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LATEINAMERIKA/010: Gletschersterben in den Andenstaaten - Forscher geben Mensch die Schuld (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 16. August 2010

Andenstaaten: Die Gletscher sterben - Forscher geben Mensch ganz klar die Schuld

Von Gonzalo Ortiz


Quito, 16. August (IPS) - Der Andengipfel Antisana, 50 Kilometer östlich der ecuadorianischen Hauptstadt, ist nicht nur ein spektakuläres Ziel für Bergsteiger, sondern mit seinem Gletscher Nummer 15 Alfa auch ein wichtiger Wasserspeicher Quitos. In den letzten 50 Jahren ist er aufgrund des Klimawandels um über ein Drittel geschrumpft. Andere Andengletscher sind ähnlich bedroht.

In einem gemeinsamen Projekt des französischen Forschungsinstituts für Entwicklung (IRD), des ecuadorianischen Instituts für Meteorologie und Hydrologie (INAMHI) und der Wasserbehörde Quito wird der Gletscher jedes Jahr gründlich vermessen. Mindestens 36 Prozent seiner Masse hat er innerhalb der letzten 50 Jahre eingebüßt.

Ähnlich sieht es am Cotopaxi aus, einem der höchsten aktiven Vulkane. Er habe zwischen 1976 und 2006 um die 40 Prozent ab Gletschermasse verloren, berichtet Bernard Francou vom IRD. Hinzu kommen weitere Andengipfel, die um 30 Prozent ihrer Eiskappen eingebüßt haben.


Gletschersterben

Am schwersten betroffen sind die Gletscherfelder unterhalb 5.400 Meter, wie etwa am Chacaltaya und Charquini in Bolivien, am Broggi, Yanamarey und Pastoruri in Peru und am Carihuairazo in Ecuador. Sie werden nach Schätzung der Wissenschaftler in zehn bis 20 Jahren völlig verschwunden sein.

Bolívar Cáceres, Leiter des seit 2000 laufenden INAMHI-Studienprojekts, hält noch eingehendere Studien der Veränderungen für erforderlich, die mit dem Klimawandel in Verbindung gebracht werden. Es gebe Zusammenhänge mit der globalen Erwärmung, "die wir noch nicht gut genug verstehen".

Die Umweltingenieurin Margarita Arias arbeitet an ihrer Magisterarbeit über den Antisana-Gletscher. Sie setzt mathematische Modelle ein, um herauszufinden, welche der meteorologischen Faktoren wie Temperatur, Windgeschwindigkeit, Sonneneinstrahlung den größten Einfluss auf die Gletscherschmelze hat.


Der Mensch als Verursacher

Der Zusammenhang mit dem Klimawandel sei zwar bekannt, "jetzt kommt es darauf an, seine Auswirkung exakt zu bestimmen", meint Cáceres. Sein Kollege Francou erläutert, dass der Rückgang der Gletscher ein wichtiger Indikator des globalen Klimawandels ist. In den Anden seien in den letzten 35 Jahren radikale Veränderungen zu beobachten, auch wenn die Gletscher seit etwa 1880 bereits an Masse verlören.

"Der dramatische Rückgang der Gletscher in den vergangenen Jahrzehnten ist auf menschliche Aktivitäten zurückzuführen, er ist eine Folge des fehlerhaften Umgangs mit Energie, an dem unsere heutige Zivilisation festhält", so Francou, Autor zahlreicher Veröffentlichungen zum Thema und Mitarbeiter am aktuellen Bericht des Weltklimarats IPCC.

Gemeinsam mit seinen Kollegen hat er eine umfangreiche Sammlung von Eisproben aus verschiedenen Schichten der Gletscher angelegt. Mit ihrer Hilfe konnten sie die Entwicklung des Klimas der letzten 20.000 Jahre rekonstruieren und Modelle für Gegenwart und Zukunft erstellen.


Steigende Schneegrenze

Unter Miteinbeziehung weiterer Quellen und Messungen haben die Gletscherforscher errechnet, dass die permanente Schneegrenze in den Anden von Anfang des 18. Jahrhunderts bis ins frühe 20. Jahrhundert konstant bei 4.750 bis 4.800 Meter lag. Dann verlagerte sie sich schließlich in höhere Gefilde, bis sie 1975 bei 4.900 bis 4.950 Meter lag.

Danach stieg sie rapide an und liegt heute bei 5.100 Meter. Die wenigen Gletscher, die in Ecuador noch unterhalb dieser Höhe existieren, werden nach Ansicht der Wissenschaftler innerhalb der nächsten Jahrzehnte verschwinden. Aussagen über die Gletscher oberhalb von 5.100 Metern wären reine Spekulation, wie Francou betont. Für gesicherte wissenschaftliche Aussagen reiche die Datenbasis nicht aus.

"Dennoch: Das Klima liegt in unserer Verantwortung, " betont der Wissenschaftler. "Wir müssen alles in unserer Macht stehende tun, um den Trend umzukehren - jeder nach seinen Möglichkeiten." (Ende/IPS/sv/2010)


Links:
http://www.ird.fr/
http://www.inamhi.gov.ec/html/inicio.htm
http://www.ipcc.ch/
http://www.ipsnews.net/news.asp?idnews=51813

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Quelle:
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veröffentlicht im Schattenblick zum 18. August 2010