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PROTEST/038: Kolumbien - Agrarstadt sagt 'nein' zu La-Colosa-Mine von AngloGold (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 30. Juli 2013

Kolumbien: Agrarstadt sagt 'nein' zu La-Colosa-Mine von AngloGold

von Constanza Vieira


Bild: © Constanza Vieira/IPS

AGA-Kolumbien-Schild an der Straße von Ibagué, der Hauptstadt von Tolima, nach Cajamarca: "Zusammen bauen wir uns eine Zukunft: La Colosa bringt Fortschritt im Einklang mit der Natur und den Gemeinden."
Bild: © Constanza Vieira/IPS

Cajamarca, Kolumbien, 30. Juli (IPS) - Die Mehrheit der Bevölkerung der zentralkolumbianischen Agrarstadt Piedras hat einem Goldbergbauprojekt des transnationalen Konzerns 'AngloGold Ashanti' (AGA) eine klare Absage erteilt. 99 Prozent von 2.995 der mehr als 5.105 wahlberechtigten Bürger, die sich am 28. Juli an einer Volksbefragung beteiligt hatten, stimmten gegen die Operationen des Unternehmens mit Sitz in Südafrika.

Piedras liegt in der Provinz Tolima, 96 Kilometer westlich von 'La Colosa', der größten Übertage-Goldmine der nördlichen Anden. Das Dorf befindet sich im 'Brotkorb Kolumbiens', wie der Bezirk Cajamarca genannt wird.

AngloGold Ashanti kam Anfang des letzten Jahrzehnts in die Gebirgsregion mit ihren Nebelwäldern und Feldern. Die Überprüfung der ökologischen Nachhaltigkeit von La Colosa, dem drittgrößten Bergbauprojekt des Multis, ist bis heute nicht abgeschlossen. AGA ist mit 21 Minenoperationen in zehn Ländern der drittgrößte Goldproduzent der Welt.


Gold versus Wasser

"In Tolima ist ausreichend Wasser für alle wirtschaftlichen Aktivitäten vorhanden", sagt AngloGold Ashanti. Der Bergbau benötige zwischen zwei bis vier Prozent der örtlichen Wasservorräte. Das sei nur ein kleiner Bruchteil dessen, was die Landwirtschaft verschlinge. Außerdem sei vorgesehen, in der La-Colosa-Mine Regenwasser zu verwenden, Wasserrückhaltebecken für Dürrezeiten anzulegen und den Wasserkreislauf der Firma möglichst klein zu halten.

Doch ein bereits 2009 vorgelegter Bericht des niederländischen Büros der Weltfriedensorganisation 'Pax Christi' über das AGA-Bergbauprojekt in Cajamarca kommt auf der Grundlage von Unternehmenszahlen zu einem bedrohlichen Bild:

"Nach AGA-Angaben ist ein Kubikmeter Wasser pro Sekunde erforderlich, um eine Tonne Gestein weiterzuverarbeiten. Geht man davon aus, dass jährlich zwischen 20 und 35 Millionen Tonnen Gestein verarbeitet werden, entspricht dies einer Wassermenge von 631 bis 946 Millionen Kubikmeter Wasser pro Jahr. Die erforderliche Wassermenge wäre somit gewaltig und könnte leicht zu Wasserstreitigkeiten mit anderen Wassernutzern stromabwärts, etwa den Reisbauern, führen."

Der Oberste Rechnungshof hatte das Umfeld von La Colosa mit seinen 61 Wasserquellen zum ökologisch hochsensiblen Gebiet erklärt. Wie aus seinem diesjährigen Bericht 'Bergbau in Kolumbien - Grundlagen zur Überwindung des Abbaumodells' hervorgeht, wird La Colosa insgesamt 759 Tonnen Gold über einen Zeitraum von 20 Jahren produzieren. Auch diese Schätzung basiert auf AGA-Zahlen.

Die Pressesprecherin von AGA-Kolumbien, Sandra Ocampo, hält aber auch eine Lebenszeit der Mine bis zu 50 Jahren für möglich. Wie sie berichtet, finden Firmentechniker immer neue Goldadern. Doch alles hänge nun davon ab, ob die Exploration zur Feststellung der Goldlager weitergehen könne.

Im Kampf um La Colosa hat AGA im Januar ein Verfahren gegen den Bürgermeister von Piedras, Arquímedes Ávila, angestrengt, nachdem Anrainer mit einer Straßenblockade den Firmenbeschäftigten, Einsatzwagen und -maschinen die Durchfahrt versperrten. Doch der Versuch, die Lokalregierung zu belangen, ist ins Leere gelaufen.

Auch die Umweltbehörde von Tolima brachte die Aktivitäten des südafrikanischen Konzerns mehrfach zum Erliegen. Das dritte und bisher letzte Mal im März, als die Behörde dem Unternehmen wegen wiederholter Unregelmäßigkeiten mit Strafmaßnahmen drohte. AGA beschloss daraufhin, die Anlage zur Weiterverarbeitung des La-Colosa-Gesteins nach Doima zu verlegen, einem Dorf in der Reisanbaugemeinde Piedras. Doch kaum wurden die Pläne bekannt, mehrte sich auch dort der Widerstand.

