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OZEANIEN/006: Neues Meeresschutzgebiet in Palau soll dezimierte Thunfischbestände schonen (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 28. Dezember 2015

Pazifik: Neues Meeresschutzgebiet in Palau soll dezimierte Thunfischbestände schonen

von Christopher Pala


Bild: © Christopher Pala/IPS

Fischer vor der Küste von Palau
Bild: © Christopher Pala/IPS

WASHINGTON (IPS) - Der Pazifikstaat Palau will als weltweit größter Schützer der Meeresflora und -fauna in die Geschichte eingehen. Präsident Tommy Remengesau Jr. hat ein etwa 500.000 Quadratkilometer großes Meeresschutzgebiet geschaffen, in dem über einen Zeitraum von fünf Jahren kein kommerzieller Fischfang betrieben werden darf. Wissenschaftler sind davon überzeugt, dass dieser Vorstoß den Tourismus beleben und die Ernährungssicherheit in der Region verbessern wird. Auch die stark geschrumpften Thunfischpopulationen werden sich wieder erholen können.

Das Parlament von Palau verabschiedete am 22. Oktober einstimmig ein Gesetz, das vor allem die unter taiwanesischer und japanischer Flagge segelnden Thunfischfangboote von 80 Prozent der Gewässer der Inselgruppe fernhalten soll. In einem riesigen Gebiet von der Größe Spaniens oder Kaliforniens dürfen vorerst keine Netze mehr ausgeworfen werden.

Wie aus einer kürzlich veröffentlichten Studie hervorgeht, verbringen etwa zehn Prozent der Exemplare der am stärksten dezimierten Thunfischart 'Bigeye' ihr gesamtes Leben in einem Gebiet, das dem neuen Meeresschutzgebiet entspricht.


Gute Chancen für Vermehrung der Thunfischbestände

Der renommierte Fischexperte Daniel Pauly von der Universität im kanadischen British Columbia geht davon aus, dass sich die Thunfische wieder vermehren werden. Der Nachwuchs der 'faulen' Fische, die die ganze Zeit in ihrem Revier blieben, habe einen genetischen Vorsprung vor den Artgenossen, die weiter ausschwärmten und sich fangen ließen. "Innerhalb der nächsten zehn Jahre ist zu erwarten, dass die Fischdichte in dem Meeresschutzgebiet deutlich zunimmt", sagt Pauly.

Dabei wird es viele Beobachter geben, denn Palau gehört zu den zehn beliebtesten Destinationen für Taucher. Etwa 90.000 Urlauber jährlich erkunden dort die Unterwasserwelt. Sie bilden das Rückgrat des Tourismussektors, der bis Ende dieses Jahres mit etwa 180.000 auswärtigen Gästen rechnet.

Die Einrichtung des 'Palau National Marine Sanctuary' ist von Umweltorganisationen in aller Welt begrüßt worden. Joshua Reichert, Vizepräsident von 'Pew Charitable Trusts' in Washington, hob hervor, dass kein anderer Staatschef bisher einen so großen Teil der Hoheitsgewässer seines Landes habe schützen lassen. Die unabhängige Organisation, die 1948 von den Kindern des Erdölunternehmers Joseph Newton Pew gegründet wurde, half beim Entwurf des Projekts und mobilisierte Unterstützung an der Basis.

Für Remengesau sei es nicht einfach gewesen, das Vorhaben umzusetzen, erklärte Maria Damanaki von der Organisation 'Nature Conservancy' mit Sitz in Washington. Aber: "Er ist ein Kämpfer und Visionär, genau die Führungspersönlichkeit, die wir brauchen."

Der 59-jährige Staatschef regierte den Inselstaat bereits von 2001 bis 2009 und wurde 2013 für eine dritte Amtszeit wiedergewählt. Vor zehn Jahren richtete er ein Treffen mit Vertretern anderer Pazifiknationen aus, um gemeinsam zu überlegen, wie die Korallenriffe vor Überfischung bewahrt werden könnten. Er versprach damals, 30 Prozent der Küstengewässer des Landes in eine Schutzzone umzuwandeln, in der Fischfang strikt begrenzt oder ganz verboten sein sollte. Um die Korallenriffe vor schädlichen Sedimentablagerungen zu schützen, kündigte er an, jegliche Bautätigkeiten oder landwirtschaftliche Aktivitäten in 20 Prozent der Küstengebiete nahe dem Marinepark einzuschränken.


