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KLIMA/125: UNO-Klimagipfel in Durban - Vom "Klima-Vorreiter" zum "Klima-Klempner" (UZ)


UZ - Unsere Zeit, Nr. 48 vom 2. Dezember 2011
Sozialistische Wochenzeitung - Zeitung der DKP

Hintergrund

UNO-Klimagipfel in Durban
Vom "Klima-Vorreiter" zum "Klima-Klempner"

von Hans-Peter Brenner


Langsam stellten sich in den letzten Wochen die Medien auf den bevorstehenden 17. UNO-Klimagipfel im südafrikanischen Durban ein. Was ist zu erwarten? Verläuft der Klimagipfel womöglich genauso oder ähnlich katastrophal wie die Klimakonferenz in Kopenhagen vor zwei Jahren, der nicht die Reisekosten der Delegierten wert war? Oder verläuft er so dürftig, wie der letzte Gipfel im mexikanischen Badeort Cancùn, bei dem auch nicht viel mehr beschlossen werden konnte als
1. eine Absichtserklärung, dass das 2012 auslaufende "Kyoto-Protokoll" zur Begrenzung des Temperaturabstiegs fortgeführt werden und der weltweite Temperaturanstieg auf zwei Grad Celsius im Vergleich zu Beginn der Industrialisierung limitiert werden muss,
2. eine weitere Absichtserklärung, wonach ärmeren Ländern Finanzmittel zur Bekämpfung der Klimawandel-Folgen zur Verfügung gestellt werden sollen.

Alles das waren nur unverbindliche Absichtserklärungen, die "weder Fisch noch Fleisch" sind. Es wurde ein "Hilfsfonds" beschlossen, von dem die von der Erwärmung am stärksten betroffenen Staaten profitieren sollten. Die Finanzierung sollte von den entwickelten kapitalistischen Industriestaaten gesichert werden. Diese sollen bis 2012 jährlich 30 Milliarden US-Dollar einzahlen, ab dem Jahr 2020 dann 100 Milliarden Dollar. Ob in Durban dazu verbindliche Durchführungsbestimmungen erreicht werden können ist nicht sicher.

Die erste Vereinbarung von Cancùn sollte als Grundlage für ein Nachfolgeabkommen des Kyoto-Vertrags dienen, die Ergebnisse des Weltklimarats IPCC anerkannt und an die Industrieländer appelliert, ihre CO2-Einsparmaßnahmen zu erhöhen, um eine Begrenzung des Temperaturanstiegs doch noch zu erreichen. Davon ist man weiter entfernt denn je. Zum ersten Mal wurde in Cancùn das Zwei-Grad-Ziel des IPCC offiziell verbal von der Staatengemeinschaft anerkannt. Konkrete CO2-Einsparziele enthielt die Absichtserklärung jedoch nicht. Das Abkommen verpflichtete weder die USA, die das Kyoto-Protokoll ohnehin nicht unterzeichnet hatten, noch Indien und China, die zu den "Entwicklungsländern" gerechnet werden, für die deshalb dieses Ziel auch nicht gilt, zu einer Minderung ihrer TreibhausgasEmissionen.


Klimaklempnerei statt konsequenter Klimapolitik

Die weltweite Expertengarde ist sich rhetorisch völlig darin einig, dass sich die Weltgemeinschaft ähnliche klimapolitische Trauerspiele wie in den vergangenen Jahren nicht erlauben darf. Und doch sieht alles danach aus. Der Vizedirektor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) O. Edenhofer erklärte zwei Wochen vor Konferenzauftakt, er sehe die Erfolgschancen "pessimistisch", er habe "keine" Erwartungen an den Gipfel in Durban. Der Modus der UN-Konferenzen sei sowieso grundsätzlich ein "Konstruktionsfehler." Edenhofer sprach sich für Gespräche im Kreis des von den USA initiierten sogenannten "Major Economies Forum (MEF)" aus, in dem die wichtigsten Verursacher von Treibhausgasen repräsentiert sind. Und nicht nur das. Er verkündet eigentlich die grundsätzliche Abkehr von den bislang immer ausgegebenen und feierlich beschworenen Zielen der Rückführung bzw. des Abbremsens des durch die schädlichen "Klimagase" verursachten Temperaturanstiegs, des sichtbarsten Ausdrucks des von der kapitalistischen Industrialisierungspolitik provozierten beschleunigten Klimawandels.

