Universität Innsbruck - 20.09.2022
Klimageschichte Indiens: Megadürren im Monsungebiet
Ein internationales Forscher*innen-Team mit Beteiligung des Innsbrucker Geologen Christoph Spötl konnte anhand von Tropfsteinen erstmals den Monsun des letzten Jahrtausends im Nordosten Indiens im Detail rekonstruieren. Die heute niederschlagreichste Region der Erde durchlitt einst mehrere Megadürren mit massiven Hungersnöten. Damit bestätigt das Team nicht nur überlieferte Chroniken, sondern zeigt die potenziell große Dynamik von Monsunsystemen, deren Ausmaß sich durch den anthropogenen Klimawandel künftig noch weiter verstärken wird.
Der Bundesstaat Meghalaya im Nordosten Indiens gilt als die niederschlagsreichste Region der Erde mit etwa 11 Metern Niederschlag pro Jahr. Verursacht werden die enormen Regenmengen vor allem durch den indischen Sommermonsun, der in diesem Gebiet vom Meer kommend auf das Himalaya-Gebirge trifft und ausregnet. "Bleibt dieser Monsun allerdings aus, gibt es auch keine Ernte. Aus historischen Aufzeichnungen und Chroniken ist bekannt, dass es in den letzten Jahrhunderten immer wieder langanhaltende Dürren gab, die zu Hungersnöten aber auch immer wieder zu politischen Umwälzungen führten", erklärt Christoph Spötl, Leiter der Arbeitsgruppe für Quartärforschung am Institut für Geologie der Universität Innsbruck. Seit Beginn der instrumentellen Messung von meteorologischen Daten im Jahr 1871 ist ein solches Ereignis allerdings nicht mehr dokumentiert worden. In der nun im Fachmagazin PNAS (Proceedings of the National Academy of Sciences) veröffentlichten Studie mit Leitautorin Gayatri Kathayat von der Xi'an Jiaotong University legt das Team nun eine präzise Rekonstruktion der Niederschlagsentwicklung des indischen Monsuns der letzten 1000 Jahre vor.
Mithilfe der Analyse von Höhlenablagerungen aus der Region Meghalaya
im Nordosten Indiens konnte das internationale Forscher*innen-Team die
Geschichte von Monsun und Dürre der letzten 1000 Jahre präzise
nachzeichnen.
Foto: © Gayatri Kathayat
Die Daten für die Rekonstruktion des indischen Sommermonsuns lieferten
Tropfsteine aus der Mawmluh-Höhle in Meghalaya. "Wir nutzen diese
Höhlenablagerungen als Klimaarchiv, da darin bis teilweise sehr weit
in die Vergangenheit hinein Schicht für Schicht Klimainformationen
gespeichert sind, die uns erlauben, wie in einem Geschichtsbuch zu
blättern. In dieser Höhle konnten wir gleich zwei sehr 'gute'
Stalagmiten finden: Sie ermöglichten uns einen Blick in die
Entwicklung der indischen Monsunniederschläge des letzten Jahrtausends
mit einer sehr genauen Auflösung bis hin zu einzelnen Jahren",
verdeutlicht Spötl. Dazu ermitteln die Forscher*innen
Sauerstoffisotopen-Daten aus den Höhlen-Ablagerungen, die in
Niederschlagsmengen 'übersetzt' werden können. Die Ergebnisse zeigen
ein sehr dynamisches Bild, wie Christoph Spötl erklärt: "Seit Beginn
der Aufzeichnungen mit Messgeräten war der Monsun relativ konstant.
Wenn wir weiter in die Vergangenheit schauen, sehen wir allerdings,
dass es im vergangenen Jahrtausend häufig zu langanhaltenden
Dürreperioden kam und somit der Monsun fast komplett ausblieb." Die in
den Tropfsteinen nachgewiesenen Extremereignisse decken sich auffällig
mit historisch dokumentierten Dürren, Hungersnöten und großen
geopolitischen Veränderungen in Indien. "Unsere Paläo-Daten zeigen
aber auch, wie dynamisch Monsun-Systeme auf längeren Zeitskalen sein
können. Da wir wissen, dass sich aufgrund des menschengemachten
Klimawandels Extremereignisse bereits jetzt häufen ist mit massiven
Überschwemmungen - auf lange Sicht allerdings auch möglicherweise mit
Dürren zu rechnen, die sich wie in der Vergangenheit über mehrere
Jahrzehnte ziehen können", gibt Spötl zu bedenken. "Wir plädieren
daher dafür, diese Erkenntnisse aus der Klimageschichte des größten
Monsun-Systems der Welt sowohl in zukünftige Klimamodellierungen als
auch in politische Entscheidungen für Anpassungsstrategien einfließen
zu lassen".
Arbeitsgruppe für Quartärforschung am Institut für Geologie der
Universität Innsbruck:
https://quaternary.uibk.ac.at/
Publikation:
Protracted Indian Monsoon droughts of the past millennium and their
societal impacts.
Gayatri Kathayata, Ashish Sinhab, Sebastian Breitenbach, Liangcheng
Tand, Christoph Spötl et al.,
PNAS 2022, Vol. 119 - DOI: 10.1073/pnas.2207487119
https://www.pnas.org/doi/full/10.1073/pnas.2207487119
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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Universität Innsbruck - 20.09.2022
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de
veröffentlicht in der Online-Ausgabe des Schattenblick am 21. September 2022
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