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LATEINAMERIKA/222: Paraguay - Land- und Forstwirtschaft gegen Umwelt und Menschen (FUE Rundbrief)


Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 3/2021

Land- und Forstwirtschaft gegen Umwelt und Menschen
Soja, Eukalyptus und Vieh als Treiber von Entwaldung und Landkonflikten in Paraguay

von Mathias Walter


Paraguay hat eine der höchsten Entwaldungsraten der Welt. Laut den Vereinten Nationen sind rund 10% der Bevölkerung unterernährt, große Teile der indigenen Bevölkerung leben in extremer Armut. Die Ernährungs- und Armutssituation ist eng mit der Landkonzentration verbunden. Diese hat ihre Wurzeln in der Zeit der Militärdiktatur (1956-1989) und verfestigt und verschärft sich derzeit mit der Expansion eines auf Monokulturen, gentechnisch verändertem Soja und Viehzucht basierenden Agroexportmodells.

In den Neunzigerjahren setzte in Paraguay ein Sojaboom ein, der immer noch anhält. Ackerland wurde immer wertvoller und wird bis heute von Investoren großflächig aufgekauft. Das erste gentechnisch veränderte Sojassatgut, das nach Paraguay gelangte, wurde hauptsächlich aus Argentinien und teilweise aus Brasilien geschmuggelt. Ab dem Jahr 2004 wurde es vom Staat legalisiert. Die heute angebaute Soja ist fast vollständig gentechnisch verändert und wächst auf zuvor nicht landwirtschaftlich genutzten Gebieten. Wichtigster Treiber für den Anbau war die rasant wachsende Nachfrage nach Soja für Futtermittel zunächst in der EU und später in Asien, vor allem China. Die kleinbäuerliche Landwirtschaft hat keine politische Priorität und leidet unter einem Mangel an Investitionen, während die industrielle Landwirtschaft von Anreizen, Steuerbefreiungen und dem erleichterten Zugang zu Krediten profitiert und die Umwelt- und Arbeitsvorschriften kaum eingehalten werden (müssen). Das Ergebnis ist ein Agrarmodell, das die Konzentration von Land, Reichtum und politischer Macht in wenigen Händen sowie die Aufgabe und Abwanderung ehemaliger Kleinbauern und -bäuerinnen in Städte begünstigt.

Viele der Großbetriebe gehören Unternehmern mit brasilianischem Ursprung, die über 100.000 Hektar Fläche bewirtschaften. 85% des Ackerlands sind mittlerweile in der Hand von nur 2,5% der LandbesitzerInnen. Die Landkonflikte führen zu zahlreichen gewaltsamen Übergriffen und Menschenrechtsverletzungen gegen Kleinbauern und -bäuerinnen, die sich gegen Vertreibungen wehren oder dagegen, dass sie in der Umgebung von Sojaplantagen mit Pestiziden besprüht werden.

Bedrohte Biodiversität in Paraguay

Die Anbaufläche für Sojabohnen in Paraguay hat sich in den letzten zehn Jahren auf 80% der landwirtschaftlichen Nutzfläche verdoppelt, zum Großteil im Osten und auf Kosten der Kleinbauern und -bäuerinnen und einheimischen Familien. In den meisten Fällen verkauften oder verpachteten diese Familien ihre Grundstücke, nachdem sie von Soja umgeben und gezwungen waren, mit dem ständigen Versprühen von giftigen Agrochemikalien zu leben.[1] Gleichzeitig führt die massive Abholzung zur beschleunigten Degradierung des Atlantischen Regenwaldes, von dem heute nur noch 13% der ursprünglichen Fläche existieren. Obwohl seit 2004 der Atlantische Wald gesetzlich geschützt und die Abholzung verboten ist, holzte z. B. der brasilianische Sojaunternehmer Rodriguez Teixeira dort zwischen 2011 und 2020 20.000 Hektar ab.

In Paraguay sind alle Irrwege der Land- und Forstwirtschaft sowie des Klimaschutzes der letzten Jahrzehnte zu beobachten, die letztlich zur Zerstörung von Ökosystemen, zu Hunger und zur Klimakrise beigetragen haben.

