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KLIMA/452: Zivilgesellschaft kann Übergang zu 'grünen' Volkswirtschaften beschleunigen (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 04. Dezember 2015

Klima: Zivilgesellschaft kann Übergang zu 'grünen' Volkswirtschaften beschleunigen

Gastbeitrag von Hazel Henderson*

Bild: privat

Hazel Henderson
Bild: privat

ST. AUGUSTINE, FLORIDA (IPS) - Zivilgesellschaftliche Organisationen nutzen ihre Unabhängigkeit von Regierungen seit Jahrzehnten dazu aus, Beamte, Politiker und Unternehmer mit der Nase auf Klimaprobleme zu stoßen. Altgediente Organisationen wie 'Greenpeace', 'Friends of the Earth', 'Oxfam', die kenianischen Teepflanzer, die 'Tree Hugger' in Indien oder Bewegungen von Indigenen auf der ganzen Welt haben als erste den Schutz der Erde und ihrer Atmosphäre gefordert.

Diese frühen Aktivisten waren sich darüber einig, dass die übermäßige Ausbeutung von Ressourcen und die soziale Ungleichheit im Laufe der Jahrhunderte immer wieder Gesellschaften zu Fall gebracht haben. Bücher wie 'The Collapse of Complex Societies' von Joseph Tainter (1990), 'Collapse' von Jared Diamond (2011) und 'Why Nations Fall' von James Robinson (2013) sowie neuere Computermodelle wie 'HANDY' ('Human and Nature Dynamics') bestätigen die todbringenden Auswirkungen von Ressourcenplünderung und Ungleichheit.

Eliten erlangen Macht über Völker und erfahren solange keine Reaktion auf ihre Art und Weise der Nutzung von Rohstoffen, bis Ökosysteme vollständig erschöpft sind oder Volksaufstände zu den im Laufe der Geschichte dokumentierten Zusammenbrüchen führen. Sozialer Wandel geht nur selten von Eliten aus, da die Mächtigen, anders als die breite Bevölkerung, nicht mit Problemen wie Hunger, Umweltverschmutzung und Ressourcenknappheit konfrontiert sind. Veränderungen kommen von den Rändern der Gesellschaft, von den Ausgegrenzten und Ausgeschlossenen, die in den Strategiediskussionen von Regierungen und Wirtschaft keine Stimme haben.


NGOs als Speerspitze des sozialen Wandels

Zivilgesellschaftliche und Freiwilligenorganisationen sind daher die Speerspitze des sozialen Wandels geworden. Unter den Organisationen, die seit Jahrzehnten in der Klimadebatte den Ton angeben, sind das 'Carbon Disclosure Project' (CPD), das 'Rocky Mountains Institute', 'Natural Capital Solutions', 'Carbon Tracker' und der 'Club of Rome', dem allerdings Eliten angehören. Vorangetrieben werden die Diskussionen letztlich durch Gruppen, die sich für soziale und ökologische Gerechtigkeit einsetzen: von Ureinwohner-Netzwerken in aller Welt, Währungsreformern, an Ethik orientierten Investoren und in der jüngeren Vergangenheit auch von religiösen Gruppen unter der Führung von Papst Franziskus.

Die offizielle Klimadebatte bei den UN-Gipfeln konzentrierte sich bisher auf das 1997 beschlossene Kyoto-Protokoll, das leider zu einem ineffizientem Handel mit Klimazertifikaten geführt hat. Während einige Akteure in der Finanzwelt gut an diesen Geschäften verdient haben, ist es dadurch nicht gelungen, die Ausstoß von CO2 und anderen Treibhausgasen zu verlangsamen oder gar zu reduzieren.

