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KATASTROPHEN/043: Nepal - Erdbebengefährdet, Experten warnen vor Katastrophe in Millionenstadt Katmandu (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 26. November 2012

Nepal: Erdbebengefährdet - Experten warnen vor Katastrophe in Millionenstadt Katmandu

von Naresh Newar


Katmandus 1,5 Millionen Einwohner leben mit einem ständigen Erdbebenrisiko - Bild: © Naresh Newar/IPS

Katmandus 1,5 Millionen Einwohner leben mit einem ständigen Erdbebenrisiko
Bild: © Naresh Newar/IPS

Katmandu, 26. November (IPS) - Auf der Liste der Länder, die weltweit am stärksten von Erdbeben bedroht sind, steht Nepal auf dem elften Platz. Dennoch ist der Himalaja-Staat dafür ungenügend gerüstet.

Trotz der letzten beiden größeren Beben am 18. September 2011 und im Oktober 2012 hat es die Regierung versäumt, Maßnahmen zu ergreifen. Seismologen zufolge steht ein weiteres starkes Erdbeben unmittelbar bevor und gefährdet das Leben von etwa 30 Millionen Nepalesen. "Unter den gegebenen Umständen sind die Folgen einer solchen Katastrophe unüberschaubar und nicht in den Griff zu bekommen. Wir müssen uns rasch bewegen", so Ganesh Kumar Jimee von der Nationalen Gesellschaft für Erdbeben-Technologie (NSET).

Fachleute sorgen sich vor allem um die 1,5 Millionen Einwohner der nepalesischen Hauptstadt Katmandu, die als mögliches Epizentrum gilt. Die meisten Schulen, Krankenhäuser und Regierungsgebäude sind nicht auf größere Erdbeben vorbreitet. Auch 90 Prozent aller Wohnhäuser werden als nicht sicher erachtet.

Das Asiatische Zentrum für Katastrophenschutz (ADPC) berichte, dass im Falle eines Bebens bis zu 60 Prozent der Schulen der Stadt einstürzen könnten. Die Weltgesundheitsorganisation fürchtet um den Bestand der Hospitäler. NSET zufolge könnten Erdstöße von der Stärke 7 auf der Richter-Skala 60 Prozent der Kliniken beschädigen. Die meisten der 70 Blutbanken des Landes sind ebenfalls nicht erdbebensicher. Gefahr besteht zudem für die Brücken. Sollten sie unpassierbar werden, wären auch die wichtigsten Wege für Hilfslieferungen abgeschnitten.


Wasser- und Stromversorgung gefährdet

Organisationen wie NSET und das Nepalesische Rote Kreuz (NRCS) sehen 90 Prozent der städtischen Wasserleitungen und 40 Prozent der Stromleitungen und Umspannstationen bedroht. Die zahlreichen Radiosender, die eine zentrale Rolle bei der Verbreitung von Nachrichten im Katastrophenfall spielen, könnten nach Vorhersagen der Experten ebenfalls nicht mehr arbeiten.

Dem UN-Nachrichtendienst IRIN zufolge sind die 350 Radiosender des Landes, von denen 36 ihren Sitz in Katmandu haben, die wichtigste Informationsquellen für die Bevölkerung. 44 Prozent der Nepalesen sind Analphabeten und daher auf Informationen angewiesen, die über den Äther verbreitet werden.

Die Regierung hat alle diese Warnungen bisher in den Wind geschlagen. Ernsthafte Maßnahmen zum Katastrophenschutz sind ausgeblieben. Dass aufgrund der politischen Instabilität entsprechende Gesetze nicht entschlossen vorangetrieben werden, scheint die größte Hürde zu sein. Ein Gesetz über Katastrophenmanagement liegt seit Jahren auf Eis.

Die vorgesehenen Regelungen würden zu der Gründung einer Behörde für Katastrophenschutz führen, die die notwendigen finanziellen und materiellen Ressourcen bereitstellen würde. Bislang befasst sich nur eine kleine Abteilung im Innenministerium mit Katastrophenhilfe.

"Hoffentlich werden bald Maßnahmen ergriffen, anstatt sich weiter auf die Hilfe nach Katastrophen zu konzentrieren", sagt Man Thapa, Programmmanager beim UN-Entwicklungsprogramm UNDP, das mit nepalesischen Gemeinden zusammenarbeitet. Maurer werden darin fortgebildet, erdbebensicher zu bauen und damit dem Tod von Menschenleben vorzubeugen.

In Katmandu leben 1,5 Millionen Menschen dicht gedrängt auf einer Fläche von nur 50 Quadratkilometern. Im Laufe der vergangenen zehn Jahre hat sich die Zahl der Wohngebäude mehr als verdoppelt. Damit platzt die bereits überfüllte Stadt gänzlich aus den Nähten.

Die Erdbebengefahr in Nepal besteht schon lange. Bei einer der schlimmsten Katastrophen starben 1934 etwa 8.500 Menschen. 1988 wurden 721 Opfer gezählt.


50.000 Tote in Katmandu befürchtet

Angesichts der rapiden Zunahme der Zahl der Einwohner, die in nicht sicher gebauten Häusern leben, ist das Ausmaß einer möglichen neuen Katastrophe kaum abschätzbar. Nach Prognosen von NSET könnte ein Beben der Stärke 7 oder 8 auf der Richter-Skala mehr als 60 Prozent der Gebäude zerstören. 50.000 Menschen droht der Tod, weitere 100.000 könnten verletzt und 900.000 obdachlos werden.

Dennoch wird nicht vorbeugend gehandelt. "Die Menschen nehmen die Informationen nach wie vor nicht ernst", kritisierte Pitamber Aryal, der beim NRCS eine Abteilung für Katastrophenschutz leitet. Dabei war ein Beben im Nordosten Indiens am 18. September vergangenen Jahres auch in Nepal spürbar und löste in der Bevölkerung Panik aus. Die Einwohner von Katmandu flohen aus der Stadt zu und missachteten die Sicherheitshinweise, die über Radio und Internet verbreitet wurden.

Zum Glück ereignete sich das Erdbeben am späten Nachmittag, als Büros und Schulen schon geschlossen waren. "Ansonsten wären viele Menschen verletzt und bei einer Panik ums Leben gekommen", meinte Jimee, der hofft, dass die Bewohner von Katmandu aus diesem Erlebnis Lehren gezogen haben. (Ende/IPS/ck/2012)


Links:

http://www.nset.org.np/
http://www.adpc.net/2012/?
http://www.nrcs.org/home/about_nrcs_nepal.php#a
http://www.ipsnews.net/2012/11/nepal-unprepared-for-imminent-earthquakes/

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 26. November 2012
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veröffentlicht im Schattenblick zum 27. November 2012