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RESSOURCEN/079: Kein Tropenwald im Tank (ROBIN WOOD magazin)


ROBIN WOOD magazin - Nr. 134/3.2017

Kein Tropenwald im Tank!

von Tina Lutz


Spätestens nach den großen Waldbränden in Indonesien im Jahr 2015 wurde einer breiten Öffentlichkeit bekannt, dass sich der Anbau von Palmöl zu einem bedeutenden Anheizer der Klimakrise entwickelt hat. Knapp die Hälfte der Feuer fand damals auf Konzessionsflächen der Palmölindustrie statt.

Brandrodungen sind in der Branche weit verbreitet, um billig neue Anbauflächen zu erschließen. 1.500 Millionen Tonnen CO2 haben die Feuer damals in die Luft geblasen. Das ist so viel wie Japan in einem Jahr emittiert.

Weniger bekannt ist allerdings, dass mittlerweile fast die Hälfte des nach Europa importierten Palmöls im Tank landet. Schon jetzt pusten die deutschen AutofahrerInnen, oft ohne es zu wissen, mit jeder Tankfüllung auch ein Stück Regenwald durch den Auspuff. Im Schnitt basieren inzwischen 1,7 Prozent einer jeden Dieseltankfüllung auf Palmöl.

Agrokraftstoffe sind Klimakiller

Agrokraftstoffe, meist Biokraftstoffe genannt, wurden lange als klimafreundliche Alternative zu fossilen Kraftstoffen betrachtet und entsprechend gefördert. Nur sehr langsam setzt sich die Erkenntnis durch, dass Agrokraftstoffe keineswegs Heilsbringer für das Klima sind, sondern im Gegenteil größtenteils wahre Klimakiller. Das gilt insbesondere für Palmöldiesel, für den Regenwälder gerodet und Torfmoore abgefackelt werden. Neuere Untersuchungen zeigen, die Klimagasemissionen von Palmöldiesel sind dreimal höher als bei Diesel aus Erdöl.

Aber auch alle andere Agrokraftstoffe auf der Basis von Feldfrüchten schneiden schlechter ab als fossile Kraftstoffe, wenn man konsequent alle ökologischen Folgen berücksichtigt. Das gilt insbesondere für Agrodiesel auf der Basis von Ölfrüchten, wie etwa Raps oder Soja, aber auch für Agroethanol aus Mais oder Zuckerrohr. So ist zum Beispiel Soja-Diesel zweimal so schädlich für das Klima wie fossiler Diesel. Bei Raps entstehen immerhin noch 20 Prozent mehr Treibhausgasemissionen.

Nur theoretisch könnten Biokraftstoffe aus einigen wenigen Reststoffen in Zukunft ökologisch sinnvoll sein. Dazu gehören zum Beispiel kommunale Abwässer und Mist. Aber diese Stoffe sind nur in sehr begrenztem Umfang verfügbar und lassen sich zum Teil in anderen Bereichen sinnvoller einsetzen. Auch diese Biokraftstoffe werden vermutlich keinen nennenswerten Beitrag für eine umweltfreundliche Mobilität leisten.

Agrokraftstoffe dienten von jeher vor allem als grünes Feigenblatt, um der Autoindustrie ein "weiter so wie bisher" zu ermöglichen. Um Daimler, VW, BMW & Co. vom Druck zu befreien, ihre Autos effizienter zu machen, wurde 2005 von der deutschen Regierung die Idee mit der Beimischung entwickelt und in der EU durchgesetzt. Damit sollten Treibhausgas-Emissionen verringert werden, die durch die laschen Vorgaben von Verbrauchswerten nicht eingespart werden konnten.

In Deutschland wird die europäische Vorgabe mit einer Treibhausgasquote umgesetzt. Unternehmen, die Kraftstoffe in Verkehr bringen, sollen durch das Beimischen von Agrokraftstoffen Emissionen sparen. Nur dass Agrokraftstoffe eben keine Emissionen einsparen, wenn man genau hinguckt.

