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URBAN/014: Stadtgrün mal ganz anders (Unser Wald)


Unser Wald - 3. Ausgabe, Mai/Juni 2012
Zeitschrift der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald

Stadtgrün mal ganz anders

von Julia Hoffmann



Immer mehr Menschen ziehen in die Städte. Der Platz dort wird oftmals langsam knapp. Schon seit langer Zeit wird Wohnraum daher durch Wolkenkratzer in die Höhe verlagert. Doch auch Grünflächen sind ein wichtiger Bestandteil von lebenswerten, funktionierenden Städten. Diese grünen Oasen sind nicht nur wichtig für das Wohlbefinden und zur Erholung der Einwohner. Auch für das Stadtklima beispielsweise spielen sie eine große Rolle. Doch wo sollen die Grünflächen entstehen, wenn der Platz immer enger und knapper wird? Findige Architekten auf der ganzen Welt stellen sich dieser Herausforderung und setzen vielerorts zukunftsweisende Projekte um.

The High Line New York City In New York wurde der wenige vorhandene Platz in einem interessanten Projekt optimal für die Entstehung neuer Grünflächen genutzt. Bereits in den 1930er Jahren wurde ein Großteil des Frachtverkehrs in Manhattan auf eine speziell gebaute Hochbahn verlegt, um die Unfallzahlen zwischen Frachtzügen und dem normalen Verkehr in Manhattans Westen zu verringern. Nach rund 50 Jahren, lag diese Hochbahnanlage brach und wurde nicht mehr genutzt. Als die Anlage Ende der 10er Jahre kurz vor dem Abriss stand, fanden sich einige Anwohner und Freunde der Bahntrasse zusammen und gründeten eine Initiative mit einer außergewöhnlichen Idee. Die rund 2,3 km lange Anlage sollte in einen für die Öffentlichkeit zugänglichen Park umgestaltete werden. Im Jahr 2006 begannen die umfangreichen Umbauarbeiten. Bereits 2009 wurde der erste Teil der Trasse fertiggestellt und für Besucher geöffnet. Der Rest folgte im Frühling 2011.

Die Bahntrasse ist rund zehn Meter über den Straßen Manhattans und an vielen Stellen durch Treppenaufgänge erreichbar. Im Sommer laden die verschiedenen Abschnitte der High Line die Besucher zum Verweilen ein. Im Bereich des Diller - von Furstenberg Sundeck gibt es speziell auf Schienen gelagerte Liegestühle und einen kleinen Bachlauf, der an heißen Sommertagen für Abkühlung sorgt. Ein Stück weiter, in der Chelsea Market Passage, einer ehemaligen Großbäckerei, bietet ein Café einen schönen Platz für die Mittagspause. Einige Aussichtspunkte bieten Einblicke in die umliegenden Stadtteile bis hin über den Hudson River zur Freiheitsstatue.

The High Line wirkt auf Grund der verschiedenen Bepflanzungen zu jeder Jahreszeit anders. Je nach Teilabschnitt blühen im Frühjahr Magnolien oder es wachsen einheimische Büsche und Bäume. Im Bereich des Chelsea Grassland wurde die Vegetation zum Vorbild genommen, die sich natürlich entwickelte, nachdem der Bahnverkehr eingestellt wurde. Der umliegende Bereich der High Line wurde mit ähnlichen Gräsern und Wildblumen bepflanzt und bietet den Besuchern über alle Jahreszeiten hinweg eine dynamische und bunte Pflanzenpracht. Dem Team, welches das Design für die High Line entwickelt hat, war es wichtig, die Vergangenheit der Hochbahn mit der modernen Welt des heutigen New Yorks zu verbinden. An vielen Stellen können verweilende Besucher daher das ursprüngliche Metallgerüst der High Line, sowie die ehemaligen Schienen sehen und erleben.

Bosco Verticale: In Mailand wächst der Wald seit 2011 in den Himmel. "Bosco Verticale" ist der Name des ersten vertikalen Waldes weltweit. Das Bauprojekt mutet an wie eine gewöhnliche Großbaustelle in der Mailänder City, doch auf den zweiten Blick lässt sich erahnen, dass hier etwas Außergewöhnliches entsteht. Die zwei gut 100 m hohen Betontürme sind durch hunderte terrassenartige Gebilde erweitert. In den obersten Stockwerken wurde bereits eine dieser Terrassen begrünt und gibt einen Eindruck, wie der Bosco Verticale einmal aussehen wird.