Verhandelt werden solle, so Edenhofer, künftig nicht mehr vorrangig über Emissionsgrenzen für Treibhausgase. Das sei auf den bisherigen Konferenzen ja gescheitert, sondern über "Technologiepolitik" zugunsten der erneuerbaren Energien und den Abbau von Subventionen für fossile Energieträger, die Edenhofer für 2010 weltweit mit 409 Milliarden US-Dollar bezifferte. Ein weiteres Verhandlungsziel solle die Verknüpfung bestehender Emissionshandelssysteme sein. Dass Edenhofer damit eine gemeinsam abgestimmte neue Strategie und nicht nur seine Privatmeinung ausdrückte, deutete sich einige Tage zuvor auch in einer Stellungnahme des deutschen Leiters des UN-Umweltprogramms UNEP, Achim Steiner, an. In einem Grundsatzartikel für den "Berliner Tagesspiegel" schrieb Steiner am 9. November: "Statt Klimaschutz plädieren Experten erneut dafür, mit technischen Eingriffen in die Atmosphäre die Erderwärmung zu bremsen. Stichwort Geo-Engineering. Ist das eine Alternative, gerade im Hinblick darauf, dass sich bei den Verhandlungen keine Einigung erzielen lässt?"

Zwar warnte er vor vorschnellen Erfolgen mit den Worten: "Die Vorgänge in der Erdatmosphäre sind so komplex, dass jeder Eingriff auch Risiken birgt. Beim Geo-Engineering ist deshalb noch viel Forschung nötig." Aber auch Steiner legt wie Edenhofer und auch eine wachsende Riege von US-Klimaexperten und -Technokraten deutlich den Akzent auf das Prinzip "Reparieren" denn auf "Vorbeugen und Verhindern".

"Geo Engineering" Dies scheint besonders in den USA und in Großbritannien zum neuen Leitsatz der offiziellen Klimapolitik zu werden. Die Stunde der "Klimaklempner" scheint zu schlagen. Dafür soll eine im Prinzip bereits sehr betagte Technik aufgefrischt werden. Das künstliche Erzeugen von Regen. In der Sowjetunion wurde diese Technik in früheren Jahrzehnten im Umfeld von Moskau eingesetzt, um auf dem "Roten Platz" große Militärparaden ungestört durchführen zu können. Herannahende Regen- und Gewitterfronten wurden durch den Einsatz von Silberjodid rechtzeitig von Flugzeugen besprüht ("geimpft") und zum frühzeitigen "Abregnen" gebracht. Im vergangenen Jahr wurde diese bewährte Technik bei den großen Torfbränden im Umfeld der russischen Hauptstadt auch zum Einsatz gebracht. Dieses keineswegs so umweltneutrale Verfahren soll international zu einer Art Klima-Allzweckwaffe werden. In den USA wird ernsthaft erwogen, die sich häufenden Tornados und Unwetter mit Hilfe des "Geo Engineering" in den Griff zu bekommen. In Europa scheint man schon etwas weiter zu sein und schneller vorzupreschen. "spiegel-online" berichtete am 6. Oktober, dass Forscher mehrerer britischer Universitäten einen knapp 20 Meter langen Heliumballon in die Atmosphäre aufsteigen lassen wollen. Bei diesem sogenannten "Spice-Projekt" (Stratospheric Particle Injection for Climate Engineering) wollen die Forscher eine Technologie erproben, um feine Schwebeteilchen in der Atmosphäre zu verteilen. An der Unterseite des Fluggeräts soll ein etwa ein Kilometer langer Wasserschlauch befestigt werden. Mit seiner Hilfe wird Wasser in luftige Höhen gepumpt - um dort versprüht zu werden. Schwebeteilchen sollen dafür sorgen, dass in der Atmosphäre mehr einströmendes Sonnenlicht zurück ins All reflektiert wird. Dadurch soll sich die Erde weniger aufheizen, auch wenn die Treibhausgasemissionen weiter steigen. Und sie steigen und steigen tatsächlich.


