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WALD/119: Nicaragua - Bosawas-Biosphärenreservat gefährdet, Indigene fordern Rettungsmaßnahmen (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 16. Mai 2013

Nicaragua: Bosawas-Biosphärenreservat gefährdet - Indigene fordern Rettungsmaßnahmen

von José Adán Silva


Bild: © José Garth Medina/IPS

Dem Bosawas-Biosphärenreservat setzt vor allem der Holzeinschlag zu
Bild: © José Garth Medina/IPS

Managua, 16. Mai (IPS) - Indigene Mayangna haben die Regierung aufgefordert, der Zerstörung des Biosphärenreservats 'Bosawas' im Norden Nicaraguas nicht länger tatenlos zuzusehen. Auf dem Spiel steht der größte Wald Zentralamerikas, der nur noch ein Schatten seiner selbst ist.

Dem Führer der ethnischen Gemeinschaft, Aricio Genaro, zufolge hat der Druck auf das Gebiet vor allem durch die Ankunft von Bauern aus dem Osten und der Mitte des Landes seit drei Jahren dramatisch zugenommen. Die Invasoren gingen immer rücksichtsloser gegen die insgesamt 30.000 Indigenen und die natürlichen Ressourcen vor. In den letzten vier Jahren hätten 13 Indigene den Kampf um ihren Lebensraum mit dem Leben bezahlt.

Das bisher letzte Opfer der gewalttätigen Konfrontationen war Elías Charly Taylor. Er starb am 24. April an den Folgen einer in der Ortschaft Sulún erlittenen Schussverletzung. Er hatte sich nach der Teilnahme an einer Demonstration gegen die Zerstörung der Wälder auf dem Heimweg befunden, als er unter Beschuss genommen wurde.

Mit dem im Februar angelaufenen Protest konnten die Mayangna die Aufmerksamkeit der Regierung des linksgerichteten Staatspräsidenten Daniel Ortega auf sich ziehen und das ganze Ausmaß der Zerstörung öffentlich machen. Die Weltkulturorganisation UNESCO hatte das mehr als zwei Millionen Hektar große Terrain 1997 zum Kulturerbe und Biosphärenreservat erklärt. Damals hatten tropische Feuchtwälder dort noch nahezu die gesamte Fläche bedeckt.

Wie aus einer Untersuchung der Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ), des Nationalverbands der Bauern und Viehzüchter, der Europäischen Union und der Hilfsorganisation Oxfam aus dem letzten Jahr hervorgeht, wird es in Bosawas bei fortgesetztem Kahlschlag in knapp 25 Jahren keinen Wald mehr geben.


Wildlebende Tiere auf dem Rückzug

Die Mayangna leben von der Jagd, dem Fischfang und der Aufzucht von Nutztieren für den Eigenbedarf. Sie sammeln Früchte und bauen auf herkömmliche Weise Getreide und Knollengewächse an. Doch diese Lebensform wird durch die Ankunft der Bauern gefährdet. "Sie schießen auf jeden, brennen alles nieder, verseuchen die Flüsse und fällen unsere alten schattenspendenden Urwaldriesen. Und sie machen immer weiter und niemand hält sie auf", sagt Genaro.

"Tapire sind nicht mehr zu sehen, Pumas und Ozelotkatzen haben das Gebiet verlassen. Auch ist der Gesang der tausenden Vögel, die uns die Ankunft des Regen anzeigten, verstummt", klagte der Indigenenführer. "Und auch die großen Fische sind aus unseren Flüssen verschwunden."

Wie Kamilo Lara von der Umweltorganisation 'Foro Nacional de Reciclaje' berichtet, wurden im Herzen des Biosphärenreservats bereits 96.500 Hektar Wald zerstört. "In mehr als der Hälfte der sogenannten Pufferzone haben sich inzwischen 20.000 Bauern breit gemacht. Sie haben die Bäume gefällt und verkauft, Felder und Weideland angelegt." Lara schätzt, dass schon 12.000 des 19.896 Quadratkilometer großen Schutzgebietes zerstört wurden.

Dem Umweltberater des Präsidenten, Jaime Incer Barquero, zufolge wird es höchste Zeit, gegenzusteuern, um zu verhindern, dass dem Gebiet der Status des Erbes der Menschheit aberkannt wird und "die Welt diese wichtige Biosphäre verliert". Auch der Vertreter der UNESCO in Nicaragua, Juan Bautista Arríen, appellierte an die Regierung, dringend aktiv zu werden, um sowohl die indigene Gemeinschaft als auch deren natürlichen Lebensraum zu schützen.

Die Ortega-Administration hat auf die Beschwerden von Indigenen und Umweltschützern inzwischen reagiert und mit der Umsetzung einiger Schutzmaßnahmen begonnen. Geplant ist die Entsendung von 700 Soldaten des Umweltbataillons der nicaraguanischen Armee, die die Gewalt zwischen Siedlern und Ureinwohnern eindämmen sollen.

Darüber hinaus rief sie einen Sonderausschuss ins Leben, der die künftigen Schutzstrategien koordinieren und mit harter Hand gegen all jene vorgehen soll, die die größte grüne Lunge Zentralamerikas zerstören. Nach einem Besuch in den zerstörten Gebieten erließen die Behörden zudem das Dekret 17-2013, das die Gründung einer behördenübergreifenden ständigen Kommission "zum Schutz von Mutter Erde in den Territorien der indigenen und schwarzen Nachfahren der Karibik" vorsieht.

Ebenfalls soll es zu einer Reihe von Straf-, Verwaltungs- und Zivilverfahren kommen, um die Übergriffe auf die indigenen Gemeinschaften und die Natur zu ahnden. Nach dem Autonomiestatut dürfen die Gebiete der Atlantikküste im Norden und Süden Nicaraguas ausschließlich von Ureinwohnern besiedelt und genutzt werden.


Problem an der Wurzel packen

Der Leiter des Zentrums für umweltpolitische Initiativen, Cirilo Otero, begrüßt zwar die Handlungsbereitschaft der Regierung, mahnte aber eine nachhaltige Lösung der Konflikte an. Es gelte die Ursachen und nicht nur die Symptome zu bekämpfen, betont Otero. Er wies darauf hin, dass letztlich die wirtschaftliche Not Nicht-Indigene in die Schutzgebiete treibe. Diese mehrheitlich armen Mestizen zu kriminalisieren, werde die Krise und die ländliche Gewalt nur noch weiter verschärfen.

Die Regierung hat sich inzwischen an die Generaldirektorin der UNESCO, Irina Bokowa, um Hilfe gewandt, um diese letzte große grüne Lunge Zentralamerikas zu retten. (Ende/IPS/kb/2013)


Links:

http://www.unesco.org/new/es/natural-sciences/priority-areas/links/resource-management/projects/mayangna/
http://www.fonare.org/fonare_old/
http://www.accessinitiative.org/partner/cipa
http://www.ipsnoticias.net/nota.asp?idnews=102839

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IPS-Tagesdienst vom 16. Mai 2013
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veröffentlicht im Schattenblick zum 17. Mai 2013