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WALD/071: Waldbewohner gegen REDD+ - Konzerne profitieren (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 30. November 2011

Klima: Waldbewohner gegen REDD+ - Konzerne profitieren

von Kristin Palitza

Brandrodung im Regenwald in Brasiliens Bundesstaat Acre - Bild: © Mario Osava/IPS

Brandrodung im Regenwald in Brasiliens Bundesstaat Acre
Bild: © Mario Osava/IPS

Durban, Südafrika, 30. November (IPS) - Organisationen, die mit indigenen Waldbewohnern zusammenarbeiten, haben die Einstellung des UN-Waldschutzprogramms REDD+ gefordert. Von der viel gepriesenen Initiative zur Verringerung von CO2-Emissionen durch Entwaldung und Schädigung von Wäldern profitierten vor allem Großunternehmen, heißt es auf der Weltklimakonferenz im südafrikanischen Durban.

REDD+ verfolgt im Grunde drei Ziele, die sich bedingen: den Schutz der Wälder, die Bindung von Klimagasen durch intakte Wälder und die Förderung einer nachhaltigen Waldbewirtschaftung.

"Da durch das Programm viel Geld in die Wälder fließt, wittern mächtige internationale Investoren Profite", sagte Simone Lovera, Geschäftsführerin der 'Global Forest Coalition', einem internationalen Netzwerk aus 50 Nichtregierungsorganisationen (NGOs) mit Sitz in Amsterdam.

Lovera bestreitet nicht, dass Entwaldung und Degradierung entscheidend zum Klimawandel beitragen. Dass Wälder in Agrar- und Weideflächen umgewandelt werden, infrastrukturellen Entwicklungsprojekten oder einer destruktiven Holzwirtschaft zum Opfer fallen, trägt nach Angaben der Vereinten Nationen zu fast einem Fünftel zu den globalen Treibhausgasemissionen bei.


Natürliche Leistungen der Wälder aufrechterhalten

REDD+ soll Abhilfe schaffen, indem es dem Wald als CO2-Senke einen wirtschaftlichen Wert beimisst. Im Rahmen der Initiative können Industrieländer ihre eigenen CO2-Emissionen ausgleichen, indem sie in den Entwicklungsländern für den Erhalt der tropischen Wälder bezahlen. So können etwa Betreiber von Stahlfabriken und Kohlekraftwerken auf dem freien Markt Emissionszertifikate erwerben und dadurch ihre Klimabilanz verbessern.

Projekte, die zur Anrechnung kommen sollen, müssen beim Mechanismus für umweltverträgliche Entwicklung (CDM) registriert werden. Dann wird für jede eingesparte Tonne CO2 ein Kreditpunkt vergeben. Die handelbaren Punkte können direkt an Umweltverschmutzer verkauft werden.

Vielen gilt das Programm als einzig realistischer Weg, um jährlich die 30 Milliarden US-Dollar zusammenzubringen, die im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung für den Erhalt der Wälder sorgen sollen.

Doch indigene Gemeinschaften klagen, dass die Rechnung nicht aufgeht. So seien in jüngster Zeit die großen Forstunternehmen die Hauptnutznießer des Schemas und nicht die Lokalbevölkerung, die seit Generationen in und von den Wäldern lebt. Die Indigenen müssten stattdessen Platz für riesige Monokulturen zur Aufrechnung der im Norden produzierten CO2-Emissionen machen.

Lovera zufolge ist REDD+ mit zahlreichen Risiken verbunden. So seien die indigenen Gemeinschaften aufgrund ihres fehlenden Zugangs zu Informationen und Bildung außerstande, die komplizierten Verträge mit all ihren Fallstricken zu verstehen und gegen Land Grabbing vorzugehen. Die Waldbewohner brauchten vor allem nationale Programme zur Förderung nachhaltiger Waldbewirtschaftung.

Lovera zufolge war das UN-Versprechen, dass REDD+ jährlich Milliarden Dollar generieren würde, reine "Grünwäscherei". "Es wird keine großen CO2-Finanzierungsmöglicheiten für REDD+ geben", ist sie überzeugt. "Die Karbonmärkte kollabieren. Es ist ein risikoreiches Programm, das überall auf der Welt Schäden verursacht", warnte sie.

Ihre Einschätzung könnte sich als richtig erweisen. Ein vorläufiger Bericht der Weltbank, der für das G20-Treffen im November geschrieben und im September der britischen Zeitung 'Guardian' zugespielt wurde, bestätigt die Schwierigkeiten, in denen sich die Karbonmärkte befinden. "Der Wert der Transaktionen auf dem primären CDM-Markt ist 2009 drastisch und 2010 weiter gesunken (...) inmitten chronischer Unsicherheiten über die künftigen Ziele zur Abmilderung (des Klimawandels) und Marktmechanismen nach 2012", so die Weltbank.

In der Zwischenzeit pumpen die Vereinten Nationen auch weiterhin große Beträge in REDD+. Im vergangenen Monat zum Beispiel erhielt Nigerias nationales REDD+-Programm vier Millionen Dollar, die die Gesamtfinanzierung in 14 Ländern auf fast 60 Millionen Dollar anhoben. Die Zuwendungen sollten die Fähigkeiten der Staaten vergrößern, CO2-einsparende Strategien in Absprache mit lokalen Indigenenverbänden oder waldabhängigen Gemeinden umzusetzen.


Vertreibungen im großen Stil

Doch Organisationen zufolge, die mit indigenen Waldbewohnern zusammenarbeiten, ist der Nutzen des UN-Programms für die Lokalbevölkerung minimal. "Wir sagen ganz klar 'Nein' zu REDD+. Durch dieses Schema werden Menschen aus den Wäldern vertrieben", sagte Winnie Overbeek von der 'World Rainforest Movement', einer Umweltorganisation mit Sitz in Montevideo, Uruguay.

In Uganda mussten in diesem Jahr rund 22.000 Menschen die Bezirke Mubende und Kiboga verlassen, um dem Unternehmen 'New Forests Company' mit Sitz in Großbritannien das Feld zu überlassen, das dort mit Baumplantagen CO2-Credits verdient. Ähnliche Erfahrungen mussten indigene Völker auf der ganzen Welt machen, wie Overbeek berichtete.

"REDD+ steht für Profit, eine fortgesetzte Waldzerstörung und die Missachtung der Waldbewohner. Es geht um Land Grabbing", warnte er. "Es wird höchste Zeit, von REDD+ wegzukommen und die Landrechte der lokalen Gemeinschaften zu schützen."

Marlon Santi, Mitglied einer Quechua-Gemeinde im ecuadorianischen Regenwald, hat miterlebt, wie Menschen aufgrund von REDD+ ihre Lebensgrundlage verloren. Das Programm habe zu Mega-Aufforstungsprojekten geführt, die nicht im Interesse der lokalen Bevölkerung seien.

"Wälder sind zur Ware geworden, mit der sich Geld verdienen lässt. Dass ist für uns inakzeptabel", meinte Santi. "Was wir brauchen, sind richtige politische Lösungen." Sinti hofft, dass er mit seiner Forderung auf der Konferenz in Durban vom 28. November bis 9. Dezember auf offene Ohren stoßen wird. (Ende/IPS/kb/2011)


Links:
http://www.un-redd.org/AboutREDD/tabid/582/Default.aspx
http://www.cop17-cmp7durban.com/
http://www.wrm.org.uy/
http://www.ipsnews.net/news.asp?idnews=106019

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Quelle:
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veröffentlicht im Schattenblick zum 1. Dezember 2011