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KLIMA/173: Südasien - 'Schmutziger Schnee' beschleunigt Himalaja-Gletscherschmelze (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 27. Juli 2012

Südasien: 'Schmutziger Schnee' beschleunigt Himalaja-Gletscherschmelze

von Bhrikuti Rai



Khumbu, Nepal, 27. Juli (IPS) - Jeden Morgen, wenn Gian Pietro Verza die seitliche Moräne des Khumbu-Gletschers im Nordosten Nepals hinaufsteigt, um Messungen vorzunehmen, lässt der Wind die bunten Gebetsfahnen geräuschvoll flattern. Derselbe Wind trägt Rußpartikel davon, die die Schneeschmelze in den Bergen beschleunigen.

Der italienische Wissenschaftler und Bergsteiger arbeitet seit 1987 für das 'Pyramid International Observatory' (EvK2Cnr) unterhalb des Mount Everest. In der Zeit konnte er mit ansehen, wie sich die Gletscher in raschem Tempo zurückzogen. "Früher kam das Eis bis dorthin", sagt er und zeigt auf einen Haufen von Felsbrocken und Geröll. "Nun muss man dafür fast bis zum Basiscamp steigen."

Agostino Da Pollenza und Ardito Desio haben das Klimaobservatorium auf einer Höhe von mehr als 5.000 Metern errichtet. Das Projekt wird gemeinsam von dem Nationalen Forschungsrat Italiens und der Nepalesischen Akademie für Wissenschaft und Technologie durchgeführt.

Untersucht werden die Auswirkungen der Erderwärmung auf den Himalaja. Seit kurzem richten die Wissenschaftler ein besonderes Augenmerk auf Kohlenruß und dessen Einfluss auf die Gletscherschmelze. Der Ruß wird durch Dieselabgase, Wärmekraftwerke, Ziegelbrennöfen und Waldbrände erzeugt. Oft wird er mit dem gasförmigen Kohlendioxyd verwechselt.

Das UN-Umweltprogramm UNEP, Wissenschaftler und internationale Forschungseinrichtungen sehen Beweise dafür, dass Rußablagerungen auf den Himalaja-Gletschern dafür sorgen, dass diese mehr Sonnenstrahlen absorbieren. Dadurch wird die Gletscher- und Schneeschmelze vorangetrieben.


Viel Ruß aus Indien und China

Die Treibhausgasemissionen in den Industriestaaten galten stets als Hauptauslöser für die Schmelze der Permafrost-Gebiete in der Welt, die zu einem Anstieg der Meeresspiegel führt. Inzwischen haben aber Schwellenländer wie China und Indien die Industriestaaten, was die CO2-Emissionen angeht, überholt. Die Entwicklung hat zu einer erheblichen Zunahme der Rußpartikel geführt.

Allein in Indien werden jährlich 25 Millionen Tonnen Kohle bei der Befeuerung von Ziegelöfen verbrannt. Diese Öfen tragen in der nepalesischen Hauptstadt Katmandu zu der Hälfte der Luftverschmutzung bei. Aufgrund der Temperaturinversion steigt die belastete Luft im Winter nicht in die Höhe. Die Rußpartikel, die aus den veralteten Schornsteinen kommen, mischen sich mit Dieselruß und bilden eine bis zu 4.000 Meter dicke Schicht, die Südasien bereits in einer Länge von mehreren Tausend Kilometern überzieht. Durch den Wind wird der Ruß auch auf die Gletscher getrieben.

"Auch wenn die Gletscherschmelze vor allem durch den globalen Temperaturanstieg ausgelöst wird, kann die Ablagerung von Rußpartikeln diesen Effekt verstärken", sagte Paolo Bonasoni vom italienischen Klimaforschungsinstitut ISAC.

Asche, die bei großen Waldbränden vor dem Einsetzen der Monsun-Regenfälle entsteht und auf die Gletscher geweht wird, kann nach Erkenntnissen von Experten das Rückstrahlvermögen des Schnees um fünf Prozent mindern. In den vergangenen 40 Jahren haben sich die Rußablagerungen verdreifacht.

"Es ist bereits erwiesen, dass schwarzer Ruß die Gletscherschmelze beschleunigt. Nun bleibt genau festzustellen, wie sich dies quantitativ auswirkt", sagte Arnico Panday vom 'International Centre for Integrated Mountain Development' (ICIMOD), das für acht Staaten in der Region zuständig ist.

Die Beobachtung dieses Phänomens ist im Himalaja insofern wichtig, als die Region als "Wasserturm" von Asien mehr als eine Milliarde Menschen mit dem kostbaren Nass versorgt. Die Nebenflüsse der größten Ströme Asiens wie Ganges, Brahmaputra, Meghna und Indus werden durch die Himalaja-Gletscher gespeist. Die beschleunigte Schmelze dürfte also die Verfügbarkeit von Süßwasser in den Ländern flussabwärts während der Trockenzeit verknappen und die Landwirtschaft schädigen. Menschen, die in der Nähe von Flüssen leben, wären besonders gefährdet.


Braune Rußwolke über dem Indischen Ozean

Auch Industrieabgase aus Indien und China werden durch Winde weiterverbreitet und bilden über dem Indischen Ozean eine ständige Schmutzschicht, die von UNEP die "asiatische braune Wolke" genannt wird. Die Aerosol- und Rußpartikel halten die Oberflächen-Sonneneinstrahlung zurück, reduzieren die Intensität des Südwest-Monsuns über Indien und verändern die Regenmuster im Osten Chinas.

In Nepal reagiert die Bevölkerung besorgt auf die Wetterveränderungen. "Es schneit selten so lange wie in diesem Mai", sagte Pasi Tamang aus Namche. "Im Lauf der Jahre sind die Winter milder geworden." Lohsang Sherpa, einem Hotelbesitzer im Dorf Dingboche in der Khumbu-Region, ist aufgefallen, dass viele kleinere Gewässer wie der Imja-See größer geworden sind. Er fürchtet nun, dass es eines Tages zu Überschwemmungen kommen könnte.

Wissenschaftlern zufolge hat es zwar schon immer anomale Wetterentwicklungen gegeben. Der Rückzug der Gletscher und die Verschiebung der Schneefallgrenzen nach oben schreiten jedoch unbestritten voran. Statt die Treibhausgas-Emissionen der Industrieländer als Rechtfertigung für eigene Tatenlosigkeit zu nehmen, sollten die asiatischen Länder unverzüglich damit beginnen, die Entstehung fester Schadstoffe durch den zunehmenden Einsatz fossiler Brennstoffe zu verringern. (Ende/IPS/ck/2012)


Links:

http://www.evk2cnr.org/cms/en/evk2cnr_committee/pyramid
http://www.unep.org/
http://www.le.isac.cnr.it/personale.php?id=26
http://www.icimod.org/
http://www.ipsnews.net/2012/07/dirty-snow-hastens-glacial-melt-in-himalayas/

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IPS-Tagesdienst vom 27. Juli 2012
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veröffentlicht im Schattenblick zum 31. Juli 2012