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SOZIALES/069: Antigua und Barbuda - Leben am Abwasserkanal, Slumbewohner im Stich gelassen (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 30. Januar 2015

Antigua und Barbuda: Leben am Abwasserkanal - Slumbewohner fühlen sich im Stich gelassen

von Desmond Brown


Bild: © Desmond Brown/IPS

Die Anwohnerin Cynthia James neben einem ungenügend gesicherten Abwasserkanal auf der Insel Antigua
Bild: © Desmond Brown/IPS

Green Bay, Antigua, 30. Januar (IPS) - Green Bay ist ein Stadtteil von St. John's, der Hauptstadt des karibischen Inselstaates Antigua und Barbuda. Hier, am Rande der gleichnamigen Bucht, befinden sich die Strandhotels und Restaurants für die Touristen. Am anderen Ende jedoch beginnt das Reich der Armen: Willkommen im Slum.

Cynthia James, die hier in einer der vielen Wellblechhütten lebt, hat die Hoffnung längst aufgegeben, dass es ihr und den anderen Bewohnern des Armenviertels einmal besser gehen wird. Das sei ihr nach dem letzten Besuch eines Politikers klar geworden, erzählt die 53-Jährige. "Er nannte uns unnütze Hunde. Eine solche Beleidigung vergisst man nicht."

Was das Ausmaß der Armut auf dem Inselarchipel angeht, gehen die Meinungen der beiden größten politischen Kräfte im Lande weit auseinander. Die 'United Progressive Party' (UPP), die bis zu den Wahlen im letzten Jahr an der Regierung war, schätzt den Anteil der Menschen, die mit weniger als zehn Ostkaribischen Dollar (etwa 3,7 US-Dollar) pro Tag auskommen müssen, auf zwölf Prozent. Die siegreiche 'Antigua Labour Party' (ALP) spricht hingegen von 35 Prozent.

"Den höchsten Anteil an Armen verzeichnet Haiti mit 79 Prozent, gefolgt von Guyana mit 64, Surinam mit 45 und Jamaika mit 43 Prozent", betont der ehemalige Finanzminister und Parlamentsabgeordnete Harold Lovell, der sich auf Daten der Weltbank beruft. Am anderen Ende der Statistik stehen demnach St. Lucia mit 19 Prozent, Barbados mit 14 Prozent und schließlich Antigua und Barbuda mit zwölf Prozent.

Cynthia James interessieren solche Zahlen nicht. In ihrem Alltag hat sie konkrete Probleme zu meistern. Die 53-Jährige, ihre 78-jährige Mutter und die 28-jährige Tochter wohnen in ihren Hütten direkt neben einer Abwasserrinne, die bei Regenfällen regelmäßig überläuft. Sie alle haben Angst, dass sie eines Tages in den Wassermassen untergehen.

Bild: © Desmond Brown/IPS

Lewis lebt in Antigua-Barbuda am Rande eines Abwasserkanals
Bild: © Desmond Brown/IPS

"Als ich klein war, wurde der offene Kanal regelmäßig von Strafgefangenen gereinigt. Das ist längst vorbei", sagt James. "Wenn es regnet, stehen unsere Hütten unter Wasser." In der Gefahrenzone leben etwa ein Dutzend Familien, die lieber heute als morgen umziehen würden. Doch ohne finanzielle Hilfe sind sie dazu nicht in der Lage.


Umweltbehörde will Abhilfe schaffen

Konsultationen mit der Bevölkerung hatten das Problem der überlaufenden Abwasserrinnen erst ins Licht der Öffentlichkeit gebracht. Damals versprach Ruleta Camacho, eine hochrangige Vertreterin der städtischen Umweltbehörde, ein Klimaanpassungsprojekt zugunsten der Slumbewohner. "Der Klimawandel verursacht verheerende Dürren und Niederschläge. In kurzer Zeit fallen große Regenmengen. Wir müssen daher dafür sorgen, dass Flüsse und Abwasserkanäle die Wassermassen bewältigen können", so die Beamtin.

Terryann Lewis wartet sehnsüchtig auf die Umsetzung dieses Versprechens. Denn seit dem 13. Oktober 2014, als der Tropensturm 'Gonzalo' über Antigua und Barbuda hinweg zog, lebt sie in Todesangst. Damals hat der Orkan Häuser abgedeckt und Bäume entwurzelt. Stundenlang peitschte heftiger, von kräftigen Böen begleiteter Regen auf die Insel nieder. Zahlreiche Straßen wurden durch umgerissene Bäume blockiert, und viele Menschen hatten keinen Strom.

"Als ich am Morgen aufwachte, war ich von Wasser umgeben, weil der Abwasserkanal übergelaufen war", berichtet Lewis. "Die ganze Einrichtung war nass oder weggeschwemmt. Wir hatten alles verloren und mussten von vorn beginnen."

Wenn der seit sieben Monaten amtierende Ministerpräsident Gaston Browne von menschlicher Entwicklung spricht, dann denkt er weniger an eine Verbesserung der Lebensverhältnisse der Slumbewohner. Sein Ziel ist es, Antigua und Barbuda zur wirtschaftlichen Lokomotive der Region zu machen, einer Art Singapur der Karibik.

"Wir werden unser Humankapital wettbewerbsfähig machen, um Wachstum und Entwicklung voranzubringen", versprach er. "Wir werden uns darauf konzentrieren, Arbeitsplätze für junge Menschen zu schaffen und den Unternehmen über die Entwicklungsbank von Antigua und Barbuda Kredite anzubieten. Wir wollen durch Bildung und Ausbildung die menschliche Entwicklung fördern. Niemand wird im Stich gelassen." (Ende/IPS/ck/2015)


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http://www.ipsnews.net/2015/01/antiguan-shanty-dwellers-ask-if-poverty-will-be-the-death-of-them/

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IPS-Tagesdienst vom 30. Januar 2015
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veröffentlicht im Schattenblick zum 1. Februar 2015


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