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KLIMA/156: "Wir müssen die Klimapolitik neu ausrichten" - Wissenschaft in der Klimadebatte (UFZ-Newsletter)


Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung GmbH - UFZ
UFZ-Newsletter Februar 2012

"Wir müssen die Klimapolitik neu ausrichten"


Welche Rolle spielt Wissenschaft in der Klimadebatte?

Ich denke, dass die wissenschaftliche Gemeinschaft bislang sehr viel geleistet hat. Ohne sie wüssten wir bis heute noch nichts über die Existenz, die Ursachen und die Folgen des globalen Klimawandels. Es ist ihr also gelungen, die Aufmerksamkeit von Politik und Öffentlichkeit auf ein zentrales Problem der Menschheit zu lenken. Nachdem diese Botschaft "angekommen" ist, stellen sich aber ganz neue Herausforderungen an Forschung und Politikberatung. Die zentralen Fragen sind: Was sollen/können wir als nächstes tun und welche Alternativen haben wir? Dabei geht es meiner Meinung nach weniger darum, den Politikern und Entscheidungsträgern "das" politische Allheilmittel zu liefern, sondern vielmehr darum, eine Spannbreite von Wahlmöglichkeiten und Alternativen aufzuzeigen, mit denen sie die anstehenden Probleme lösen können. An dieser Stelle besteht großer Forschungsbedarf - jedoch mit einer viel breiteren Expertise als bislang. Damit meine ich, dass wir neben Naturwissenschaftlern mehr Ökonomen, Soziologen, Politologen, Philosophen und Fachleute aus Politik und Verwaltungen brauchen, die genau wissen, wie Entscheidungen effektiv gefällt und umgesetzt werden können. Es muss also eine neue Gruppe von Experten mit in die Verantwortung gezogen werden. Und das ist, wenn man so will, für viele Akteure der traditionellen naturwissenschaftlich dominierten Klimaforschung eine "unbequeme" Botschaft.

Müssen wir uns mehr um die Vermeidung des Klimawandels kümmern oder um die Anpassung an den Klimawandel?

Ganz klar: Beides ist wichtig. Man sollte die beiden Dinge aber gut auseinanderhalten, da es sich hier um zwei sehr unterschiedliche Strategien handelt. Vermeidung und Anpassung finden auf unterschiedlichen räumlichen und zeitlichen Skalen statt und werden auch von unterschiedlichen Faktoren bestimmt. Anpassungsstrategien setzen bei den Folgen des Klimawandels an, die auf lokaler Ebene auftreten und kurzfristig sowie in kleinen Schritten bewältigt werden können. Vermeidungsstrategien setzen hingegen bei globalen und langfristigen Ursachen des Klimawandels an. Dazu gehört beispielsweise die umfassende Transformation der gesamten Energieproduktion und -versorgung.

Was heißt das für die gegenwärtige Klimapolitik?

Die Klimapolitik war bisher vornehmlich auf ein Ziel - die Vermeidung des Klimawandels durch die Reduktion von Emissionen fokussiert. Sie zielte auf eine internationale Vereinbarung, die Ziele und Zeitpläne für die Emissionsreduktion beinhaltet. Dieser Ansatz war in meinen Augen viel zu ambitioniert angelegt. Auch die internationalen Klimakonferenzen von Kopenhagen und Durban zeigten, dass sich die Klimapolitik damit in eine Sackgasse manövriert hat. Nun gilt es, über Alternativen nachzudenken und die Klimapolitik neu auszurichten. Wenn wir uns dabei vor Augen halten, was in einzelnen Sektoren, etwa dem Wassermanagement - von der globalen bis zur regionalen Ebene - bis jetzt funktioniert und einen zusätzlichen Nutzen erzeugt hat, so wäre das der Ansatzpunkt für eine pragmatische Klimapolitik. Eine erfolgreiche Entkarbonisierung ist nur als ein Nebengewinn zu erreichen, der beiden der Verfolgung anderer pragmatischer Ziele mit abfällt (Hartwell-Paper, 2010 oder Science Vol. 335, 2012).

Welche Rolle spielen neue Technologien?

Klimapolitik ist für mich im Wesentlichen auch Innovationspolitik. Bis jetzt wurde zwar sehr viel über internationalen Technologietransfer geredet, jedoch ohne zu bedenken, dass wir vielfach noch gar nicht über entsprechende Technologien verfügen. Oft wird - implizit - unterstellt, dass ein technologisches Wunder zu notwendigen Technologiesprüngen und Durchbrüchen verhelfen und dann alle Probleme auf einen Schlag lösen könnte. Das ist jedoch eine gefährliche Annahme. Denn dieses Wundermittel wird es nicht geben. Wir sollten stattdessen davon ausgehen, dass die Technologien, die wir heute zur Verfügung haben, auch die Technologien von morgen sein werden, nur eben besser bzw. effizienter. Wir wissen heute noch nicht, über welche Potenziale einzelne Technologien wie CCS (Carbon Capture and Storage) verfügen, ob sie überhaupt technisch realisierbar und ökonomisch effizient sind oder was ihre Risiken und Nebenwirkungen sind. Aufgrund dieser Unsicherheiten sollte man sich nicht vorschnell festlegen, sondern stattdessen immer mehrere Optionen offenhalten und ein breites Portfolio an Technologien fördern. Dazu sind verstärkt Investitionen in die innovative Entwicklung von CO2-freien-Energiequellen erforderlich.

Das Interview führten Dr. Silke Beck und Tilo Arnhold


Das vollständige Interview finden Sie (in englischer Sprache) im UFZ-Klimablog: http://blog.ufz.de/klimawandel


Prof. Dr. Roger Pielke jr. ist Professor am Cooperative Institute for Research in Environmental Sciences (CIRES) der University of Colorado. Er ist einer der international führenden Wissenschaftler auf dem Gebiet des Klimawandels und der Energiepolitik. Schwerpunkt seiner Forschung ist die Schnittstelle von Wissenschaft, Technik und Entscheidungsfindung. Mit dem UFZ, insbesondere dem Department Umweltpolitik, arbeitet er seit vielen Jahren zusammen. Pielke ist Autor und Co-Autor bekannter Bücher wie "The Honest Broker: Making Sense of Science in Policy and Politics" (2007) oder "The Climate Fix: What Scientists and Politicians Won't Tell you About Global Warming" (2010). (http://rogerpielkejr.blogspot.com/) Foto: Dr. Silke Beck


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Quelle:
UFZ-Newsletter Februar 2012, Seite 6
Herausgeber:
Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung GmbH - UFZ
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
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veröffentlicht im Schattenblick zum 28. März 2012