Gemeinsames Handeln in der Region

Remengesau appellierte an die Nachbarstaaten, seinem Beispiel zu folgen und sprach von einer "Herausforderung für Mikronesien". Die Föderierten Staaten von Mikronesien, zu denen außer Palau unter anderem auch die Marshallinseln, Guam und die Nördlichen Marianen gehören, signalisierten sofort Zustimmung. Im Jahr 2008 verständigte sich der Staatenbund auf die Initiative 'Caribbean Challenge', die von zehn Ländern unterstützt wurde und sich ähnliche Ziele steckte, wie sie Remengesau derzeit mit seinem Meeresschutzgebiet verfolgt.

Palau ist es bereits gelungen, den Fischfang in 60 Prozent der küstennahen Riffgebiete auf ein nachhaltiges Niveau zu reduzieren. In einem Viertel dieser Zonen darf gar nicht mehr gefischt werden, wie Umweltminister Umiich Sengebau erklärte. Die Fischer hätten sich dennoch darüber beschwert, dass die internationalen Fangflotten die Zahl der Thunfische in den Gewässern immer weiter dezimierten.

Obgleich Palau seine Fischpopulationen vorbildlich schützt, steckt der Inselstaat in einer ähnlichen Zwickmühle wie die meisten anderen Entwicklungsländer, deren Bewohner sich hauptsächlich von Fisch ernähren. Die stark subventionierten internationalen Flotten, die weit vor den Küsten ihre Netze auswerfen, sichern den Regierungen in der Regel zu, sie zu knapp zehn Prozent an ihren Einnahmen zu beteiligen. Dafür fischen die Boote einen Großteil der Thunfisch-, Schwertfisch- und Haibestände schneller ab, als die Tiere sich vermehren können.

Im Laufe der vergangenen 50 Jahren sind die Bestände der früher zahlreich vorkommenden Bigeye-Thunfische, die inzwischen in großen Mengen zu Sashimi verarbeitet werden, auf 16 Prozent ihres ursprünglichen Umfangs reduziert worden. Auch andere Spezies sind erheblich dezimiert worden.


Hoffnungsträger Tourismus

Remengesau hofft nun, den Verlust von Einnahmen im Umfang von fünf bis sechs Millionen US-Dollar jährlich, die von den internationalen Fischfangflotten kamen, durch eine Ankurbelung des Tourismus ausgleichen zu können. Diese Summe entspricht etwa einem Zehntel der gesamten Staatseinnahmen. Im Gegenzug könnten sich die strapazierten Fischpopulationen erholen. Die einheimischen Fischer hätten wieder mehr in ihren Netzen, was der Nahrungsversorgung der etwa 18.000 Einwohner von Palau zugute käme.

Touristen bekämen nicht nur exzellenten Fisch und Meeresfrüchte auf den Tisch, sondern könnten beim Tauchen wieder seltene Haie, Marline, Schwertfische und Thunfische aus der Nähe beobachten. Besonders spektakulär ist der Anblick der Bigeye-Thunfische, die bis zu 2,5 Meter lang werden können.

Die Regenerierung der Fischpopulationen wird auf den Palau-Inseln einfacher zu beobachten sein als in Staaten wie den Haiwaii-Inseln, den Britischen Chagos-Inseln im Indischen Ozean, den zu Kiribati gehörenden Phoenix-Inseln im zentralen Pazifik oder den neuseeländischen Kermadec-Inseln, die weder ständig bewohnt noch ein Ziel für den Tauchtourismus sind. Nur im Umkreis der Phoenix- und Chagos-Inseln wurde in nennenswertem Umfang gefischt, bevor die Gewässer zu Schutzgebieten erklärt wurden.

In 20 Prozent der Gewässer von Palau dürfen japanische Boote weiterhin fischen. Fischsammelvorrichtungen, in denen sich junge Bigeye-Fische, andere Fischarten sowie Schildkröten und Meeressäugetiere verfangen können, werden verboten. Mit diesem Kompromiss erhält sich Palau immerhin seine Mitgliedschaft im Pazifischen Thunfisch-Kartell. (Ende/IPS/ck/28.12.2015)


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http://www.ipsnews.net/2015/12/pacific-islands-marine-reserve-safe-haven-for-depleted-tuna-and-new-holiday-spot/

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IPS-Tagesdienst vom 28. Dezember 2015
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veröffentlicht im Schattenblick zum 29. Dezember 2015

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