Großteil der Klimagase wird verschwiegen

Die falsche Annahme, dass Agrokraftstoffe besser für das Klima sind als fossile Kraftstoffe, beruht darauf, dass von offizieller Seite bei der Betrachtung der Treibhausgasbilanz bisher der Großteil der Emissionen schlichtweg ignoriert wird. Die Rede ist von Emissionen aus indirekten Landnutzungsänderungen. Diese entstehen, wenn zum Beispiel Ölpalmen für Agrodiesel auf bereits bestehenden Ackerflächen angebaut werden und der Ölpalmanbau für den heimischen Markt auf bewaldete Flächen ausweicht. Die Klimaemissionen, die mit der Rodung dieser Waldflächen verbunden sind, fließen bisher in keiner Weise in die Klimabilanz der Agrokraftstoffe ein. Lediglich die Emissionen aus Verarbeitung, Transport und direkter Landnutzung werden berücksichtigt. Diese sind aber im Vergleich zu den Emissionen aus indirekten Landveränderungen fast schon marginal. Die realen Klimaauswirkungen werden so in keiner Weise transparent.

Palmölindustrie profitiert doppelt

Die Palmölindustrie profitiert gleich doppelt. Zum einen wird so verschwiegen, wie klimaschädlich Agrokraftstoffe eigentlich sind und zum anderen kann sie so die EU-Nachhaltigkeitsstandards für Agrokraftstoffe formal einhalten, wonach Palmöl nicht auf ehemaligen Primärwaldflächen angebaut werden darf. Dass aber dann für Ölplantagen für den europäischen Nahrungsmittelsektor, wo keine verbindlichen Standards gelten, oder den einheimischen Palmölbedarf Regenwälder gerodet werden, interessiert hier in Europa niemanden mehr.

Ausgeblendet wird dabei auch, dass die ohnehin schon niedrigen Nachhaltigkeitsstandards für Agrokraftstoffe immer wieder missachtet oder geschickt umgangen werden und dass der Anbau von Palmöl regelmäßig die Rechte der indigenen Bevölkerung verletzt. Die bestehenden Nachhaltigkeitsstandards haben daher bisher den Tropenwald und die Landrechte der dort lebenden Menschen nicht schützen können.

Europäisches Parlament fordert Aus für Palmöldiesel

Die Umweltverbände konnten nun einen ersten Erfolg verbuchen. Nach Jahren intensiver Lobbyarbeit hat das EU-Parlament im April mit überwältigender Mehrheit gefordert, bis 2020 kein Palmöl mehr zu Biodiesel zu verarbeiten. Derzeit wird die Erneuerbare-Energien-Richtlinie in Brüssel überarbeitet und damit die Weichen für die Agrokraftstoffpolitik bis 2030 gestellt. Hierzu liegt nun ein Vorschlag der EU-Kommission vor. Bisher beinhaltet der Vorschlag aber nichts, um den Gebrauch von klima- und umweltschädlichen Biokraftstoffen, wie zum Beispiel Palmöldiesel zu beenden.

Die EU-Kommission will lediglich die Menge auf 3,8 Prozent begrenzen, die fossilem Treibstoff beigemischt werden darf. Dies entspricht lediglich einer minimalen Reduktion gegenüber dem heutigen Niveau von knapp fünf Prozent. Auch frühere Verpflichtungen, bis 2025 aus Agrokraftstoffen auf der Basis von Ackerpflanzen auszusteigen und diese ab 2020 nicht mehr zu fördern, sind vorerst vom Tisch. Weiterhin werden die Treibhausgasemissionen aus indirekten Landnutzungsänderungen erneut nicht berücksichtigt. Damit wird die Ökobilanz von Agrokraftstoffen weiter bewusst geschönt.

