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PROTEST/009: Mexiko - Windpark-Projekt bedroht Biodiversität auf Insel Cozumel (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 29. März 2012

Mexiko: Windpark-Projekt bedroht Biodiversität auf Insel Cozumel - Proteste angekündigt

von Emilio Godoy



Mexiko-Stadt, 29. März (IPS) - Bei der Entwicklung erneuerbarer Energien hinkt Mexiko anderen Ländern hinterher. Hinzu kommt, dass als nachhaltig gepriesene Projekte nicht immer halten, was sie versprechen. Dazu gehört offenbar auch der geplante Windpark auf der südöstlichen Insel Cozumel. Naturschützern zufolge gefährdet er die lokale Artenvielfalt.

"Ich glaube an erneuerbare Energien. Sie sollten aber an geeigneten Orten und nicht in Cozumel entwickelt werden", sagte Guadalupe Álvarez, die Gründerin der Umweltgruppe 'Cielo, Tierra y Mar', im Gespräch mit IPS. "Auf Cozumel gibt es Mangrovenwälder, Feuchtgebiete, Lagunen, süßwasserreiche Grotten und unterirdische Flüsse. Außerdem ist der Wasserspiegel sehr flach."

Windmühlenparks sind aus verschiedenen Gründen umstritten. Umweltschützer beklagen vor allem, dass unzählige Vögel den Rotorenblättern zum Opfer fallen und wildlebende Tiere durch die Rotationsgeräusche gestört werden. Sie ausgerechnet in einem artenreichen Gebiet wie Cozumel einzurichten, sei inakzeptabel, betonte Álvarez.

Das etwa eine halbe Milliarde US-Dollar teure Windpark-Projekt mehr als 1.650 Kilometer südöstlich von Mexiko-Stadt wird von dem Unternehmen 'Mexico Power Group' vorangetrieben. Die Windräder sollen dort insgesamt 400 MW Strom erzeugen.

Die Firma, ein Ableger der 'Cannon Power Group' mit Hauptsitz im kalifornischen San Diego, hat von der zuständigen Gemeinde die Genehmigung für den Windpark erhalten, obwohl ein Umweltverträglichkeitsgutachten nicht vorliegt. Geplant ist die Errichtung von 121 Turbinen in Höhe von jeweils 80 Metern auf einer Fläche von 5.800 Hektar Land. Zurzeit stehen dort schon zwei Masten, die Windgeschwindigkeit und die Temperaturen messen.


Mangroven und zahlreiche Vogelarten gefährdet

Cozumel ist mit knapp 47.800 Hektar die größte und mit rund 100.000 Einwohnern die am dichtesten bevölkerte Insel Mexikos. Sie liegt 20 Kilometer vor der Halbinsel Yucatán im Bundesstaat Quintana Roo mit insgesamt 64.000 Hektar Mangrovenwäldern. Etwa 2.000 Hektar davon sind auf Cozumel zu finden. Das Eiland im karibischen Meer, auf dem die bedrohte Grüne Meeresschildkröte ihre Eier ablegt, ist zudem Heimat von Enten, Reihern und Papageien.

Mangroven sind wichtige Ökosysteme. Sie reinigen das Wasser, fungieren als Wellenbrecher und 'Babystuben' für die Fische, halten das Erdreich fest und sind für einheimische und Zugvögel von unschätzbarem Wert. Als Gefahren hat die nationale Biodiversitätskommission CONABIO den Tourismus, den Bau von Anlegestellen und Hotels, das Trockenlegen von Feuchtgebieten sowie Verschmutzungen durch feste Abfälle, Erdölderivate und Abwässer ausgemacht.

In Mexiko werden täglich etwa 2,5 Millionen Barrel Erdöl gefördert. Das lateinamerikanische Land befindet sich in großer Abhängigkeit von der Ressource, aus der 93 Prozent der gesamten Energie erzeugt werden. Der übrige Strom wird durch Wasser-, Atom- und Windkraft produziert.

Odón de Buen, Präsident der auf Energie- und Umweltprojekte spezialisierten Consulting-Firma ENTE, hält die staatlichen Subventionen für Strom, Naturgas und Benzin für Hürden auf dem Weg zu alternativen Energien. Er bemängelt ferner die geringen technischen Richtlinien für die Windenergie. Im Sonnenenergiesektor gebe es gar keine. "Die Gesetze zu erneuerbaren Energien haben sich bisher als nutzlos erwiesen."

Nach dem 2008 in Kraft getretenen Gesetz über erneuerbare Energiequellen wurden ein 200 Millionen Dollar schwerer Förderfonds sowie ein Fonds in Höhe von 300 Millionen Dollar für technologische Forschung und Ausbildung aufgelegt. Die Finanzierung kommt allerdings nur langsam in Gang.


Potenzial für saubere Energien nicht ausgeschöpft

Jährlich werden derzeit durch Windkraft etwa 850 MW, durch Solarenergie 20 MW und durch geothermische Verfahren 958 MW Strom erzeugt. Experten kritisieren zu Recht, dass das Potenzial für saubere Energien bei weitem noch nicht ausgeschöpft ist. Dabei haben die Vereinten Nationen 2012 zum Jahr der nachhaltigen Energie für alle ausgerufen.

Mexiko hatte 2009 ein Sonderprogramm gestartet, demzufolge 7,6 Prozent des im Land produzierten Stroms bis 2012 aus alternativen Quellen kommen muss. Nicht eingeschlossen ist die durch Wasserkraft erzeugte Energie im Umfang von rund 30 MW.

Das Energieministerium schätzt, dass der Anteil der Windenergie bis 2020 auf 20.000 MW aufgestockt werden könnte. Was die Sonnenenergie angeht, weist das Land eine Sonneneinstrahlung von fünf KW/h pro Quadratmeter auf. Damit gehört Mexiko zu den Staaten mit dem höchsten Potenzial für Sonnenenergie.


Umweltfolgen nicht genau genug untersucht

Die nationale Energiestrategie, über die noch das Parlament abstimmen muss, sieht vor, dass 35 Prozent des gesamten Stroms bis 2026 aus erneuerbaren Quellen stammen müssen. Eugenia González vom 'Colegio de Frontera Norte' hält dieses Ziel jedoch für unrealistisch. "Unklar ist, wie es erreicht werden soll", kritisierte die Autorin des 2011 veröffentlichten Buchs 'Hacia la sustentabilidad ambiental de la producción de energía en Mexico' (Auf dem Weg zur ökologischen Nachhaltigkeit bei der Energieproduktion in Mexiko). Auch die Umweltfolgen solcher Projekte seien bisher nicht ausreichend untersucht worden.

Álvarez und ihre Gruppe wollen zu Demonstrationen aufrufen, sollten die Behörden dem Windpark auf Cozumel eine Betriebsgenehmigung erteilen. "Ohne ihren Artenreichtum wird die Insel sterben, da sie vor allem vom Tourismus abhängig ist", erklärte die Aktivistin. Gemeinsam mit neun weiteren Naturschützern schickte sie einen Protestbrief an die Regierung von Präsident Felipe Calderón, die eine Untersuchung anordnete. (Ende/IPS/ck/2012)


Links:
http://www.profepa.gob.mx/
http://www.conabio.gob.mx/
http://www.ipsnoticias.net/nota.asp?idnews=100371
http://ipsnews.net/news.asp?idnews=107162

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veröffentlicht im Schattenblick zum 30. März 2012