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MEER/007: Ägypten - Fischfarmen unter Erfolgsdruck, Zucht soll natürliche Populationen schonen (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 19. November 2010

Ägypten: Fischfarmen unter Erfolgsdruck - Zucht soll natürliche Populationen schonen

Von Cam McGrath

Mikroalgen sind eine wichtige Nahrung für junge Fische - Bild: © Cam McGrath/IPS

Mikroalgen sind eine wichtige Nahrung für junge Fische
Bild: © Cam McGrath/IPS

Alexandria, 19. November (IPS) - Mohamed Ashour hantiert zwischen Glasgefäßen und Messbechern, die mit einer glibberigen grünen Masse gefüllt sind. Auf den ersten Blick scheint es, als probiere er ein neues Rezept für Erbsensuppe aus. In Wirklichkeit überwacht der ägyptische Wissenschaftler Kolonien von Mikroalgen, die eine wichtige Rolle bei der Fischzucht spielen.

In seinem Labor kontrolliert Ashour Ventile, um eine ausreichende Luftzufuhr in den Behältern zu garantieren. Die Algen sind die Grundlage für den Aufbau einer Nahrungskette für die Zuchtfische. Die mikroskopisch kleinen Organismen werden von Zooplankton einverleibt, das wiederum den Hunger von Seebarsch-Larven stillt.

Fische, die diese kritische Entwicklungsphase überstehen, werden in Brutbecken aufgezogen und etwa zwei Jahre lang gemästet, bis sie an Märkte und Restaurants verkauft werden können.

Im vergangenen Jahr brachten die Zuchtbetriebe in Ägypten rund 6.000 Tonnen Fische hervor. Binnen drei Jahren will die Regierung diese Menge verdoppeln und drängt die sechs Fischfarmen im Land dazu, ihre Produktion zu steigern. Dies bedeutet auch, dass erheblich mehr Algen als bisher benötigt werden. Laut Ashour werden weitere Zuchterfolge davon abhängen, ob ausreichender Nachschub an Mikroalgen verfügbar ist.

Bis zu 70 Prozent der Kapazitäten von Fischfarmen entfallen auf die Erzeugung von Nahrung für die Brut - Mikrolagen, Phytoplankton und Zooplankton. Die hungrigen Fischlarven, die anfangs nur so groß wie Blattläuse sind, müssen ihr Körpergewicht jeden Tag um zehn Prozent erhöhen, um überleben zu können.


Zucht in Innenbecken erforderlich

"Natürlich ist es auch möglich, Mikroalgen in Außenbecken zu züchten", erklärte Ashour. "Das Problem bestünde aber darin, dass jede Kultur aufgrund von Schwankungen bei Temperatur, Luftfeuchtigkeit und Salzgehalt des Wassers anders ausfallen würde. Es ist also viel besser, die Algen kontrolliert im Labor herzustellen. Dort stoßen wir aber an räumliche Grenzen."

Im Nationalen Institut für Ozeanografie und Fischerei (NIOF), wo Ashour arbeitet, werden Mikroalgen zunächst im Reagenzglas gezüchtet und dann in immer größere Gefäße gesetzt. Der grüne Schleim wird dem Salzwasser in den Fischzuchtbecken mit den Larven von Seebärschen, Seebrassen und Seezungen beigefügt.

Jedes Jahr würden in der Zuchtstation mehr als zwei Millionen befruchtete Fischeier ausgebrütet, sagte Mohamed Abdel Razek Eissa, der die NIOF-Abteilung für Aquakultur leitet. "Die Larven sind sehr empfindlich", erklärte er. "Die Überlebensrate beträgt in den ersten 100 Tagen maximal 40 Prozent. Im Durchschnitt liegt sie sogar bei nur 25 Prozent. Damit überleben allerdings mehr Fische als in der freien Natur, wo die Larven nicht gegen Räuber geschützt sind."

Ägypten startete das Fischaufzuchtprogramm Mitte der neunziger Jahre, um die wilden Fischpopulationen zu schützen. Mehr als drei Millionen Setzlinge werden jährlich in Farmen gezüchtet, weitere 80 Millionen aus Meeresarmen und Lagunen gefischt und den Aquakulturprojekten zugeführt.

"Süßwasserfische wie Tilapia werden von uns bereits in ausreichender Menge gezüchtet", sagte Mohamed Fathy Osman, der Vorsitzende der Behörde für Fischereiressourcen (GAFRD). "Mit Meeresfischen haben wir dagegen noch Probleme. Meerbarben beispielsweise holen wir zu hundert Prozent aus dem Ozean. "

Die hohe Nachfrage nach Meeresfischen hat die Zuchtstationen in direkte Konkurrenz zu den gewerblichen Fischern gebracht, die sich durch die rasant gestiegene Zahl von Fischfarmen geschädigt sehen. Wie Eissa betonte, soll jedoch in spätestens drei Jahren der Fang von Setzlingen im Meer verboten werden.


Weitere Fischfarmen vonnöten

NIOF hat die Zucht kürzlich auf bis zu 500.000 Jungfische im Jahr verfünffacht. Die beiden anderen staatlichen Fischfarmen können bis zu 1,7 Millionen Setzlinge im Jahr hervorbringen. Hinzu kommen bis zu einer Million junger Fische aus drei weiteren privaten Zuchtstationen. Laut Eissa reicht das aber noch nicht aus - es müssten also weitere Zuchtbetriebe eröffnet werden.

Forscher von NIOF wollen nun künstliche Bedingungen für eine ganzjährige Laichzeit schaffen, um die Zucht weiter anzukurbeln. Erste Ergebnisse der Versuche werden als ermutigend beschrieben. Im August, als die Außentemperatur in Alexandria 35 Grad Celsius erreichte, kühlte Eissas Team das Wasser in den Zuchtbecken auf 15 Grad herunter und dämpfte das Licht. Unter diesen Voraussetzungen laichen die Fische im Winter an der Nordküste Ägyptens.

"Wir haben sie überlistet", erklärte der Forscher. Die Fische hätten daraufhin 110.000 entwicklungsfähige Eier gelegt. Allerdings seien die Energiekosten zu hoch, um diese Methode dauerhaft umzusetzen. (Ende/IPS/ck/2010)


Links:
http://www.niof.sci.eg/
http://www.ipsnews.net/news.asp?idnews=53595


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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 19. November 2010
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veröffentlicht im Schattenblick zum 20. November 2010