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KLIMA/176: Argentinien - Einst waren sie grün, Klimageschichte der Anden wird erforscht (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 10. August 2012

Argentinien: Einst waren sie grün - Klimageschichte der Anden wird erforscht

von Marcela Valente


Trockene Gebiete sind besonders anfällig für den Klimawandel - Bild: © Juan Moseinco/IPS

Trockene Gebiete sind besonders anfällig für den Klimawandel
Bild: © Juan Moseinco/IPS

Buenos Aires, 10. August (IPS) - Die argentinische Puna hat schon bessere Tage gesehen. Die Höhenstufe der Anden auf 4.000 bis 4.800 Metern ist heute trocken und kahl, doch vor tausenden von Jahren war hier wesentlich mehr Grün zu finden. Schuld sind klimatische Veränderungen, die die Bewohner dieses Teils der südamerikanischen Gebirgskette dazu zwangen, ihre Lebensweise zu verändern. Der Umgang mit veränderten Umweltbedingungen in der Geschichte der Puna ist Fokus mehrerer aktueller Forschungsprojekte.

"Die Puna war schon immer eine Wüstenregion", sagt Hugo Yacobaccio, Archäologe an der staatlichen Universidad de Buenos Aires (UBA). "Doch noch vor 10.000 Jahren regnete es in der Gegend wesentlich mehr, sodass die Vegetation üppiger war und die Böden mehr abwarfen."

Mit der Zeit veränderten sich die klimatischen Bedingungen, und die Region trocknete immer mehr aus. Zwischen 6000 und 2000 vor Christus waren die niedrigen geographischen Breiten überall auf der Erde besonders von Trockenheit geprägt. Zu dieser Zeit bildete sich die größte Wüste unseres Planeten heraus - die Sahara im südlichen Afrika. Vorher war sie lediglich eine Grassteppe gewesen.

Auch das Wetterphänomen El Niño hat einen großen Anteil daran, dass die Puna immer weiter ausgetrocknet ist. El Niño ist neben La Niña eines von zwei periodischen Temperaturfluktuationen im Pazifik. Das seit rund 3.000 Jahren zyklisch auftretende Klimaphänomen führt dazu, dass warmes Oberflächenwasser aus dem äquatorialen Pazifik ostwärts strömt. In der Folge können entweder schwere Überschwemmungen oder Dürren auftreten.


Sesshaft werden als Anpassungsstrategie

Die Umweltveränderungen hatten Auswirkungen auf die Bevölkerung. "Jäger und Sammler wurden sesshafter. Sie suchten sich Oasen oder andere Rückzugsorte mit stärkerer Vegetation. Dadurch stieg die Population in einigen Gebieten an", sagt Marcelo Morales, der zusammen mit Yacobaccio an der UBA arbeitet. Beide sind Mitglieder des Nationalen Rates für Wissenschaftliche und Technische Forschung. Ihr Arbeitsschwerpunkt ist die Umwelt-Archäologie, die sich mit der Frage beschäftigt, wie Menschen früher mit der Umwelt umgegangen sind.

"Wir wollen herausfinden, wie die Gesellschaften vor Tausenden von Jahren auf klimatische Veränderungen reagiert haben", erläutert Morales. Aus den Ergebnissen wollen sie Möglichkeiten für den Umgang mit den heutigen und künftigen Auswirkungen des Klimawandels entwickeln.

Die Puna zieht sich über die gesamten Anden über Argentinien hinaus in den Nordosten Chiles, den Westen Boliviens und den Süden von Peru. In Argentinien zeichnet sich diese Höhenstufe allerdings durch eine größere Trockenheit als in den Nachbarländern aus. Es gibt dort etliche Salzseen.

Trockene Gebiete sind grundsätzlich anfälliger für den Klimawandel. "Deshalb gehen wir davon aus, dass klimabedingte Umweltveränderungen auf jeden Fall Auswirkungen auf die Menschen haben werden: Bäche werden versiegen, Trinkquellen austrocknen und Feuchtgebiete verschwinden."

Den bisherigen Forschungen zufolge sind die Pflanzen in der Puna schon vor Tausenden von Jahren weniger geworden, und Tiere, die die Menschen als Nahrungsquelle gejagt hatten, starben immer mehr aus. Ein Teil der Gebirgsbewohner blieb auf Wanderschaft und zog in der Hoffnung auf bessere Lebensbedingungen immer weiter. Ein anderer entschloss sich dazu, über einen längeren Zeitraum in den Gebieten zu bleiben, in denen Wasser und Nahrungsmittel vorhanden waren. Lebten zuvor um die 15 Menschen in einem Verbund, bildeten sich später Gruppen aus 70 Personen heraus. Auch die Jagd veränderte sich: War man früher allein unterwegs, zog man nun zu mehreren los.

Yacobaccio zufolge ist die Puna eine der wenigen Regionen der Welt, in denen sich die dort ansässigen Völker von wandernden Jägern und Sammlern zu sesshaften Gemeinschaften entwickelten und mit dem Nahrungsmittelanbau und der Tierhaltung begannen. "Dieser Übergang konnte lediglich an fünf Orten der Erde - etwa in Nahost (Israel, Türkei, Syrien), China, Mesoamerika (das südliche Mexiko und der Norden von Zentralamerika) und Peru - beobachtet werden. Von dort aus hat sich das Modell auf der ganzen Welt verbreitet", sagt der Forscher.

In der Puna wurden darüber hinaus erste Experimente mit der Zucht von Guanakos und Vikunjas gemacht - Tiere, die dem Lama ähnlich sind und in der Gebirgsgegend häufig vorkommen. Angebaut wurden Kürbisse, Quinoa, Kartoffeln und andere Knollenfrüchte.

Bei den Feldforschungen entdeckten die Wissenschaftler Überreste von Dörfern und Anzeichen früherer Siedlungen. Darunter waren Reste von Musikinstrumenten sowie Taschen aus Pflanzenfasern.


Links:

http://www.conicet.gov.ar/web/conicet/inicio
http://ipsnoticias.net/nota.asp?idnews=101337

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veröffentlicht im Schattenblick zum 11. August 2012