Mit rund 730 Bäumen, 11.000 bodenbedeckenden Pflanzen und 5.000 Sträuchern beherbergt der vertikale Wald am Ende in etwa so viele Pflanzen wie die Fläche von einem Hektar "herkömmlichen" Wald. Die drei, sechs oder neun Meter hohen Bäume dienen dabei nicht nur als Fassadenbegrünung. Sie sind gleichzeitig Sonnen- und Lärmschutz für die dahinter liegenden Büro- und Wohnräume und dienen zudem als Luftfilter. Im Winter kann die tiefstehende Sonne dann durch die kahlen Bäume strahlen.

Die Begrünung der Türme beginnt in Kürze. Die von Botanikern ausgewählten Pflanzen und Bäume wurden vorher unter bestimmten Bedingungen kultiviert, um sie bereits an ihren ungewöhnlichen Standort zu gewöhnen. Neben diesem ungewöhnlichen Äußeren der beiden Hochhäuser wurde der ökologische Fußabdruck durch Einsatz von Solar- und Nutzung geothermischer Energie weiter reduziert. Ein beeindruckendes Projekt nachhaltigen Bauens mitten in einer europäischen Großstadt.

Pflanzenwände in Berlin und der ganzen Welt: "Efeu kann jeder", so meint man lautet das Motto des französischen Botanikers Patrick Blanc. Seine grünen Wände sind keine "normale" Wandbegrünung. Hinter den üppig wachsenden Fassaden stecken jahrelange Recherche und ein selbst entwickeltes, patentiertes System als Substrat für das Wachstum der Pflanzen.

Bereits mit 15 Jahren entdeckt Blanc seine Faszination für Pflanzen. Nach der Schule beschließt er, Biologie zu studieren und ist bei seiner ersten Exkursion in den Thailändischen Regenwald von der Vielzahl und dem üppigen Wachstum der Pflanzen begeistert. Er entwickelt ein System, bei dem die nackten Wurzeln der Pflanzen zwischen zwei Lagen Synthetik-Vlies gelegt werden. Mit ausreichend Wasser versorgt, wachsen sie so ohne ein weiteres Substrat. Zum einen wird so verrottendes Material vermieden und die grünen Wände sind lebensfähiger, zum anderen sind sie erheblich leichter als Konstruktionen, die mit Erde gefüllt werden. Blanc lässt sich dieses System patentieren und legt damit den Grundstein für seinen weltweiten Erfolg.

Heute gibt es begrünte Wände des Paradiesvogels mit den grünen Haaren auf der ganzen Welt. Das ethnologische Museum in Paris beispielsweise gilt auf Grund des wuchernden Waldes als eine der meistfotografierten Fassaden Paris'. Die von Blanc im Kulturkaufhaus Dussmann oder der Galerie Lafayette in Berlin gestalteten grünen Wände sind zwar im Vergleich eher kleine Projekte, dennoch sind auch diese sehr beeindruckend.

Blanc begrünt nicht wahllos die Fassaden von Gebäuden. Nach einem handgezeichneten Pflanzplan werden die Pflanzungen angelegt. Das Wissen über die für das jeweilige Klima angepassten Arten eignet sich Blanc bei seinen regelmäßigen Reisen in die verschiedensten Urwälder der Erde an. Auf diese Art und Weise hat er bereits über 10.000 Bilder unterschiedlichster Pflanzen gemacht, auf die er für die Planung seiner Projekte zurückgreift. Auf diese Weise entdeckte er kürzlich auf den Philippinen eine neue Begonienart, die nach ihm benannt wurde, Begonia blancii.

Autorin
Julia Hoffmann ist in der Redaktion von Unser Wald;
E-Mail: julia.hoffmann[at]sdw.de

Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:
2,3 km lang ist das grüne Band von New York, angelegt auf der ehemaligen Trasse der Metro
Ein Projekt von Patrick Blanc im Berliner Kulturkaufhaus Dussmann

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Quelle:
Unser Wald - Zeitschrift der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald
3. Ausgabe, Mai/Juni 2012, Seite 6-7
Herausgeber:
Bundesverband der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald e.V., Bonn
Redaktion: Meckenheimer Allee 79, 53115 Bonn
Telefon: 0228 / 945 98 30, Fax: 0228 / 945 98 33
E-Mail: unser-wald@sdw.de
Internet: http://www.sdw.de
 
Erscheinungsweise: zweimonatlich
Bezugspreis: Jahresabonnement 17,50 Euro
einschl. Versandkosten und 7% MwSt.
Einzelheft: Preis 3,- Euro


veröffentlicht im Schattenblick zum 6. September 2012