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KATASTROPHEN/115: Nepal - Katastrophenschutz steckt in den Kinderschuhen (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 11. Mai 2015

Nepal: Angekündigte Tragödie - Dennoch steckt Katastrophenschutz in den Kinderschuhen

von Amantha Perera


Foto: © Amantha Perera/IPS

Experten warnen seit Jahren vor Erdbeben mit gravierenden Folgen für Katmandu
Foto: © Amantha Perera/IPS

COLOMBO (IPS) - Der Himalaja-Staat Nepal liegt in einer der seismisch aktivsten Regionen Südasiens. Das verheerende Beben, das mehr als 8.000 Menschen das Leben kostete, war somit vorhersehbar.

Noch knapp einen Monat vor dem Beben vom 25. April hatte der nepalesische Außenminister Mahendra Bahadur Pandey der Welt die Folgen eines stärkeren Bebens vor Augen geführt: "Der Verlust an Menschenleben allein im Tal von Katmandu würde ein entsetzliches Ausmaß annehmen", erklärte er im März auf der UN-Konferenz zur Katastrophenvorsorge im japanischen Sendai.

Pandey sollte Recht behalten. Etwa zwei Wochen nach dem Beben der Stärke 7,8 auf der Richter-Skala werden nach der Bergung Tausender Toter noch immer Hunderte Menschen vermisst. Die Behörden gehen davon aus, dass die Opferzahlen in den kommenden Tagen weiter ansteigen werden.


Zehn Krankenhäuser zerstört

Mit der Versorgung der Überlebenden sind die Krankenhäuser heillos überfordert. Mehr als 17.500 Menschen wurden bei dem Beben verletzt und zehn Hospitäler vollständig dem Erdboden gleichgemacht, wie das Büro der Vereinten Nationen für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (OCHA) mitteilte. Schätzungsweise acht Millionen Menschen, vor allem im Westen und im Zentrum des Landes, sind von der Katastrophe betroffen. Dies ist entspricht einem Viertel der rund 27 Millionen Nepalesen.

In den größten Städten Katmandu und Pokhara richteten das Beben und die sich anschließenden Erdstöße massive Schäden an. Binnen 72 Stunden flohen etwa 500.000 Menschen aus Katmandu in Gebiete im Umkreis der dicht besiedelten Hauptstadt. Obwohl weithin bekannt war, welche Schäden eine Katastrophe dieses Ausmaßes anrichten kann, wurde Nepal von dem Beben in vieler Hinsicht unvorbereitet getroffen. Die Versorgung der traumatisierten Bevölkerung ist problematisch, und viele Familien leben weiterhin in Zelten.

Die Weltgesundheitsorganisation WHO hat einen dringenden Appell gestartet, um die Ernährung von etwa 3,5 Millionen Menschen zu gewährleisten. 1,1 Millionen US-Dollar stellte sie bereits für medizinische Ausrüstung bereit und ermöglichte die Behandlung von rund 50.000 Menschen in den 14 am schwersten getroffenen Gebieten.


Land kann Wiederaufbau nicht finanzieren

Die Kapazitäten von Hilfsorganisationen und Geberländern stoßen allerdings an Grenzen. Letztlich wird die Regierung Nepals den Löwenanteil der Kosten für den Wiederaufbau tragen müssen. Experten befürchten aber, dass das Land die langfristig erforderlichen Mittel in Höhe von fünf Milliarden Dollar nicht aufbringen kann.

UN-Organisationen teilten indes mit, mindestens 415 Millionen Dollar für Sofortmaßnahmen in den nächsten drei Monaten zu benötigen.

Nach Angaben der für Südasien zuständigen OCHA-Sprecherin Orla Fagan waren aufgrund der bekannten Gefahrenlage in den vergangenen Monaten Katastrophenschutzmaßnahmen umgesetzt worden. Die Abstimmung zwischen den Behörden und den Vereinten Nationen sei jedoch nur in kleinem Rahmen erfolgt. Denn Nepal verfüge als eines der ärmsten Länder der Welt kaum über finanzielle Ressourcen.

Nepal gehört zu der Gruppe der weltärmsten Staaten (LDC). Auf dem Index für menschliche Entwicklung des UN-Entwicklungsprogramms liegt das Land auf dem 145. Platz von insgesamt 187 gelisteten Ländern. Die Verschuldung gegenüber Gebern wie Weltbank, dem Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Asiatischen Entwicklungsbank (AsDB) belaufen sich auf mehr als 3,8 Milliarden Dollar. Nepal sah sich im letzten Jahr gezwungen, über 217 Millionen Dollar für den Schuldendienst aufzubringen - Gelder, die dem Katastrophenschutz fehlen.

Fagan bemängelt vor allem Defizite beim Informationsmanagement. Die Regierung sei nicht in der Lage gewesen, eine nationale Datenbank zum Katastrophenschutz zu erstellen. Zudem fehle eine erprobte landesweite Strategie in Hinsicht auf Soforthilfe und Koordination der Hilfsmaßnahmen.


Veraltete Gesetze

Es ist kaum bekannt, dass trotz der realen Gefahren wie Erdbeben, schweren Regenfällen, Erdrutschen und dem Bersten von Gletscherseen die Katastrophenschutzpolitik durch ein Gesetz aus dem Jahr 1982 geregelt wird. Ein Neuentwurf von 2008, der die Einrichtung einer Katastrophenschutzbehörde vorsieht, wurde bislang nicht vom Parlament verabschiedet. "Wir hoffen nun, dass sich Nepal dank der Bereitstellung internationaler Hilfen besser landesweit gegen Naturkatastrophen wappnen kann", sagt Fagan.

S. I. Arampola vom Asiatischen Zentrum für Katastrophenschutz in Asien mit Sitz in Bangkok erklärt, dass festgelegt werden müsse, welche Behörden etwa Warnungen ausgeben, weiterverbreiten und Evakuierungen veranlassen sollen. "Nepal muss dem Beispiel anderer südasiatischer Länder wie Indien, Pakistan und Sri Lanka folgen und umfassende Maßnahmen zur Reduzierung von Katastrophenrisiken ergreifen."


Modell Sri Lanka

Sri Lanka hatte nach dem Tsunami Ende 2004 eine ähnliche Krise durchgemacht wie sie Nepal derzeit erlebt. Die riesige Flutwelle, durch die 35.000 Srilanker starben, veranlasste die Behörden des Inselstaates dazu, die Vorkehrungen zum Katastrophenschutz zu verstärken.

Auch wenn der Weg dorthin beschwerlich war, kann das Land bereits große Fortschritte verzeichnen. So entstand in Sri Lanka das erste Zentrum für Katastrophenmanagement (DMC), das zum Frühwarnzentrum und Dreh- und Angelpunkt für die Koordinierung für Nothilfe geworden ist. DMC unterhält Büros in allen 25 Distrikten, deren Personal jederzeit sofort einsatzbereit ist. Im April 2012 ließ das Zentrum nach einer Tsunamiwarnung mehr als eine Million Küstenbewohner an sichere Orte bringen. (Ende/IPS/ck/11.05.2015)


Link:

http://www.ipsnews.net/2015/05/the-biggest-lessons-nepal-will-take-away-from-this-tragedy/

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 11. Mai 2015
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veröffentlicht im Schattenblick zum 13. Mai 2015

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