Seither nehmen die Blockadeaktivitäten der Bauern kein Ende. Am 28. Juli schließlich lud Ávila die 5.105 Wahlberechtigten von Piedras ein, in einem Volksentscheid für oder gegen die AGA-Bergbauaktivitäten zu stimmen.

Konkret wurde nach der bürgerlichen "Akzeptanz der Exploration, Ausbeutung, Behandlung, Transformation und des Auswaschens von Material" im Zuge der Bergbauarbeiten gefragt sowie danach, ob die Menschen die "Lagerung (...) und die Verwendung von gesundheits- und umweltschädlichen Materialien" wie Zyanid und anderen toxischen Sustanzen sowie "die Nutzung von Oberflächen- und Grundwasser" für den Goldbergbau akzeptierten.

Doch AGA zufolge gibt die Beschreibung ihrer Aktivitäten, die in die Frage aufgenommen worden waren, die Arbeitsweise des Unternehmens nicht richtig wieder. Die Firma kritisierte, nicht angehört worden zu sein. Auch sei die Abstimmung vom 28. Juli nicht auf der Grundlage von Tatsachen erfolgt.


Rechtsstreit im Anmarsch

Nach kolumbianischem Recht sind Plebiszite verbindlich, wenn sich mindestens ein Drittel der Wahlberechtigten - im Fall von Piedras also 1.700 Menschen - an der Befragung beteiligt haben. Die Differenzen bei der Auslegung des Gesetzes legen nahe, dass es wohl zu einem Rechtsstreit kommen wird.

Das Ministerium für Bergbau und Energie ist der Meinung, dass Gemeinden kein Recht haben, über Bergbauprojekte in ihren Einzugsgebieten zu entscheiden und dass letztendlich dem Ministerium oder der nationalen Umweltbehörde in dieser Frage das letzte Wort zukommt.

In einer Mitteilung hatte AGA erklärt, 1.500 direkte und 60.000 indirekte Arbeitsplätze zu schaffen. Darüber hinaus sollten 477 Millionen US-Dollar an Steuern und Lizenzgebühren anfallen. "La Colosa ist eine goldene Gelegenheit für Tolima. Sie wird Fortschritt und Wohlstand bringen", beteuert das Unternehmen.

Dem Kolumbianischen Statistikamt zufolge sind 33,5 Prozent der Menschen in Piedras und 28,3 Prozent in Cajamarca arm. Dennoch sind viele Einwohner von Cajamarca über die AGA-Pläne nicht begeistert. "Das Bergbauunternehmen kauft Farmen auf. Diejenigen, die nicht verkaufen wollen, finden sich plötzlich umzingelt und ohne Zukunft wieder", erläuterte ein Maulbeerfarmer gegenüber IPS, der aus Sicherheitsgründen seinen Namen nicht nennen wollte.

"Ohne über eine Genehmigung zu verfügen, donnern höllisch viele AGA-Lastwagen über private Straßen", fügt eine Frau hinzu, die sich ebenfalls Anonymität ausbat. Zwar profitiere ihr Restaurant von dem Zustrom der AGA-Beschäftigten, doch würde sie ein gesundes Umfeld für sich und ihre junge Familie vorziehen.


AGA-Organisation spaltet Gemeinschaft

AGA hat inzwischen eine zivilgesellschaftliche Organisation mit dem Namen 'Ja zur Mine' gegründet, die die Gemeinschaft zunehmend spaltet. Lokale Führer, die dem Projekt auch weiterhin Widerstand leisten, fühlen sich isoliert.

Die Mehrheit der Bevölkerung von Cajamarca ist für die Bergbauaktivitäten, weil sie hofft, davon zu profitieren. Auch geht sie davon aus, dass in 30 Jahren alles wieder in Ordnung kommt, denn das Unternehmen hat versprochen, die Region nach einem Ende ihrer Präsenz zu begrünen. Das zumindest wird den Kindern erzählt.

Nach Angaben der lokalen Bevölkerung schickt die Gruppe freitags Fahrzeuge aus, die die Mädchen und Jungen aus den weit entlegenen Schulen abholen und zu eigens organisierten Partys bringen. Auch hat die Organisation Laptops an die örtlichen Schüler verteilt. Zuhause gibt es dann häufig Streit, weil die Kinder nicht begreifen, warum ihre Eltern etwas gegen die Goldmine haben. (Ende/IPS/kb/2013)


Links:

http://www.ipsnews.net/2013/07/colombian-town-says-no-to-gold-mine/
http://www.ipsnoticias.net/2013/07/llego-la-hora-de-las-urnas-para-megamineria-colombiana/

© IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 30. Juli 2013
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veröffentlicht im Schattenblick zum 1. August 2013