Ungebremster CO2-Anstieg

Von einer "tonnenschweren Verantwortung", die auf den Vertretern von 195 Staaten in Durban laste, ist im Vorfeld des Treffens die Rede. So sieht es die "Süddeutsche Zeitung" vom 16. November in einer Extrabeilage. Die Metapher "tonnenschwer" ist durchaus wörtlich zu nehmen. Die Kohlendioxid-Emissionen haben in 2010 nach der jetzt vorgelegten Studie der Internationalen Energieagentur (IES) einen neuen Rekordwert erreicht. Es kam zum stärksten Anstieg seit den 50er Jahren. Weltweit wurden nach Angaben des US-Energieministeriums etwa 33,5 Milliarden Tonnen CO2 ausgestoßen. Die Bundesrepublik ist daran "nur" mit ca. 960 Millionen Tonnen beteiligt gewesen. Hierzulande zeigt die Kurve nach unten; dank des zunehmenden Einsatzes nicht-fossiler erneuerbarer Energien konnte der Ausstoß um 118 Millionen Tonnen reduziert werden. Diese Bilanz könnte bedeutend besser sein. Denn auch die BRD ist mitbeteiligt am weltweiten Anstieg der Subventionen für den Verbrauch fossiler Energieträge, die sich weltweit in 2010 auf 290 Milliarden Euro beliefen. Deutschland ist dabei über das System des "Kohlepfennig" mit immerhin 1,4 Milliarden Euro beteiligt.

Insgesamt erwartet ein kurz vor Beginn des UN-Klimagipfels veröffentlichter neuer Bericht über Extremwetterereignisse des Weltklimarats eine düstere Zukunft für den Planeten. Die globale Erwärmung wird zu immer heftigeren Wetterkatastrophen führen. Bis Ende des Jahrhunderts wird es weltweit immer häufiger zu Dürre- und Überschwemmungskatastrophen kommen. In Europa werden die Hitzewellen zunehmen und vorrangig "nur" enorme Kosten verursachen. In den Entwicklungsländern wird der Klimawandel aber immer mehr Menschen das nackte Leben kosten. Bei allen Unwägbarkeiten und Unsicherheiten, die langfristige Klimaprognosen trotz aller technischen Verbesserungen bei den Klimamodellen bringen, sind sich die UNO-Experten in Bezug auf die Zunahme dieser Wetterextreme einig.

Global gesehen wird sich vor allem die Zahl der Starkniederschläge erhöhen. In den USA, der Karibik und auf kleineren tropischen Inseln werden sich nach IPCC-Prognosen die Windgeschwindigkeiten von Wirbelstürmen erhöhen. Zudem wird die weltweite Gletscherschmelze dem Report zufolge die Stabilität der Bergregionen gefährden. Konkrete Folgen der "wahrscheinlichen" Erwärmung der globalen Durchschnittstemperatur um zwei bis fünf Grad bis 2100 könnten Überschwemmungen etwa in den Slums von Nairobi und weitere Dürreperioden in der westlichen Sahelzone sein. Mit Überschwemmungen vieler Küstenregionen ist mit 90prozentiger Wahrscheinlichkeit zu rechnen.

Auf neue alarmierende Daten über die Folgen der Erderwärmung verwies dieser Tage auch der PIK-Klimaexperte Stefan Rahmstorf. "Es zeigt sich, dass die Realität die Modelle überholt", erklärte er in Potsdam. Bei der Fläche des arktischen Meereises sei 2011 für den Juli ein neuer Negativrekord verzeichnet worden. Die Dicke der Eisdecke sei viermal schneller geschrumpft als im Mittel der bisherigen Prognosen angenommen. Generell liege die Eismasse "weit unter den Modellen des Weltklimarats IPCC". Der gleiche Trend sei auch beim Festlandeis Grönlands zu verzeichnen. Als Konsequenz aus der Eisschmelze wird der Meeresspiegel nach Rahmstorf bis 2100 weltweit je nach dem weiteren Verlauf des Klimawandels um 75 bis 190 Zentimeter ansteigen. Als mittlerer Wert sei ein Anstieg um rund einen Meter zu erwarten. Bereits heute werden in der Deutschen Bucht, aber auch anderswo Rekord-Anstiegsraten des Meeresspiegels gemessen, zur Zeit im Mittel um rund drei Millimeter pro Jahr. Die mittlere Anstiegsprognose des IPCC bis Ende des Jahrhunderts hatte bisher bei 30 bis 40 Zentimeter weltweit gelegen.

In Mitteleuropa und in der Mittelmeerregion kommt es außerdem zu einer Zunahme der Dürreperioden. Speziell in Westeuropa werden die Hitzewellen zunehmen und sich negativ auf die Gesundheit der Bevölkerung und vor allem älterer Menschen auswirken. Der Leiter einer Arbeitsgruppe des Extremwetter-Berichts, Prof. T. Stocker von der Universität Bern, benutzt mit dem Begriff "Das ist so gut wie sicher" die stärkst mögliche Formulierung für diese Vorhersagen. Im Vokabular des IPCC steht diese Formel für eine Wahrscheinlichkeit von mindestens 99 Prozent. Schon die bereits heute Lebenden werden davon betroffen. Bis zum Jahre 2050 werden Rekordtemperaturen, die bislang sonst vielleicht nur alle 20 Jahre gemessen werden, sich künftig im Durchschnitt alle fünf Jahre wiederholen. Und unsere Enkel und Urenkel könnten in zwei von drei Jahren Hitzewellen erleben, die in der Spitze noch 5 Grad höher liegen als an den derzeitigen Hochtemperaturtagen. Auf einer Karte des Sonderberichts ist Deutschland vom Harz bis zu den Alpen mit der Farbe Rot markiert, dem Farbton, mit dem die Regionen mit den stärksten Temperaturveränderungen gekennzeichnet werden.


