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SOZIALES/080: Das Santa Rita Wasserkraftwerk (FUE Rundbrief)


Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 1/2015
Ökosystem Boden
Die dünne Haut der Erde

Das Santa Rita Wasserkraftwerk in Guatemala
Unzureichende Sozialstandards in der Klimafinanzierung

Von Juliane Voigt


Im Juni 2014 wurde das Wasserkraftwerksprojekt Santa Rita in Guatemala trotz erheblicher Bedenken über die Rechtmäßigkeit des Konsultationsverfahrens und gewalttätigen Konflikten vor Ort unter dem Mechanismus für umweltverträgliche Entwicklung (CDM) registriert. Das Projekt führte zu einem Konflikt zwischen indigenen Völkern und den Projektentwicklern. Vermeintliche Menschenrechtseingriffe des Projekts haben internationales Aufsehen erregt und gezeigt, dass die derzeitigen Regelungen unter dem CDM nicht ausreichen, um Menschenrechte effektiv zu schützen: Die Verantwortung der Klimafinanzierung muss über die Klimaziele hinausgehen.


Seit 2010 protestieren lokale Gemeinden gegen den Bau des Santa Rita-Projektes am Icbolay River, in der Alta Verapaz Region von Guatemala. In den vergangenen Jahren entwickelten sich Spannungen zwischen indigenen Gemeinschaften und Projektentwicklern über nicht durchgeführte öffentliche Konsultationen. Nach Angaben der lokalen Bevölkerung wurden zahlreiche Betroffene nicht gemäß der Anhörungsrechte konsultiert, die Kern des guatemaltekischen Friedensabkommens über Identität und Rechte der indigenen Völker sind. Zahlreiche Übergriffe gegen die indigenen Gemeinden der Q'eqchi' und Poqomchí, die mit Verletzten und Toten endeten, darunter zwei Kinder im Alter von 11 und 13 Jahren, sind für die Zeit vor und seit der Projektgenehmigung belegt. Im August 2014 fanden die Ausschreitungen einen weiteren traurigen Höhepunkt: Mit einer Polizeiaktion wurde eine friedliche Blockade von ungefähr 160 indigenen Familien beendet und vier Menschenrechtsverteidiger verhaftet.

Mangelnder Menschrechtsschutz in CDM

Besonders erschreckend sind diese Entwicklungen, da es sich bei Santa Rita um ein Projekt handelt, das unter dem UN-Klimaschutzprogramm des CDM registriert ist. Entgegen der Zielsetzung dieses Mechanismus zur nachhaltigen Entwicklung von Entwicklungsländern beizutragen, haben Erfahrungen mit dem CDM eindeutig gezeigt, dass zahlreiche Projekte negative Auswirkungen auf die Umwelt und die lokale Bevölkerung haben. Besonders aufgrund unzureichender Regelungen zur öffentlichen Konsultation sowie ein fehlender Beschwerdemechanismus für lokale Interessenträger.

Deutlich wird dies bei der Entscheidung des CDM-Exekutivrates: Der Rat genehmigte das Projekt trotz wiederholter Proteste im Juni 2014. Aufgrund eines fehlenden Beschwerdeverfahrens kann die Zustimmungsentscheidung des Exekutivrates nicht angefochten werden. Die betroffene indigene Bevölkerung hat demnach keine effektiven Mechanismen, um Beschwerden einzureichen. Die Ausschreitungen nach Registrierung des Projekts im August 2014 zeigen dabei eindeutig, dass derzeitige CDM-Regelungen nicht ausreichen, um Menschenrechte zu wahren. Zwar wurde bei der internationalen Klimakonferenz in 2010 beschlossen, dass UNFCCC Parteien in allen klimarelevanten Maßnahmen Menschenrechte respektieren sollen. Diesem Mandat wird hier allerdings in keiner Weise Rechnung getragen.

Defizite in der Klimafinanzierung

Besonders brisant ist, dass das Projekt unter anderem von der Deutschen Investitions- und Entwicklungsgesellschaft (DEG) und der Weltbank finanziert wird. Dabei wird deutlich, dass Menschenrechtsschutz in der Klimadebatte stärkere Beachtung finden muss und dass derzeitige UN-Umwelt- und Sozialstandards nicht ausreichend sind. Striktere Kriterien für Klimafinanzierung sowie notwendige Mindestkriterien für eine nachhaltige Klimafinanzierung müssen erörtert werden. Dies ist von besonderer Bedeutung, da im Herbst dieses Jahres Länder einem neuen Klimaschutzabkommen zustimmen werden. Dies wird die Weichen für den zukünftigen Klimaschutz stellen. In der deutschen Bundesregierung werden derzeit künftige Kriterien der Klimafinanzierung debattiert, wobei es von entscheidender Bedeutung ist, dass dabei der Fokus ebenfalls auf die generelle Verantwortung der Bundesregierung und der EU im Rahmen des CDM gerichtet wird.

Das Santa Rita-Projekt zeigt eindeutig, dass die derzeitigen CDM-Regeln nicht ausreichen, um die Menschenrechte zu wahren und dringend Umwelt- und Sozialstandards einschließlich eines verlässlichen Beschwerdemechanismus für Betroffene eingeführt werden müssen. Darüber hinaus wird deutlich, dass dem Aspekt der Menschenrechte in der Klimadebatte größere Bedeutung beigemessen und entsprechende Mindestkriterien für Klimafinanzierung etabliert werden müssen.


Autorin Juliane Voigt ist Policy Researcherin bei Carbon Market Watch.

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Quelle:
Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 1/2015, S. 38
Herausgeber: Projektstelle Umwelt & Entwicklung
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veröffentlicht im Schattenblick zum 5. April 2015

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