres 2050 ausschöpfen. Emissionsarme Technologien, wie Erneuerbare Energien oder Kohlendioxidabscheidung und Speicherung (CCS), scheinen einen Ausweg aus diesem Dilemma zu bieten. (...)   Zentrale Ergebnisse der Studie sind:
  - Unter den heutigen Rahmenbedingungen am deutschen Strommarkt rechnen sich Investitionen in fossile Großkraftwerke oft nicht mehr. (...)
  - Einzelne neue Braunkohlekraftwerke sind aus heutiger Sicht am ehesten rentabel (...)
  - Braunkohle-Kraftwerke mit CCS erweisen sich schon bei deutlich niedrigeren CO2-Preisen als rentabel und könnten der Kohleverstromung einen Ausweg aus der CO2-Falle bieten. (...)
  - Für alle vier Unternehmen gilt, dass unter den jetzigen Rahmenbedingungen die Atomkraftwerke bzw. die Braunkohlekraftwerke die Hauptbestimmungsfaktoren des Wertes der derzeitigen Kraftwerksportfolios sind. Es überrascht daher nicht, wie vehement die Unternehmen ihre Bestandsinteressen gerade in diesen Bereichen gegenüber der Politik verteidigen.
  - Ein Ausbau der Erneuerbaren Energien hat eine Strompreis senkende Wirkung an der Strombörse. Dies führt zu einer Verschlechterung der Rendite von allen Kraftwerken, die sich am Strommarkt behaupten müssen. (...) Die vermehrte Investition der großen Stromversorger in Erneuerbare Energien ist (...) als wirtschaftlich richtiger Schritt zu werten. Der Ansatz eines SuperSmart Grids, könnte sich als Chance erweisen, den in der Studie aufgezeigten Investitionshemmnissen zu entgehen.

Quelle: www.climate-mainstreaming.net/co2strom

Impressum

Redaktion:
Christoph Bals, Boris Schinke, Jens Klawitter, Manfred Treber (V.i.S.d.P.), Anne Koch, Gerold Kier

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veröffentlicht im Schattenblick zum 27. Februar 2010