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LANDWIRTSCHAFT/140: In 80 Nutzpflanzen um die Welt - Auf die Nuss gekommen (DER RABE RALF)


DER RABE RALF
Nr. 228 - Juni / Juli 2022
Die Berliner Umweltzeitung

Auf die Nuss gekommen
In 80 Nutzpflanzen um die Welt - Teil 5: Nüsse, Kerne und Samen

von Anke Küttner und Sandra Kolberg


Im fünften Teil unserer Reise um die Welt in 80 Nutzpflanzen geht es um die Nuss. Dabei ist nicht alles, was wir für eine Nuss halten, tatsächlich eine Nuss. Haselnuss, Mandel, Erdnuss, Cashew, Kokosnuss, Sonnenblumenkern - nur eine ist eine echte Nuss!

Die einzige echte Nuss im Bunde ist die Haselnuss. Sie wächst schon seit Jahrtausenden bei uns und ist in vielen Gärten zu Hause, was die Pollenallergiker im Frühjahr nur bestätigen können. Damit ist auch schon die Art der Bestäubung geklärt. Die Haselnuss wird überwiegend vom Wind bestäubt. Das heißt aber nicht, dass sich nicht auch Bienen über die Pollen freuen.


Leckere Haselnuss

Die Haselnuss bietet sich wie andere Nussbäume zum nachhaltigen Anbau an. Die Bäume stehen über Jahrzehnte. Haselbäume oder Haselsträucher sind heute auch oft Teil der Agroforstwirtschaft. Dabei wird Feldanbau oder Tierhaltung mit Gehölzen kombiniert, die Schatten und Lebensraum spenden. So sparen auch die Bäuer*innen Wasser und erweitern gleichzeitig die Erntemöglichkeiten bis hin zum Holz.

Die meisten Haselnüsse kommen heute aus der Türkei, gefolgt von Italien. Beide Anbauregionen haben mit den Folgen des Klimawandels zu kämpfen. Doch Klimawandel ist nicht das einzige Problem der leckeren Nuss.

Vor allem der Marktführer Türkei macht immer wieder mit Schlagzeilen zu Kinderarbeit bei Haselnussanbau und -ernte auf sich aufmerksam. Immer wieder werden auf den Plantagen Kinder entdeckt, die zusammen mit ihren Eltern Haselnüsse ernten. Schätzungen zufolge sind bis zu 10 Prozent der Erntehelfer*innen unter 15 Jahre und über 40 Prozent 15 bis 18 Jahre alt. Laut den türkischen Gesetzen, die genau dies verbieten, arbeitet also rund die Hälfte nicht legal auf den Plantagen. Da die Eltern meist aus dem von Armut geprägten Südosten der Türkei kommen, bringen sie ihre Kinder mit in die Anbauregionen im Norden. Erleichtert wird dies dadurch, dass sich Erntesaison und Sommerferien stark überschneiden. Etwa ein Drittel der geernteten türkischen Haselnüsse landet übrigens in einem beliebten Aufstrich. Global gesehen wird etwa jede vierte Haselnuss zu Nussnugatcreme von nur einer Firma verarbeitet.


Neu angelegter Haselnussgarten im Norden der Türkei am Schwarzen Meer (Panoramaaufnahme aus der Luft oder von einem höher gelegenen Ort) - Zeynel Cebeci, via Wikimedia Commons - CC BY-SA 4.0 - https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0

Neu angelegter Haselnussgarten im Norden der Türkei am Schwarzen Meer.
Zeynel Cebeci, via Wikimedia Commons - CC BY-SA 4.0
https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0


Durstige Mandeln

Auch im Studentenfutter ist die Haselnuss neben vielen anderen wie Cashew, Walnuss, Erdnuss oder Mandel enthalten. Das war nicht immer so, im 17. Jahrhundert waren es nur Rosinen und Mandeln. Diese sind botanisch gesehen keine Nüsse, sondern Steinfrüchte und zum Beispiel mit den Kirschen verwandt. Schon damals waren die Mandeln weit gereist, was die Mischung zu einem Luxusgut machte. Die Studenten konnten sich das leisten, denn auch Studieren war Luxus und den Söhnen der Wohlhabenden vorbehalten.

Auch heute kommen die Mandeln von weit her. Mit Abstand die meisten produzieren die USA und dort in erster Linie Kalifornien. Weltweit kommen vier von fünf Mandeln aus Kalifornien, und das hat seinen Preis. Die durstigen Mandelbäume verschlingen Unmengen an Wasser. Durch den Anbau von Mandeln und anderen Nutzpflanzen ist der Grundwasserspiegel bei Trockenheit an manchen Orten in Kalifornien in den letzten 100 Jahren um bis zu 200 Meter gesunken. Oft genug folgt dann der Boden samt Haus und Hof. So ist das San Joaquin Valley zwischen 1925 und 1977 um neun Meter abgesackt. Die Prognosen des Weltklimarats für die Region zeigen eine stetige weitere Verschärfung der Dürren.