Deutsches "Geo-Engineering" statt Ursachenbekämpfung

Die Reaktionen auf diese Informationen, Vorabberichte und Warnungen zeigen, dass auch hierzulande eher nach dem Motto verfahren werden soll "Heilen ist besser als Vorbeugen". Das scheint das Motto der deutschen Geo- und Klimaklempner zu sein. Das wird auch an einem neuen interdisziplinären Gutachten des deutschen Bundesforschungsministeriums deutlich, das Anfang Oktober vorgestellt wurde. Es befasst sich mit der Frage, ob Ingenieure den Klimawandel "reparieren" könnten - und ob sie es tun sollten. "Erreichen die internationalen Verhandlungen nicht die erforderlichen Klimaschutzziele, stellt sich zunehmend die Frage einer Reparatur durch Climate Engineering", erklärte Staatssekretär Georg Schütte bei der Vorstellung des Forschungsberichts in Berlin. Damit scheint eine nun auch amtliche Revision des bisherigen verkündeten Klimapolitik-Ansatzes vollzogen zu werden. Bislang hatte es geheißen:

"Klimaschutz muss vorrangig die Ursachen des Problems, das heißt die Emission von Treibhausgasen, angehen und diese reduzieren." Dies hatte das Umweltbundesamt noch in einem im Sommer vorgestellten Gutachten zum Thema Klimapolitik verkündet. "Geo-Engineering"-Maßnahmen sollten allenfalls als "Notfalloption" vorgesehen werden. Wird davon nun Abschied genommen? Eins ist auf jeden Fall klar. Vom kommenden Klimagipfel in Durban erwartet niemand ein neues Abkommen zur Reduktion von Treibhausgasen. Das war der Tenor bei der Vorstellung des Berichts des Forschungsministeriums. Es sei deshalb "nicht verantwortbar, einzelne Optionen gegen möglicherweise dramatische Folgen des Klimawandels vorab auszuschließen", hatte Staatsekretär Schütte erklärt. Statt weiter die Rolle eines angemaßten "Vorreiters" beim Kampf gegen den Klimawandel zu spielen, schlüpft die Merkel-Regierung nun ganz offenkundig lieber in den Klima-Klempner-Kittel. In den verantwortlichen Regierungsstellen Berlins gilt wohl die Logik "Was die Amerikaner und Briten können, können wir erst recht." Denn "deutsche Ingenieurskunst" gehört ja bekanntlich zum Markenzeichen "Made in Germany" wie das Oktoberfest zu München. Aber ob der Klimawandel sich darum schert, das darf sehr bezweifelt werden.


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Alarm für die natürlichen Ressourcen

Zwei Wochen vor Beginn der Konferenz in Durban tagte die "Internationale Bonn-2011-Conference über Wasser-, Ernährungs- und Energiesicherheit" mit 600 Forschern aus 80 Ländern. Sie bereiteten den "2. Rio-Gipfel" vor, der am 6.6.2012 in Brasilien stattfinden wird. Die Konferenz beklagte den sich "in breiter Front" abzeichnenden Ressourcenmangel an Wasser, Nahrung und Energie.

Bis zum Jahre 2030 werden 75 Prozent der dann 8 Milliarden Bewohner des Planeten in Gebieten mit Wassermangel leben. Gleichzeitig werden "sie" 40 Prozent mehr Energie verbrauchen. Wobei dieses "sie" falsch ist und die wirklichen Ursachen der Vergeudung von Ressourcen verharmlost und verschleiert. Es ist die kapitalistische Produktionsweise, die in ihrem auf kurzfristigen Profit fixierten Gesamtkonzept die langfristigen Folgen für Menschen und Natur immer nur als störenden Kostenfaktor ansieht.


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Quelle:
Unsere Zeit (UZ) - Zeitung der DKP, 43. Jahrgang, Nr. 48,
2. Dezember 2011, Seite 9
Herausgeber: Parteivorstand der DKP
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veröffentlicht im Schattenblick zum 7. Dezember 2011