Auf dem UN-Klimagipfel 2009 in Kopenhagen gab es Schuldzuweisungen zwischen den Staaten, die Alternativen zu fossilen Brennstoffen entwickelt hatten und den Ländern, die immer noch ihren eigenen Weg suchen. Das Kyoto-Protokoll war weitgehend dafür verantwortlich, dass es zu einer Pattsituation kam. Die größte Chance für eine Eingung wurde nicht ergriffen. Sie hätte darin bestanden, den globalen Übergang zu CO2-armen Volkswirtschaften zu beschleunigen, die sich auf erneuerbare Energien stützen und von der Ära der fossilen Brennstoffe aus ein Solarzeitalter ansteuern.

Auch jetzt während des Pariser Klimagipfels sind NGOs richtungsweisend beim Übergang zu Volkswirtschaften, die zu hundert Prozent erneuerbare Energien nutzen und die gesamte Gesellschaft am bevorstehenden 'grünen' Wohlstand beteiligen wollen. Für die +20-Agenda in Rio de Janeiro setzten sich im Jahr 2012 brasilianische Gruppen, die 'Rainforest Alliance', das 'Committee on Sustainability Assessment', das 'World Resources Institute', das 'Biomimicry Institute', das 'International Institute for Sustainable Development' und viele andere ein.

Immerhin werden die Ressourcenausbeutung und die Ungleichheit inzwischen als Hindernis für das Überleben und die Fortentwicklung der Menschheit anerkannt. Dieses tödliche Duo steht im Fokus der 17 Nachhaltigkeitsziele (SDGs), die von den 193 UN-Mitgliedsstaaten am Sitz der Vereinten Nationen im September in New York beschlossen wurden.


Neues inklusives Entwicklungsmodell löst CO2-basierte Wirtschaft ab

Dieses neue inklusive Entwicklungsmodell tritt an die Stelle des obsoleten Wirtschaftsmodells, das sich am Bruttoinlandsprodukt (BIP) und den Subventionen für fossile Energien orientiert. Inzwischen erkennen laut dem 'JUST 100'-Index der gerechtesten Unternehmen zwar 66 Prozent aller Firmen die Klimaforschung an. 95 Prozent von ihnen gehören allerdings nach wie Handelsorganisationen an, die offensichtlich den Fortschritt behindern. Zumindest werden allmählich die Subventionen abgebaut, die die globale Erderwärmung gefördert haben.

Solar-, Wind- und Wellenenergie, Geothermie und Energieeffizienz erweisen sich als kostengünstiger als unsubventionierte fossile Brennstoffe und Atomkraft. Die neuen NGOs setzen sich dafür ein, die Technologien des Solarzeitalters bekannter zu machen. Laut dem 2009 eingeführten 'Green Transition Scoreboard' belaufen sich private Investitionen in 'grüne' Wirtschaftsbereiche weltweit mittlerweile auf 6,22 Billionen US-Dollar.

Das HIFI-Tool von 'Helio International' kann Investoren zu den Staaten führen, in denen die Neuerungen des Solarzeitalters besonders willkommen sind. In den meisten Fällen handelt es sich um Entwicklungsländer, die nicht durch eine veraltete Infrastruktur behindert werden und direkt zu den 'grünen' Technologien wechseln könnten. Von störungsanfälligen nationalen Stromversorgernetzen führt der Weg zu einer dezentralen Energieerzeugung aus Sonnen- und Windkraft auf lokaler Ebene.

Aktionäre und Pensionsfonds verlagern Investitionen in den 'grünen' Sektor. NGOs können diese Entwicklung dazu nutzen, auf dem Klimagipfel gemeinsam mit ihren neuen Verbündeten den globalen Übergang zu einer Wirtschaft der Zukunft zu beschleunigen. (Ende/IPS/kf/04.12.2015)


* Hazel Henderson ist Vorsitzende von 'Ethical Markets Media' (USA und Brasilien) und Autorin mehrerer Bücher, darunter 'Mapping the Global Transition to the Solar Age'.


Link:

http://www.ipsnews.net/2015/12/opinion-ngos-still-leading-the-global-debate-on-climate/

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 04. Dezember 2015
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veröffentlicht im Schattenblick zum 8. Dezember 2015

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