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LATEINAMERIKA/043: Ecuador - Vulkan Tungurahua ruiniert Landwirtschaft, Bauern müssen umsatteln (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 20. Dezember 2010

Ecuador: Vulkan Tungurahua ruiniert Landwirtschaft - Bauern müssen umsatteln

Von Gonzalo Ortiz


Quito, 20. Dezember (IPS) - Die hohen Rauchsäulen, die aus dem Tungurahua-Vulkan in Ecuador aufsteigen, ziehen zahlreiche Schaulustige an. Für die Bewohner der umliegenden Städte und Dörfer ist das Naturereignis dagegen zum Albtraum geworden. Seitdem dicke Schichten von Vulkanasche Felder und Weiden bedecken, wissen die Bauern nicht mehr, wovon sie leben sollen.

Als der Tungurahua Ende November mehr Feuer, Lava und Asche ausspuckte als üblich, verließen etwa 1.500 Menschen vorsichtshalber die Städte Bilbao, Choglontús, Cusúa und Chacauco am Fuß des Westhangs des Vulkans. Anfang Dezember folgte ein heftiger Ausbruch, bei dem Dutzende Dörfer zerstört wurden. Wie durch ein Wunder kamen nur sechs Menschen ums Leben.

Viele Anwohner waren bereits seit langem vor den Gefahren gewarnt. In den vergangenen Jahren sind immer mehr Menschen von den Hängen des Vulkans in Richtung Tal gezogen. Sie kehrten jedoch regelmäßig in die höher gelegenen Gebiete zurück, um Anbau und Viehzucht zu betreiben.

"Sie kommen tagsüber zur Arbeit dorthin und gehen dann wieder nach Hause", sagte der Kleinbauer Sergio Paéz. "Was bleibt uns auch anderes übrig?" fragte sich Carmela Cando, die in dem Ort Cevallos 18 Kilometer von dem Vulkan entfernt lebt. "Wir haben dort ein paar Kühe und Kartoffeläcker. Wie sollen wir sonst zurechtkommen?"

Viele Leute sind in den letzten Wochen nach Cevallos gekommen, um sich vor Lava und Asche in Sicherheit zu bringen. Die Stadtverwaltung bemüht sich, den Zugezogenen neue Arbeitsperspektiven zu schaffen. "Ich war nicht gerade glücklich, als ich die langen Schlangen vor den Ämtern sah", erklärte Bürgermeister Bayardo Constante im Gespräch mit IPS. "Es gab nur zwei Möglichkeiten: Entweder sie wurden Bettler oder fingen an, etwas anderes zu produzieren."


Obsternten besonders stark betroffen

Die Situation ist nicht neu. Wie Constante berichtete, wuchsen in der Gegend früher viele Pfirsiche, Birnen, Äpfel und Pflaumen. In den letzten zwölf Jahren sei der Tungurahua jedoch häufig während der Blütezeit ausgebrochen. Dadurch seien die Ernten von zehn Jahren vernichtet worden.

Der Bürgermeister setzte sich dafür ein, technische und finanzielle Hilfe zu mobilisieren. Viele Einwohner der Stadt fanden dadurch eine andere Beschäftigung. Inzwischen ist Cevallos auch für seine Schuhproduktion bekannt, die zahlreiche Touristen anzieht.

Ein weiterer neuer Einkommenszweig ist die Zucht von Schweinen, Kaninchen und Meerschweinchen, wie Constante berichtete. Anders als größeres Vieh werden diese Tiere nicht auf Weiden gehalten, wo sie sich an der Vulkanasche zu vergiften drohen.

Der rund 5.000 Meter hohe Tungurahua, der im Zentrum des Landes an den östlichen Anden-Kordilleren etwa 160 Kilometer südlich der Hauptstadt Quito liegt, ist einer der aktivsten Vulkane Ecuadors.

"Zwischen 1918 und 1925 hatte er eine sehr aktive Phase. Seitdem hat sich die Lage etwas beruhigt", sagte Hugo Yépez, der Direktor des Geophysischen Instituts der Nationalen Polytechnischen Schule (IG-EPN), die die Vulkane überwacht.

"Erst 1999 brach der Tungurahua wieder aus und spuckte zunächst hauptsächlich Asche", erklärte der Ingenieur. Seitdem hätten sich Phasen starker Aktivität mit Ruhephasen abgewechselt. Rauch und Asche seien aber fast ununterbrochen ausgestoßen worden. Größere Eruptionen gab es im August 2006, im Februar 2008 und im Mai dieses Jahres.


Asche in weitem Umkreis verteilt

Wie viel Asche über der direkten Umgebung niedergeht, hängt von der jeweiligen Windrichtung ab. Da der Wind meistens aus Osten kommt, sind die angrenzenden Provinzen Tungurahua und Chimborazo häufig betroffen. Selbst die weiter entfernte Provinz Bolívar im Zentrum der Andenkette bekam die Auswirkungen noch zu spüren.

1999 war die gesamte Bevölkerung im Umland in Sicherheit gebracht worden. Auch 15.000 Einwohner der Touristenstadt Baños de Agua Santa mussten ihre Häuser verlassen. Die 1.800 Meter über dem Meeresspiegel gelegene Stadt ist ein beliebtes Ziel von Öko- und Abenteuertouristen.

Als die Einwohner von Baños de Agua Santa wieder zurückkehren durften, beschlossen sie, die Gefahr durch den Tungurahua als zusätzliche Touristenattraktion zu vermarkten. In den Restaurants werden seitdem auch 'Vulkansalat' und 'Vulkanfondue' sowie Cocktails mit so fantasievollen Namen wie 'Nächtliches Beben' serviert. (Ende/IPS/ck/2010)


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veröffentlicht im Schattenblick zum 21. Dezember 2010