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WASSER/243: Gegen Wasserprivatisierung - 600 Frauen besetzen Nestlé (poonal)


poonal - Pressedienst lateinamerikanischer Nachrichtenagenturen

Gegen Wasserprivatisierung: 600 Frauen besetzen Nestlé

Von Juca Guimarães


(São Paulo, 20. März 2018, Brasil de Fato) - Der Sitz von Nestlé in São Lourenço, im brasilianischen Bundesstaat Minas Gerais, ist am 20. März 2018 von 600 Frauen der Landlosenbewegung MST besetzt worden. Die Frauen protestierten gegen die Privatisierung von Wasser durch internationale Großkonzerne, die im großen Stil von der Putsch-Regierung Temers unterstützt werden. Sie verwiesen mit Nachdruck auf die Verhandlungen, die momentan in Brasilia beim Internationalen Wasserforum stattfinden.

"Stellen Sie sich vor, Sie sind gezwungen, das täglich benötigte Wasser in Flaschen zu kaufen. Niemand würde das aushalten. Aber genau das versuchen die Unternehmen auf dem Forum zu erreichen", sagte Maria Gomes de Oliveira vom Vorstand der Landlosenbewegung MST. "Es ist eine enorme Anmaßung, ein internationales Forum zu veranstalten, um unsere Wasservorkommen zu vermarkten. Sie diskutieren mitnichten über die Verwaltung des Wasserbetriebs, sondern veranstalten eine Versteigerung des Landes zu Schleuderpreisen", schließt Gomes de Oliveira.


Nur Uruguay kann der Privatisierung noch etwas entgegensetzen

Im Januar dieses Jahres trafen sich Temer und Nestlé-Chef Paul Bulcke, um über die Ausbeutung des Guaraní-Wasservorkommens zu diskutieren. Die unterirdische Wasserreserve erstreckt sich über vier Länder: Nach dem Sieg der Konservativen in Argentinien, dem Putsch in Paraguay und Brasilien, könne nur Uruguay sich der Privatisierung in den Weg stellen. "Mit der zunehmenden Festigung der Putschregierung wird der Einfluss großer Unternehmensgruppen auf die Politik und ihr Interesse an der Ausbeutung unserer Naturschätze immer deutlicher", ergänzt Gomes de Oliveira.

1994 kaufte der Nestlé-Konzern, der 10,5 Prozent des weltweiten Wassermarktes kontrolliert, die Quellen und den Wasserpark von São Lourenço und eröffnete seinen Sitz in der Stadt. Seit 1997 protestiert die lokale Bevölkerung gegen die Ausbeutung des Mineralwassers, das vor der Privatisierung für medizinische Behandlungen genutzt wurde. Neben der Reduzierung der Wassermenge habe sich auch der Geschmack des Wassers geändert. Denn durch die Ausbeutung gehen die Mineralsalze verloren.


Zwei Quellen sind bereits ausgetrocknet

Zwei Marken werden hier abgefüllt: São Lourenço und Pure Life. Wobei Pure Life zwischen 1999 und 2004 ohne staatliche Lizenz vermarktet wurde, bis die Regierung unter Aécio Neves dem Nestlé-Konzern die Lizenz schenkte. Durch eine Zivilklage gegen Nestlé wurde jedoch amtlich festgestellt, dass die Vermarktung dieses Wassers illegal war und damit auch die Inbetriebnahme der Quelle Primavera. Die Ausbeutung führte zu einer Austrocknung der Magnesiumquelle. Nestlé hatte die natürlichen Mineralien mittels eines chemischen Verfahrens aus dem Wasser herausgelöst und im Anschluss ihre patentierten Mineralsalze hinzugefügt.

"Seit Jahrzehnten ist Nestlé hier ansässig und seit Jahrzehnten betreiben sie ihre räuberische und illegale Ausbeutung. Das Wasser ist gemeinschaftlicher Besitz aller Menschen, und das Wasser zu verteidigen hat mit Souveränität zu tun", erklärt María. Trotz dessen, dass der Nestlé-Chef bekräftigt, es gäbe keinen Raubbau, seien bereits zwei Quellen im Park ausgetrocknet. Nach offiziellen Angaben werden jährlich 19 Millionen Liter Wasser aus den Quellen geholt. Eine spezielle Gesetzgebung für den Wassermarkt existiert nicht, so fallen Entschädigungszahlungen auf den Bund und die Gemeinden zurück: 2016 musste die Gemeinde São Lourenço 563.000 Reales (140.000 Euro nach heutigem Stand, Anm.d.R.) bezahlen.


Marielle Franco wird in unserem Kampf immer lebendig sein!

Der Süden von Minas Gerais ist vor allem bekannt für den Kaffeanbau. Nestlé gehören 22 Prozent der weltweiten Kaffeemarken, viele davon kommen aus dieser Region. Die konventionellen Pflanzungen, bei der große Mengen an Pestiziden eingesetzt werden, beschäftigen jährlich Tausende Arbeiter*innen unter prekären Verhältnissen. Es fehlt an Kontrollorganen, die den Missbrauch auf den Kaffeeplantagen dokumentieren.

Die Frauen der Landlosenbewegung gedachten bei ihrer Aktion auch Marielle Franco [1], die kürzlich ermordet wurde und forderten Gerechtigkeit und die Bestrafung der Verantwortlichen. "Wir haben keinen Zweifel daran, dass der antidemokratische Staat gänzlich für die Hinrichtung unserer Compañera verantwortlich ist. Marielle wird in unserem Kampf immer lebendig sein!", bekräftigt María und fügt noch hinzu: "Während die Bourgeoisie weiterhin die Zerstörung der Demokratie erzwingt, die mit dem Verlust der Rechte der brasilianischen Bevölkerung einhergeht, werden wir weiterhin Ländereien, Unternehmen und Eigentum besetzen, um alle Fürsprecher des Putsches anzuklagen. Die Bevölkerung muss wissen, wer die Verantwortlichen für das Elend, ihre Ausbeutung und die Zerstörung der Umwelt sind."

Nach der Demonstration gegen die Wasserprivatisierung im Nestlé-Unternehmen stoppte die Polizei die Busse auf der Straße. Sie beschlagnahmten die Schlüssel von neun Fahrzeugen und hielten mehr als 400 Frauen in den Bussen fest. Außerdem wurde ein Film- und Fotoverbot von der Polizei ausgesprochen, im Falle eines Verstoßes drohte sie mit der Beschlagnahmung der Mobiltelefone.


Anmerkungen:
[1] https://www.npla.de/poonal/mord-an-prominenter-links-politikerin-in-brasilien/


URL des Artikels:
https://www.npla.de/poonal/gegen-wasserprivatisierung-600-frauen-besetzen-nestle/


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veröffentlicht im Schattenblick zum 23. März 2018

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