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WASSER/258: 22. März - Für die Befreiung und Entprivatisierung des Wassers (poonal)


poonal - Pressedienst lateinamerikanischer Nachrichtenagenturen

Chile
22. März: Für die Befreiung und Entprivatisierung des Wassers

von Francisca Fernández Droguett


(Santiago de Chile, 18. März 2020, alai).- Am 22. März ist Weltwassertag: ein Datum, das die Abschaffung des Wassergesetzes und die Anerkennung der Rechte der Natur ganz oben auf die Agenda rückt. Denn nur so kann das Wasser in Chile befreit und entprivatisiert werden. Wir dürfen nicht vergessen, dass sich in der Revolution, die wir heute erleben, eine tiefgreifende Kritik an der Kommerzialisierung aller Gemeinschaftsgüter und des Lebens im Allgemeinen ausdrückt. Immer stärker manifestiert sich die Idee, dass der Neoliberalismus in Chile geboren wurde und hier auch sterben wird. Vorangig für das neoliberale Wirtschaftsmodell in Chile ist der Ausbau eines Wassermarktes: Hier werden Wasserrechte gekauft, verkauft, vermietet und sogar verpfändet. Man braucht sich nur die Kleinanzeigen in den Tageszeitungen anschauen: Ganze Flüsse werden hier zum Verkauf angeboten.

Wassergesetze aufheben

Für den Erhalt der Ökosysteme und die Wiederherstellung der vielfältigen Wasserströme sehen wir als Bewegung für das Wasser und die Territorien einzig die Möglichkeit, die Wassergesetze aufzuheben und neue Vorschriften zu schaffen. Diese müssen eine gemeinschaftliche Verwaltung des Wassers mit oberirdischen und unterirdischen Wassereinzugsgebieten vorsehen und den mehrdimensionalen Charakter von Wasser als Fluss, See, Lagune, Meer, Gletscher, Feuchtgebiet und Moor berücksichtigen. Der Kampf zur Verteidigung und Rückgewinnung des Wassers ist plurinational: Er vereint verschiedene Völker, Communities und Territorien, und in ihm artikulieren und potenzieren sich verschiedene Weltsichten über dieses Gemeingut und seine spirituelle Dimension. Das Wasser hat ein Gedächtnis, es trägt in Chile die Erinnerung an den Widerstand gegen den Ausbau und die Ausweitung des Extraktivismus und die Erinnerung der Erde und die ihrer Zyklen, es trägt die Erinnerung der Ahnen. Es ist Bestandteil der Art und Weise, mit der menschliche und nichtmenschliche Gemeinschaften ihre Reviere aufgebaut haben.

Rechte der Natur anerkennen

Zusätzlich zum plebiszitären Aspekt ermöglicht der verfassungsgebende Prozess die Reflexion möglicher Lebenshorizonte sowohl auf institutioneller als auch auf alltäglicher und territorialer Ebene. Wir müssen verstehen, dass wir eine tiefe soziale und ökologische Krise erleben, die uns auffordert, die Natur als politisches Subjekt anzuerkennen und mit anthropozentrischen, kolonialistischen Ansichten zu brechen. Die Rechte der Natur in die Verfassung aufzunehmen, wäre zutiefst dekolonialisierend. Der heutige Naturbegriff geht auf ein "westliches" Konzept zurück - Natur kann aber gleichzeitig zu einem Raum werden, von dem aus wir die durch die Hegemonie des Kapitalismus abgesteckten Interpretationsspielräume in Frage stellen können. Die Idee von den Rechten der Natur nähert sich daher Ansätzen wie dem Itrofill Mongen (Biodiversität für die Mapuche) oder sumak kawsay bzw. suma qamaña (das "gute Leben" in Quechua bzw. Aymara) an. Daher müssen wir das Konzept von Rechten ausgehend von einem juristischen Pluralismus überdenken und anerkennen, dass verschiedene Normsysteme koexistieren: Indigene und Afro-Communities sowie Bäuer*innen haben die Natur für alle Wesen als vitalen Raum definiert, von dem sie Teil sind und den es zu bewahren und wiederherzustellen gilt.

Wasser ist ein Menschenrecht

Wir wollen eine plurinationale und feministische verfassungsgebende Versammlung, die Wasser als Menschenrecht anerkennt und die Rechte der Natur respektiert. Deshalb rufen wir dazu auf, an diesem Sonntag, den 22. März, ab 11 Uhr auf dem Platz der Würde gegen die Privatisierung des Wassers und gegen den Staatsterrorismus, die Menschenrechtsverletzungen und die extraktivistische Politik zu demonstrieren, die für die Plünderung und Verschmutzung der Territorien verantwortlich sind.

Francisca Fernández Droguett, Mitglied der Bewegung für das Wasser und die Territorien und des sozio-ökologischen Komitees der Feministischen Koordinationsgruppe 8. März


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veröffentlicht im Schattenblick zum 25. März 2020

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