Die Geschichte der Abholzung des Atlantikwaldes ist eine Geschichte der Nichteinhaltung von Umweltgesetzen und konkurrierender wirtschaftlicher Interessen. Dabei wird die reiche Artenvielfalt des Atlantischen Regenwaldes völlig außer Acht gelassen: mehr als 2.000 Tierarten, darunter mehr als 930 Vogelarten, und über 20.000 Pflanzenarten. Auf nur einem Hektar des Atlantischen Waldes wurden bis zu 450 Baumarten gezählt. Durch die Abholzung der Wälder für die Landwirtschaft und die Jagd hat sich die Zahl der Arten um mehr als 70% verringert. Auch die rasche Ausdehnung der Viehzucht führt zu den höchsten Entwaldungsraten der Welt, insbesondere in der westlichen Gran Chaco-Region. Die Nachfrage nach Rindfleisch, Leder und Holzkohle treibt die Entwaldung des artenreichen Trockenwald-Ökosystems voran. Schätzungen zufolge verschwinden die Wälder der Region schneller als alle anderen natürlichen Wälder der Erde. Eine Analyse der NASA ergab, dass zwischen 1985 und 2016 etwa ein Fünftel der Wälder des Gran Chaco in Ackerland oder Viehweiden umgewandelt wurden. 2012 begann die paraguayische Nichtregierungsorganisation Guyra Paraguay ein Satellitenüberwachungsprogramm, das monatlich über den Waldverlust im Gran Chaco berichtet. Demnach wurden zwischen 2012 und Mitte 2018 mehr als 2,9 Millionen Hektar gerodet - durchschnittlich 446.000 Hektar pro Jahr.[2] Die Ausweitung der Ackerflächen für den Anbau von Soja verursacht zusätzlich die großflächige Entwaldung im Westen des Landes.

"Klimafinanzierung" für Monokultur-Baumplantagen

Wie in anderen südamerikanischen Ländern hat auch in Paraguay die Forstwirtschaft in den letzten Jahrzehnten stark zugenommen. Vor allem werden Eukalyptusbäume in Monokulturen gepflanzt. Seit 2018 fördert der derzeitige Präsident Mario Abdo Investitionen im Forstsektor und genehmigte den Bau einer großen Zellstofffabrik der Firma PARACEL, die jährlich 1,5 Millionen Tonnen Zellstoff für den internationalen Markt produzieren soll. Der künftige Holzbedarf der Zellstofffabrik PARACEL wird weitere große Eukalyptusplantagen erfordern.

Derzeit besteht der größte Bedarf an Biomasse in Paraguay in der Herstellung von Holzkohle für die Getreidetrocknung. Für die Trocknung der Sojabohnen, bevor sie in Silos gelagert werden, werden jährlich mehr als 500.000 Tonnen Holz verbrannt. Eine ähnliche Menge wird für die Trocknung von Weizen, Mais und anderen Getreidesorten benötigt.

Finanziert wird dies auch aus öffentlichen Geldern und sogar aus Töpfen, die eigentlich für Klimaschutzmaßnahmen gedacht sind. Der Green Climate Fund (GCF) beispielsweise hat bisher rund 102 Millionen US-Dollar für vier Projekte in Paraguay bereitgestellt.[3] Dazu gehört auch die Unterzeichnung einer höchst umstrittenen Kapitalbeteiligungsvereinbarung über 25 Millionen US-Dollar mit dem Private-Equity-Fonds Arbaro Fund, der in sieben Ländern Afrikas und Südamerikas mit 75.000 Hektar neuer Baumplantagen CO2 binden und Holz produzieren will. Arbaro Fund wurde von zwei deutschen Unternehmen, dem privaten Beratungsunternehmen UNIQUE land use GmbH und der Kapitalverwaltungsgesellschaft Finance in Motion gegründet.

Die beiden Investitionen von Arbaro Fund in Paraguay sind Forestal Apepu und Forestal San Pedro, deren Expansionspläne 2020 vom GCF genehmigt wurden. Arbaro ist seit 2019 alleiniger Eigentümer von Forestal Apepu. Das Unternehmen wird 6.059 Hektar Eukalyptusplantagen in Gebieten anlegen, die zuvor für Viehzucht und kommerzielle Landwirtschaft genutzt wurden. Arbaros Mitbegründer UNIQUE GmbH investiert in Paraguay in großem Umfang in PAYCO Forestry, das in Eukalyptusplantagen Brennholz zum Trocknen von Sojabohnen produziert. PAYCO besitzt in Paraguay 146.000 Hektar und ist damit der zweitgrößte Grundbesitzer des Landes.

