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WASSER/088: Pakistan - Giftiges Gemüse, Abwässer aus dem Hudiara-Kanal für die Felder (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 27. Juli 2012

Pakistan: Giftiges Gemüse - Abwässer aus dem Hudiara-Kanal für die Felder

von Irfan Ahmed


Hudiara-Kanal auf der Höhe des Grenzdorfes Burki - Bild: © Irfan Ahmed/IPS

Hudiara-Kanal auf der Höhe des Grenzdorfes Burki
Bild: © Irfan Ahmed/IPS

Lahore, 27. Juli (IPS) - Von einem Anstieg der Düngemittelpreise und Dürreperioden, die unzähligen Bauern das Rückrat brechen, bleibt die kleine Gemeinde Hudiara verschont. Hier, am Rande der pakistanischen Stadt Lahore nahe des pakistanisch-indischen Grenzübergangs Wagah, verläuft der gleichnamige Sturmwasserkanal, der sich erst 55 Kilometer durch indisches Territorium wälzt, bevor er die Grenze zu Pakistan passiert.

Die Bauern sagen, dass sie froh sind, dass sie der Kanal das ganze Jahr über mit Wasser versorgt. Was sie - unwissentlich oder wissentlich - verschweigen: Das Wasser ist mit den giftigen Rückständen hunderter Textilunternehmen, Färbereien, Gerbereien, Teppichfabriken, Raffinerien und anderer Kleinbetriebe verseucht, die ihre Abwässer ungeklärt in den Kanal einleiten.

Die Behörden von Hudiara haben die Farmer bereits mehrfach vergeblich aufgefordert, auf die Bewässerung ihrer Felder mit dem schwermetall- und giftstoffreichen Wasser zu verzichten. "Nur ein Idiot würde auf ein solches Geschenk verzichten", meint dazu der Gemüsebauer Amanat Ali, der seine Ernten in Lahore absetzt. Schwermetalle im Kanal? Ali winkt ab. "Fließwasser ist niemals gefährlich", sagt er im Brustton der Überzeugung. "Es sind die stehenden Gewässer, vor denen man sich in Acht nehmen muss."

Dass sich Ali und andere nicht an die Vorgaben der Kommunalverwaltung halten, hat gute Gründe, wie Muhammad Yaseen, außerordentlicher Professor für Bodenfertilität und Pflanzenernährung an der Agraruniversität in Faisalabad, erklärt. In der Region blieben die Niederschläge immer häufiger aus, und die Grundwasserreserven würden infolge fortgesetzter Straßen- und Häuserbauprojekte kontinuierlich erschöpft.


Staat auf Tauchstation

Nach Ansicht von Yaseen, Co-Autor eines Berichts über Schwermetallgehalte des in Kanalnähe gezogenen Gemüses, wird auf Regierungsebene viel zu wenig getan, um die Situation in Hudiara zu verbessern. Sein Forschungsteam ist der Meinung, dass das Kanalwasser ausschließlich in der Regenzeit auf die Felder ausgebracht werden dürfte. Nur dann sei es so sehr verdünnt, dass es keine Gefahr darstelle.

Obwohl der Bericht bereits 2009 veröffentlicht wurde, nutzen die Bauern das Kanalwasser ganzjährig mit der Folge, dass ihr Gemüse erheblich belastet ist. Dem Wissenschaftler zufolge bewegt ist die Zinkkonzentration in lokal gezogenen Kürbissen um das Zehnfache über dem Unbedenklichkeitswert.

Die Untersuchung von Auberginen und Spinat aus dem Dorf ergaben, dass der Eisengehalt höher als der zulässige amtliche Richtwert war. Das Gleiche ließ sich über Nickel sagen. Die Kadmiumwerte wiederum waren in fast allen Nahrungspflanzen gleichermaßen hoch und sprengten die zulässigen Richtwerte. Dem Bericht zufolge nimmt Gemüse Kadmium besonders gut auf, was ein Grund dafür ist, warum Agrarpflanzen in Hudiara besonders groß ausfallen.

Wie Naseem-ur-Rehman Shah, Leiter der Abteilung für Umweltberatung des Umweltministeriums von Punjab, gegenüber IPS erklärte, werde man versuchen, den Kanal abzudichten, um ein Einsickern der Giftbrühe ins Grundwasser zu verhindern. Ein solcher Schritt sei dringend erforderlich, da es in der Region viele Menschen gebe, die Oberflächenwasser anzapften, das häufig mit Hepatitis- und Durchfallerregern verseucht sei.


Auch Milch und Fleisch belastet

Unter Berufung auf einen Forschungsbericht der Umweltgruppe 'World Wildlife Fund' in Pakistan vor fast einem Jahrzehnt verweist die in Lahore ansässige Gemeindeorganisation MUAWIN auf eine hohe Verbreitung von Krankheitssymptomen wie Bauchschmerzen, Taubheitsgefühlen, Arsenvergiftungen und Augeninfektionen in einem Dorf in der Nähe des Kanals. "Auch Haustiere wie Kühe und Büffel wälzen sich im Kanal und erhöhen damit das Risiko, Schwermetalle über ihre Milch und ihr Fleisch an den Menschen weiterzugeben."

Einig sind sich die Experten, dass sich die Lage in den letzten zehn Jahren weiter verschlechtert hat. Außerdem wird befürchtet, dass das Kanalwasser den pakistanischen Fluss Ravi verseucht, in den es einströmt. Dem Umweltschützer Ahmed Rafay Alam zufolge ist das Wasser des Hudiara-Kanals extrem sauerstoffarm und lässt die Entstehung von Lebensformen nicht zu.

Umweltschützer Rafay, der derzeit den Vizevorsitz der Pakistanischen Vereinigung für Umweltrecht (PELA) führt, ist der Meinung, dass die Industriebetriebe an den Ufern des Kanals dafür sorgen sollten, ihre Abwässer zu säubern. Das Problem müsse von den Verursachern beseitigt werden. "Sie alle müssen sich unverzüglich um Technologien bemühen, mit denen sie ihren Giftmüll behandeln."

Shah hat nach eigenen Angaben inzwischen alle 130 pakistanischen Industriebetriebe am Ufer des Kanals aufgefordert, unverzüglich mit der Installation von Wasserreinigungsanlagen zu beginnen, um jeder weiteren Verschmutzung entgegenzuwirken. Problem sei jedoch, dass die meisten Kleinunternehmer eine solche Investition gar nicht erbringen könnten, sagt er. Allerdings könnten sie nun, nach der historischen Entscheidung, Umwelttribunale an Pakistans High Courts einzurichten, dazu gezwungen werden.

Shah ist der Meinung, dass mehr Industrien dem Beispiel der 307 Gerbereien in Sialkot folgen sollten, die für ein Grundstück zusammengelegt hatten, um dort eine gemeinschaftliche Kläranlage zu bauen. Die Regierung stellte dem Kollektivprojekt dafür einen weichen Kredit in Höhe von umgerechnet 3,2 Millionen US-Dollar zur Verfügung. (Ende/IPS/kb/2012)


Links:

http://www.se.org.pk/Search.aspx
http://www.muawinlahore.org/index.php
http://www.wwfpak.org/toxics_hudiaradrain.php
http://www.ipsnews.net/2012/07/cultivating-toxic-crops/

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veröffentlicht im Schattenblick zum 31. Juli 2012