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NAHOST/001: Ägypten - Hoteliers am Roten Meer fürchten Öllecks (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 6. August 2010

Ägypten: Nichts für schwache Nerven - Hoteliers am Roten Meer fürchten Öllecks

Von Cam McGrath


Hurghada, 6. August (IPS) - Am Roten Meer lässt sich vor allem mit zwei Dingen Geld verdienen: mit Tourismus und Erdöl. Während die Ölvorkommen zur Neige gehen, boomt nicht nur in Ägypten der Tourismus. Spätestens seit der Katastrophe im Golf von Mexiko bangen die ägyptischen Hotelbesitzer allerdings um ihr Geschäft. Denn ähnliche Probleme könnte es auch in ihrer Nachbarschaft im Golf von Suez geben.

"Hier zu investieren ist nichts für schwache Nerven", sagt Kamil Sedky, der in Hurghada, 500 Kilometer südöstlich von Kairo, ein Strandhotel betreibt. "Wir haben in den letzten 30 Jahren die Tourismusindustrie rund um unsere Weltklassestrände und Korallenriffe aufgebaut. Ein Ölleck könnte aber alles vernichten."

Im Golf von Suez werden 80 Prozent des ägyptischen Erdöls auf 180 Bohrinseln gefördert. So lange die großen Ölfelder im Norden des Golfs produktiv waren, nahmen die Touristen sie kaum wahr. Inzwischen werden aber zunehmend die weniger lukrativen Quellen weiter südlich erschlossen.

Die Bohrinseln sind nur noch 70 Kilometer von dem Ferienort El-Gouna entfernt. Auch an Hurghada und Sharm El-Sheikh sind sie nahe herangerückt. Sollte sich nach einem Unglück ein Ölteppich auf diese Badeorte zu bewegen, wären rund eine halbe Million Arbeitsplätze in der Reisebranche gefährdet.

Ihre Beliebtheit bei Touristen verdanken die Orte dem kristallklaren Wasser und den attraktiven Tauchgebieten unmittelbar vor der Küste. Während es im Golf von Suez immer wieder Bohrunfälle gab, die das Meer, die Riffe und Strände verunreinigten, blieb die südliche Rotmeer-Küste Ägyptens bisher weitgehend verschont.

Die Korallenriffe und kleinen Inseln bieten etwa 1.100 Fischarten sowie Meeresschildkröten und Zugvögeln ein Habitat. Die Tourismusbranche hat großes Interesse daran, dass diese Biotope unversehrt bleiben. "Wenn das Meer oder die Strände verseucht werden, können wir einpacken", sagte Sameh Howaidek von der Investorenvereinigung.


Nur ein kleines Leck

Wie rasch es zu einem Unglück kommen kann, zeigte sich erst kürzlich. Im Juni bildete sich ein relativ kleines Ölleck, durch das 20 Kilometer Küste in Mitleidenschaft gezogen wurden. Auch einige Hotelstrände in El-Gouna und Hurghada waren betroffen. Mehrere Korallenriffe wurden ebenso verschmutzt wie die Insel Tawila, ein Schutzgebiet für Seevögel.

Der Ölschlamm war schnell beseitigt, zurück blieben Zweifel. "Von der Regierung kam keine Warnung, auch im Fernsehen fiel kein Wort", kritisierte Mohamed Nassef, der Tauchausrüstungen verkauft. "Jetzt hat man den Eindruck, als versuchten sie, die Quelle des Lecks zu vertuschen, um den verantwortlichen Konzern zu schützen."

Howaidek fürchtet vor allem einen größeren Unfall, der das Ende des Tourismus an der ägyptischen Rotmeer-Küste bedeuten würde. Er weiß um das wirtschaftliche Gewicht des Erdöls. Aufgrund des größeren Zukunftspotenzials der Tourismusbranche müssten jedoch neue Prioritäten gesetzt werden, meinte er. "Im Vergleich zu den Umsätzen der Tourismusbranche und der Ölindustrie generiert der Fremdenverkehr mehr als das Doppelte."

Mehr als 12,5 Millionen Urlauber kamen 2009 nach Ägypten und brachten elf Milliarden US-Dollar ins Land. Während der Tourismus weiter zulegt, geht die Ölförderung seit 1993 zurück. Die Förderung wird immer aufwendiger und riskanter für die Umwelt.


Veraltete Bohrinseln eingesetzt

Wie Amr Ali von der Umweltschutzvereinigung in Hurghada erklärte, wird fast nur noch mit Zweitkonzessionen gefördert. "Die Betreiber erhalten die Genehmigungen ausdrücklich für nicht mehr produktive Ölquellen. Nun versuchen sie alles, um die Kosten niedrig zu halten."

Dazu gehöre der Einsatz veralteter Bohrinseln und Werkzeuge, die extrem fehleranfällig seien. Das größte Risiko geht laut Ali von den kleinen Unternehmen aus. Sie hätten nicht die passende Ausrüstung, um mit einem Leck fertig zu werden, beanstandete er. Eine solche Firma habe vermutlich auch den Unfall im Juni verschuldet.

Auf der Videoplattform 'YouTube' ist eine Aufnahme von einem Ölteppich zu sehen, der offenbar von einem Bohrloch bei Hurghada stammt. Es sind keine Barrieren zu erkennen, die eine Ausbreitung eindämmen könnten.

Umweltschützer und Investoren forderten daher die ägyptische Regierung auf, die Vergabe der Förderlizenzen im Roten Meer dringend zu überdenken. Erdöl und Wasser mischen sich nicht, sagte Howaidek. Dies sei auch im übertragenen Sinn zu verstehen. "Die Touristen kommen wegen der Strände und des Meers. Wenn man Öl fördern will, sollte dies weit entfernt geschehen."

Ägyptens Erdölminister Sameh Fahmy deutete kürzlich an, dass die Zahl der Bohrinseln im Roten Meer verringert werden könnte. Eine grundsätzliche Neustrukturierung bei der Vergabe der Nutzungsrechte steht aber offenbar nicht zur Debatte.

Kein Wunder, dass die Menschen in Hurghada beunruhigt sind. "Warum spielen wir Russisches Roulette mit unserer Umwelt und der Wirtschaft?" fragte ein Tauchboot-Verleiher aus Hurghada: (Ende/IPS/sv/2010)


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veröffentlicht im Schattenblick zum 10. August 2010