Derzeit wird der Kommissionsentwurf im Rat der Mitgliedstaaten beraten. Hier droht erfahrungsgemäß eine weitere Verwässerung, zumal einige EU-Länder Palmöldiesel in großem Stil produzieren. Spanien, Italien und die Niederlande stellen fast 80 Prozent des europäischen Palmöldiesels her. Hier könnte sich Widerstand gegen jeglichen Versuch formieren, Palmöldiesel weiter zu reglementieren. Auch die Bundesregierung hat gerade ein Gesetz erlassen, dass die Beimischung von Palmöldiesel zu herkömmlichen Diesel zusätzlich fördert. Nun darf dieser Mischdiesel auch auf die für Mineralölunternehmen verbindliche Treibhausgasminderungsquote angerechnet werden. Da Palmöl billig und einfach zu verarbeiten ist, wird dies den Anteil von Palmöl im Diesel weiter in die Höhe treiben.

Massiver Gegenwind aus Indonesien

Die Erzeuger-Länder Indonesien und Malaysia setzen derzeit alle Hebel in Bewegung, um ein Palmölverbot für Agrodiesel zu verhindern. Vor allem Indonesiens Regierung reagiert zunehmend nervös. Der Vorstoß des Europäischen Parlaments wird als Verletzung des freien Handels und als Auftakt eines Handelskrieges interpretiert. Umweltaspekte seien lediglich vorgeschoben. Der indonesische Handelsminister, Enggartiasto Lukita, drohte jüngst sogar damit, in Zukunft möglicherweise keine Flugzeuge der Marke Airbus mehr erwerben zu wollen.

Umwelt-NGOs werden in Indonesien nun noch mehr bedroht und behindert als zuvor. NGOs, die sich kritisch zu Palmöl äußern, werden verdächtigt, Agenten ausländischer Interessen zu sein, um die Palmölindustrie zu zerstören und so die wirtschaftlichen Interessen des Westens durchzusetzen. Eine Reihe indonesischer Parlamentsabgeordneter forderte bereits das Verbot von NGOs bzw. den Rauswurf von NGO-VertreterInnen.

Ein Verbot von Palmöldiesel, wie es das Parlament gefordert hat, ist richtig, reicht aber bei weitem nicht aus. Um weiteren Schaden für unser Klima und die Biodiversität abzuwenden, müssen wir baldmöglichst aus allen landbasierten Agrokraftstoffen aussteigen. Auch Soja, Kokosöl, Mais oder Holz gehören nicht in den Tank.

Auch bei den sogenannten fortschrittlichen Biokraftstoffen als bessere Alternative zu herkömmlichen Agrokraftstoffen ist Vorsicht geboten. Die Kommission schlägt vor, deren Anteil auf 6,8 Prozent zu steigern. Sie hofft so, die Kontroverse um den umweltschädlichen Einfluss von Agrokraftstoffen zu beenden. Denn 'moderne' Biokraftstoffe gelten für gewöhnlich als ökologischer. Das ist aber oft ein Trugschluss. Einige Studien zeigen, dass der Biomasse aus Wäldern das größte Potenzial für fortschrittliche Biokraftstoffe zugesprochen wird. Das würde die für das Klima so wichtige Senkenfunktion der Wälder weiter schwächen sowie Tür und Tor öffnen für ökologisch bedenkliche Forstplantagen. Biokraftstoffe, welcher Art auch immer, sind nicht die Lösung. Nur umweltfreundliche Mobilität und Verkehrsvermeidung können unser Klima und unsere Wälder schützen.


Tina Lutz
,
ROBIN WOOD-Tropenwaldreferentin in Hamburg,
tropenwald@robinwood.de

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Quelle:
ROBIN WOOD-Magazin Nr. 134/3.2017, Seite 14 - 16
Zeitschrift für Umweltschutz und Ökologie
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veröffentlicht im Schattenblick zum 14. September 2017

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