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KLIMA/199: Barbuda wird vom Meer weggewaschen (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 5. Dezember 2012

Klima: Barbuda wird vom Meer weggewaschen

von Desmond Brown


Ein Frachtkahn transportiert Sand aus Barbuda - Bild: © Desmond Brown/IPS

Ein Frachtkahn transportiert Sand aus Barbuda
Bild: © Desmond Brown/IPS

Codrington, Barbuda, 5. Dezember (IPS) - Die Karibikinsel Barbuda könnte innerhalb der nächsten Jahrzehnte dem Klimawandel zum Opfer fallen, warnen lokale Wissenschaftler. Als Gefahren nennen sie Erosion und schwindende Süßwasserquellen. Auch der kontinuierliche Abbau von Sand ist ein Problem für das Überleben der Insel.

"Wir sind klein und flach", sagt der Meeresbiologe John Mussington. "Wenn sich die Vorhersagen der Klimawissenschaftler bewahrheiten, dann wird der Meeresspiegel soweit ansteigen, dass ein Drittel der Insel nicht mehr für die bisherigen Zwecke genutzt werden kann."

Barbuda bildet zusammen mit der Nachbarinsel Antigua einen Inselstaat. Barbuda ist 161 Quadratkilometer groß und damit halb so groß wie der Stadtstaat Bremen. Strand erstreckt sich vom Norden bis zum Süden. Doch bleibt immer weniger davon übrig: Die größte Industrie der Insel ist der Abbau von Sand. Ein Großteil wird exportiert. Sand wird beispielsweise zur Herstellung von Zement genutzt, aber auch zur Aufschüttung anderer Strände.

"Wir haben hier Land, Sand und Wasser; wenn man einen Teil aus dem System heraus nimmt, entsteht ein Schiefstand", so Mussington. Das Ökosystem bemüht sich um einen Ausgleich, und Sand wandert aus anderen Gegenden ab. Das hat zu Erosion auch an der Küste Barbudas geführt - zusätzlich zu der Erosion, die durch den Anstieg des Meeresspiegels bedingt wird. "Früher gab es hier noch Weinstöcke und Kokosnussbäume, aber in den letzten Jahren ist die Vegetation praktisch ins Wasser gefallen", sagt Mussington. Der Strandstreifen werde auf Dauer immer schmaler.

Durch den Sandabbau wird das Land zudem immer flacher. "Die Fläche, die bei Stürmen überflutet wird, vergrößert sich", sagt Mussington. Vor drei Jahren sei diese Fläche über mehrere Wochen überflutet gewesen. Die Inseln Antigua und Barbuda haben in den vergangenen Jahren immer wieder mit Extremwetterlagen zu kämpfen gehabt. Und diese werden sich Klimatologen zufolge in den kommenden Jahrzehnten noch weiter häufen. Neben heftigen Stürmen mit teils starken Niederschlägen gehören dazu auch lange Dürreperioden.


Landwirtschaft schützen

Brian Cooper, Leiter der Umweltaufklärungsgruppe (Environmental Awareness Group) für Antigua und Barbuda, erklärt, dass Extremwetterereignisse Traumata bei Betroffenen auslösen können. Außerdem litten Landwirtschaft und Wirtschaft im Allgemeinen. "Mit Blick auf das zu erwartende Bevölkerungswachstum müssen wir uns in erster Linie um die Landwirtschaft und unsere Lebensmittelversorgung kümmern." Den Vorhersagen zufolge wird der Klimawandel in den kommenden Jahrzehnten viel von den bisher landwirtschaftlich genutzten Flächen unfruchtbar machen.

"Wir müssen unabhängiger von Nahrungsmittelimporten werden", fordert Cooper. Daher müsse auch die Praxis, immer mehr landwirtschaftliche Fläche in Baugrundstücke umzuwidmen, kritisch überprüfen. "Wir haben es schon viel zu weit getrieben."

Auch die Wasserversorgung ist ein Problem. "Wenn es zu lang anhaltenden Dürren kommt, dann beeinträchtigt das die Nahrungsmittelproduktion." Die Maßnahmen zur Entsalzung von Meerwasser reichen Cooper zufolge nicht aus. "Die Entsalzung ist einfach zu teuer, um sie großflächig für die Landwirtschaft einzusetzen." Barbuda müsse sich endlich auch mit anderen Möglichkeiten auseinandersetzen, Oberflächen- oder Grundwasser zu nutzen. Doch selbst das Grundwasser ist gefährdet, durch eindringendes Meerwasser zu versalzen.

"Niederschlag und Trockenzeiten - wir haben jetzt auch schon sich abwechselnde Wetterzyklen. Aber durch den Klimawandel wird es mehr Extremsituationen geben", betont Dale Destin, Klimatologe des Meteorologischen Dienstes von Antigua und Barbuda. In den vergangenen zwei Jahren sei das Klima des Inselstaates feuchter als gewöhnlich gewesen. Jetzt folge aller Voraussicht nach eine milde Trockenperiode.


Wissenschaftler fordern Anpassungsmaßnahmen

Doch der Klimawandel müsse kein Todesurteil für Barbuda bedeuten, so Mussington. "Kleine Inselstaaten wie Antigua und Barbuda müssen sich an die globale Erderwärmung anpassen." Doch von politischen Maßnahmen in dieser Richtung sei die Regierung weit entfernt. "Kümmert sich die Politik um die Landwirtschaft? Hat sie eine Vision für die Tourismusindustrie?"

Barbuda generiert einen großen Teil seiner Einnahmen über ausländische Besucher. Doch es fehlt an einer Strategie, wie der Tourismus zukunftsfähig gestaltet werden kann. "Wir wissen, dass der Klimawandel einige Veränderungen für uns bereithält. Die müssen wir analysieren und den Tourismus darauf abstimmen", fordert Mussington.

Ähnlich verhalte es sich mit der Landwirtschaft: "Wir sollten Agrargüter anbauen, die den Umweltveränderungen besser standhalten, die mit höheren Temperaturen und einem höheren Salzgehalt besser umgehen können. Wenn wir das nicht tun, dann können wir auch gleich auf die nächste Klippe zurennen und uns blindlings hinunterstürzen." (Ende/IPS/jt/2012)


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http://www.ipsnews.net/2012/11/tiny-barbuda-fears-increasingly-hostile-climate/

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veröffentlicht im Schattenblick zum 7. Dezember 2012