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GENTECHNIK/162: Europäisches Parlament stimmt gegen Anbauzulassung für gentech-veränderten Mais (Testbiotech)


Testbiotech e.V. - München, 6. Oktober 2016
Institut für unabhängige Folgenabschätzung in der Biotechnologie

Europäisches Parlament stimmt gegen Anbauzulassung für gentechnisch veränderten Mais

Gründe sind das Auftreten von Teosinte, Risiken für geschützte Arten und die Gefahr von Resistenzen bei Schadinsekten


6. Oktober 2016 / Heute hat das Europäische Parlament mehrere Resolutionen angenommen, die die EU-Kommission dazu auffordern, den Anbau von Gentechnik-Mais nicht zu erlauben. Von der Abstimmung betroffen sind drei Varianten von gentechnisch verändertem Mais, die alle Insektengifte produzieren (MON810, Bt11 und Mais 1507), zwei von Ihnen sind zudem resistent gegenüber Herbiziden. Bisher darf nur der transgene Mais MON810 in der EU angebaut werden . Das Votum ist rechtlich nicht bindend, sendet aber ein starkes Signal an die EU-Kommission und die EU-Mitgliedsländer, für das Jahr 2017 keinen Anbau zuzulassen. Einige der entscheidenden Gründe sind das Auftreten einer neuen Unkrautart (Teosinte) in Spanien und Frankreich, ungenügender Schutz von geschützten Schmetterlingsarten und drohende Resistenzen bei Schadinsekten.

Nach Ansicht von Testbiotech gibt es tatsächlich gute Gründe, den Anbau der Gentechnik-Maispflanzen in der EU zu verbieten:

1. Die Auswirkungen des Anbaus auf sogenannte Nicht-Zielorganismen, auf Bodenorganismen und die natürliche Abwehrmechanismen der Pflanzen wird immer noch kontrovers diskutiert. Viele der damit verbundenen Risiken müssten noch wesentlich genauer untersucht werden (1).

2. Die genetische Stabilität der transgenen Pflanzen unter wechselnden Bedingungen wie dem Klimawandel wurde im Detail nie erforscht (2).

3. Die Wechselwirkungen eines kombinierten Anbaus der verschiedenen Gentechnik-Maispflanzen und deren Verwendungen als Mischungen in Futtermitteln wurden nicht getestet, obwohl es deutliche Hinweise darauf gibt, dass die von den Pflanzen produzierten Bt-Toxine durch andere Stoffe wie Rückstände von Herbiziden wesentlich verstärkt werden können (3).

4. Es gibt erhebliche Probleme mit dem gesetzlich vorgeschriebenen Monitoring des Anbaus: Monsanto hat über mehrere Jahre hinweg Berichte zum Anbau von MON810 vorgelegt, die den Anforderungen der Europäischen Lebensmittelbehörde EFSA nicht genügen. Zudem ist 2012 das Patent auf MON810 ausgelaufen, weswegen Monsanto das gesamte System des Monitorings infrage stellt: Auch andere Firmen könnten jetzt das Saatgut auf den Markt bringen, ohne Monsanto darüber zu informieren. Soweit es Testbiotech bekannt ist, sind auch die Patente auf Bt11 und Mais 1507 abgelaufen. So lange die Frage des Monitoring nicht geklärt ist, können auch keine weiteren Zulassungen erfolgen (4).

5. In Spanien und Frankreich wurden in den letzten Jahren immer wieder Teosinte-Pflanzen entdeckt. Diese können mit Mais gemeinsame Nachkommen bilden, wodurch die Entstehung von neuen Superunkräutern droht, die mehrere Bt-Insektengifte produzieren und resistent gegenüber Herbiziden sind. Monsanto hatte den EU-Behörden das Auftreten der Teosinte über mehrere Jahre hinweg verschwiegen. In Spanien sind offiziell inzwischen 750 Hektar betroffen. Einige der Teosinte-Pflanzen wurden auch in Feldern gefunden, auf denen der transgene Mais MON810 wächst. Es besteht eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass die gentechnisch veränderten Eigenschaften des Mais über die Teosinte auch auf andere Felder gelangen und dort überdauern können und sich so jeglicher Kontrolle entziehen (5).

Vor dem Hintergrund dieser Risiken und Gefahren für Landwirte und die Umwelt und unter Berücksichtigung bestehender Unsicherheiten im Hinblick auf den Schutz der Gesundheit von Mensch und Tier, empfiehlt Testbiotech der EU-Kommission und den Mitgliedsländern der EU, den Anbau des Gentechnik-Mais nicht zuzulassen.

Verschiedene Mitgliedsländer haben den Anbau von gentechnisch verändertem Mais auf ihrem Territorium bereits untersagt. Allerdings wurde bisher keines dieser Verbote durch gerichtliche Entscheidungen bestätigt. Daher bestehen rechtliche Unsicherheiten, die alle Mitgliedsländer der EU betreffen, wenn der Mais für den Anbau zugelassen wird. Eine Debatte zwischen der EU-Kommission und den Mitgliedsländern ist für Mitte Oktober geplant (6).


Weitere Informationen

(1) Hilbeck & Otto (2015) Specificity and Combinatorial Effects of Bacillus Thuringiensis Cry Toxins in the Context of GMO Environmental Risk Assessment,
http://journal.frontiersin.org/article/10.3389/fenvs.2015.00071

(2) Trtikova et al. (2015) Transgene Expression and Bt Protein Content in Transgenic Bt Maize (MON810) under optimal and stressful environmental conditions.
http://journals.plos.org/plosone/article?id=10.1371/journal.pone.0123011

(3) Bohn et al. (2016) Daphnia magna negatively affected by chronic exposure to purified Cry-toxins,
http://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0278691516300722

(4) Testbiotech-Pressemitteilung: Anbau von Gentechnik-Mais MON810 auf der Kippe,
www.testbiotech.org/node/1224

(5) Testbiotech-Pressemitteilung: Durch Anbau von Gentechnik-Mais drohen neue Superunkräuter,
www.testbiotech.org/presse-superunkraeuter-gentechnikmais

(6) Treffen des Standing Committee "Genetically Modified Food and Feed and Environmental Risk" am 14.10.2016,
http://ec.europa.eu/food/plant/standing_committees/sc_modif_genet/index_...

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Quelle:
Testbiotech e. V., 06.10.2016
Institut zur unabhängigen Folgenabschätzung in der Biotechnologie
Frohschammerstr. 14, 80807 München
Tel: 089/35899276
E-Mail: info@testbiotech.org
Internet: www.testbiotech.org


veröffentlicht im Schattenblick zum 7. Oktober 2016

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