Die Deutsche Investitions- und Entwicklungsgesellschaft (DEG), Tochtergesellschaft der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW), ist mit rund 16% am Agrarinvestor PAYCO beteiligt.[4] Wiederholt wurden auf Farmen von PAYCO Entwaldung und Landkonflikte mit Indigenen dokumentiert. Die staatliche Förderbank KfW will nicht über die menschenrechtlichen Folgen der Investition in Paraguay informieren. Daher reichte die Menschenrechtsorganisation FIAN mit Unterstützung des European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) beim Verwaltungsgericht Frankfurt am Main eine Auskunftsklage gegen die KfW ein.[5] Bei einem der Landkonflikte lebten zwei Indigenengemeinden vom Volk der Mbya Guarani innerhalb der von PAYCO verwalteten Farm Estancia Golondrina. Sie erheben Anspruch auf rund 2.015 Hektar Land der Estancia. Die Gemeinden hatten im Jahr 2013 formale Schritte eingeleitet, um das Land übertragen zu bekommen - bis heute ohne Erfolg.

Baumplantagen sind keine Lösung für das Klima

In Paraguay sind alle Irrwege der Land- und Forstwirtschaft sowie des Klimaschutzes der letzten Jahrzehnte zu beobachten, die letztlich zur Zerstörung von Ökosystemen, zu Hunger und zur Klimakrise beigetragen haben: Industrielle Baumplantagen auf Kosten von artenreichen Wäldern und Grasland, auf Kosten von Kleinbauern und -bäuerinnen und Indigenen. Sie sind wesentliche Ursache für Landraub, Wasserverschmutzung sowie Bodenverarmung. Während natürliche Waldökosysteme abgeholzt werden, werden industrielle Baumplantagen angelegt, um vorgeblich Kohlenstoff zu binden.

Der Autor ist in Paraguay geboren und aufgewachsen, ausgebildeter Industrie-Mechatroniker, Student der Politikwissenschaft und arbeitet bei Pro REGENWALD.



Anmerkungen

[1] https://news.mongabay.com/2021/10/paraguay-failed-to-stop-soy-farms-from-poisoning-indigenous-land-un-says
[2] https://www.earthsight.org.uk/grandtheftchaco-de
[3] https://www.greenclimate.fund/countries/paraguay
[4] https://www.spiegel.de/wirtschaft/entwicklungspolitik-auskunftsklage-gegen-staatsbank-kfw-a-077ce802-0002-0001-0000-000177967170
[5] https://www.fian.de/aktuelles/pressemitteilung-fian-und-ecchr-reichen-klage-gegen-kfw-foerderbank-ein


Hintergrund zur Einreichung der Klage von FIAN Deutschland auf Informationszugang bezüglich der Miteigentümerschaft der DEG am Agrarinvestor PAYCO
https://www.fian.de/wp-content/uploads/2021/07/2021_06_FIAN_Hintergrund_PAYCO-DEG.pdf

Green Climate Fund (GCF)
Arbaro Fund - Sustainable Forestry Fund, Projekt FP128
https://www.greenclimate.fund/project/fp128


Das Forum Umwelt & Entwicklung wurde 1992 nach der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung gegründet und koordiniert die Aktivitäten der deutschen NGOs in internationalen Politikprozessen zu nachhaltiger Entwicklung. Rechtsträger ist der Deutsche Naturschutzring, Dachverband der deutschen Natur-, Tier- und Umweltschutzverbände (DNR) e.V.

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Quelle:
Rundbrief 3/2021, Seite 21-23
Herausgeber:
Forum Umwelt & Entwicklung
Marienstr. 19-20, 10117 Berlin
Telefon: 030/678 17 75 920
E-Mail: info@forumue.de
Internet: www.forumue.de

veröffentlicht in der Online-Ausgabe des Schattenblick am 17. Juni 2022

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