Hier versiegt also nach und nach eine Quelle für Studentenfutter, aber auch für Ersatzmilch, Mehl oder Nuss-Butter. Für Marzipan und anderes Gebäck werden da auch schon mal die billigeren Aprikosenkerne - ebenfalls Steinfrüchte - verwendet.


Saure Cashew, süße Kokosnuss

Auch die Cashew ist keine Nuss, sondern ein Kern, der außen an einer Frucht hängt, dem Cashewapfel. Sie kommt mit ihrem ganz eigenen Sack an Problemen daher. Das Gute an der Cashew ist, dass auch der Apfel und nicht nur der Kern gegessen werden kann. Die Ernte und die Verarbeitung sind allerdings höchst kompliziert. Zwangsarbeit und häufige Verbrennungen durch Säureabsonderungen der Cashew machen einen Blick auf die Verpackung wichtig: Wo kommen die Cashews her? Fairtrade ist bei dieser Frucht der einzige Weg.

Die Kokosnuss ist ebenfalls keine Nuss, sie ist eine Steinfrucht. Wer könnte bei ihrem Anblick auch etwas anderes vermuten! Kokosnüsse wachsen auf Palmen - wer denkt da nicht sofort an eine tropische Insel? Zwischen zwei Palmen schwingt sanft die Hängematte über weißem Sand, das Meer rauscht und man lässt sich einen leckeren Drink in einer Kokosnuss samt Strohhalm und Schirmchen schmecken. Allerdings ist es nicht so idyllisch, wie es klingt.


Alte Kokosnussplantage auf der Pazifikinsel Efate. Jean Van Jean, via Wikimedia Commons - CC BY 3.0 - https://creativecommons.org/licenses/by/3.0

Alte Kokosnussplantage auf der Pazifikinsel Efate.
Jean Van Jean, via Wikimedia Commons, CC BY 3.0
https://creativecommons.org/licenses/by/3.0

Der Anbau auf Plantagen in Süd- und Südostasien ist kaum weniger problematisch als der Anbau der Ölpalme - wobei die Kokospalmen häufiger in Kombination mit anderen Pflanzen und insgesamt weniger angebaut werden. Vielleicht sind beides Gründe dafür, dass der Ruf des Kokosöls deutlich besser ist als der des Palmöls. Dennoch ist auch die Kokosnuss verantwortlich für den Verlust von Lebensraum und Tierarten im Regenwald. Wie stark, das ist umstritten. Fest steht aber, dass der Flächenverbrauch zur Gewinnung eines Liters Kokosöl deutlich größer ist als für einen Liter Palmöl.


Sonnige Kerne, flüssiges Gold

Palmen wachsen bei uns nicht, Sonnenblumen schon. Sie dürfen beim Thema Pflanzenöl natürlich nicht fehlen. Sonnenblumenkerne sind manchmal auch im Studentenfutter oder Nussmischungen enthalten. Häufiger ist allerdings die Verarbeitung der fettreichen Samen, genauso wie der heimischen Rapssamen, zu Öl. Doch das allermeiste Öl in unseren Supermärkten kommt leider nicht aus Deutschland. Wie abhängig wir beim Speiseöl von anderen Anbauländern sind, zeigt sich gerade - es ist kein schwarzes, sondern gelbes Gold.

Was ist nun wirklich eine Nuss? Eine echte Nuss zählt zu den Schließfrüchten. Diese fallen gut geschützt in ihrer Schale vom Baum, wenn sie reif sind. Dabei ist die Nuss - eigentlich der Samen - von einer verholzten, mehrschichtigen Hülle eingeschlossen. 2006 wurde übrigens die Walnuss von der Steinfrucht zur echten Nuss befördert - mikroskopischen Untersuchungen der Hülle sei Dank.

Beim nächsten Mal geht es in unserer siebenteiligen Reihe um eine vermeintliche Nuss, die auch keine Nuss ist - die Erdnuss - und um andere Hülsenfrüchte.


Das Projekt In 80 Nutzpflanzen um die Welt wird durch Engagement Global mit Mitteln des Bundesentwicklungsministeriums gefördert.

Weitere Informationen:
80nutzpflanzen.grueneliga-berlin.de

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Quelle:
DER RABE RALF
33. Jahrgang, Nr. 228, Seite 12
Herausgeber:
GRÜNE LIGA Berlin e.V. - Netzwerk ökologischer Bewegungen
Prenzlauer Allee 8, 10405 Berlin-Prenzlauer Berg
Redaktion DER RABE RALF:
Tel.: 030/44 33 91-47/-0, Fax: 030/44 33 91-33
E-mail: raberalf@grueneliga.de
Internet: www.raberalf.grueneliga-berlin.de
 
Erscheinen: zu Beginn gerader Monate
Abonnement: jährlich, 25 Euro

veröffentlicht in der Online-Ausgabe des Schattenblick zum 2. Juli 2022

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