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ENERGIE/027: Brasilien - 'Grüne' Energie auf dem Vormarsch, Windkraft schafft faire Arbeitsplätze (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 21. November 2011

Brasilien: 'Grüne' Energie auf dem Vormarsch - Windkraft schafft faire Arbeitsplätze

von Alice Marcondes


São Paulo, 21. November (IPS) - Unternehmen, die auf gesellschaftliche Forderungen nach einer 'sauberen' Wirtschaft eingehen wollen, bieten zunehmend 'grüne' Jobs an. Auch Brasilien folgt dem Trend und baut seinen Windenergiesektor aus. Nutznießer ist der strukturschwache Nordosten des Landes.

Nach Erkenntnissen der Internationalen Arbeitsorganisation ILO entsprechen mehr als 2,6 Millionen Stellen auf dem formellen brasilianischen Arbeitsmarkt diesen Kriterien. Somit tragen 6,7 Prozent aller Arbeitnehmer in dem südamerikanischen Land zu einer nachhaltigen ökologischen Entwicklung bei.

ILO geht in einer in Brasilien veröffentlichten Studie davon aus, dass die Zahl dieser Stellen mittelfristig weiter ansteigen wird. Fast 550.000 Personen sind im Bereich der erneuerbaren Energien tätig, der als eine der wachstumsträchtigsten Marktnischen gilt.

Die wichtigsten 'grünen' Arbeitsfelder sind zurzeit noch Biospritproduktion aus Zuckerrohr und große Wasserkraftwerke. Vorangetrieben wird das Wachstum im Sektor der erneuerbaren Energien aber vor allem durch Windturbinen.

Die Erzeugung von Windenergie schafft vor allem faire Arbeitsplätze. "Der Windenergie-Sektor besteht aus großen Projekten, die hauptsächlich feste Stellen schaffen", sagte Paulo Sérgio Muçouçah, der für ILO in Brasilien die nachhaltigen Arbeitsplatzprogramme koordiniert.


Windkraftsektor ohne Arbeitskonflikte

"Da die Arbeitskräfte offiziell registriert und ihre Arbeitsrechte gewahrt werden, kann man ihre Beschäftigung als 'fair' bezeichnen. In der Zuckerrohrindustrie und der Wasserkraftproduktion ist dagegen eine Rekordzahl von Arbeitskonflikten verzeichnet worden, sowohl auf Plantagen als auch beim Bau von Staudämmen", erklärte Muçouçah. "Damit sind diese Bereiche im Vergleich zur Windenergie im Nachteil."

Der Anteil der Windkraft an den weltweit erzeugten Energien ist im Laufe der vergangenen 15 Jahre um fast das 32-Fache gestiegen. In Brasilien war das Wachstum allerdings eher verhalten. Obwohl die großen Windkraftanlagen dem Atlas des brasilianischen Windenergiepotenzials zufolge 300 Gigawatt produzieren könnten, betrug die installierte Kapazität im Mai dieses Jahres nur knapp ein Gigawatt, was einer Milliarde Watt entspricht.

Der Zehn-Jahres-Plan der brasilianischen Regierung für die Energieentwicklung sieht vor, dass die Kapazitäten bis 2020 auf zwölf Gigawatt erweitert werden sollen. Der Brasilianischen Vereinigung für Windkraft (Abeeólica) geht dies jedoch nicht weit genug. "Wir hoffen, dass wir mit etwa 22 Gigawatt die doppelte Leistung erreichen", sagte Elbia Melo, die Geschäftsführerin von 'Abeeólica'.

Zurzeit stellt der Sektor etwa 13.000 direkte und indirekte Arbeitsplätze in der Produktion und in der Vermarktung der Stromerzeugerdienste bereit. Eingerechnet sind auch die Beschäftigten, die für den Bau von Windkraftanlagen benötigt werden. "Auch die Herstellung von Turbinen und anderen Komponenten bietet einen vielversprechenden Markt", sagte Muçouçah. In Brasilien arbeiten laut dem ILO-Experten bereits drei solcher Fabriken. Zudem hätten etliche weitere Unternehmen die Voraussetzungen für die Eröffnung derartiger Produktionsanlagen untersuchen lassen.

Windkraft benötigt im Vergleich zur Wasserkraft mehr Personal und kann daher eine größere Zahl von Arbeitsplätzen schaffen. Um ein Terawatt (eine Billion Watt) zu erzeugen und an die Verbraucher weiterzuleiten, werden in Windkraftanlagen 918 bis 2.400 Arbeitskräfte gebraucht. Ein Wasserkraftwerk kommt dagegen mit 250 Beschäftigten aus, um die gleiche Menge Strom herzustellen und zu verteilen.


Armer Nordosten Brasiliens profitiert von Projekten

Laut Muçouçah verteuert sich die Windenergie durch den Einsatz von mehr Arbeitskräften nicht. "Der Bau von Wasserkraftwerken ist extrem kostenintensiv", erklärte er. "Dafür muss am Ende der Verbraucher zahlen."

43 der bisher 62 Windkraftanlagen in Brasilien befinden sich im Nordosten, die mit Winden vom Atlantik versorgt werden. "Dadurch, dass die Arbeitsplätze in der ärmsten und rückständigsten Region Brasiliens entstehen, trägt die Windenergie auch zur Entwicklung bei", fügte der ILO-Verantwortliche hinzu.

Bei der jüngsten Vergabe von öffentlichen Aufträgen im Energiebereich erhielten Windkraftfirmen von der Zentralregierung den Zuschlag für die Hälfte der Verträge. Sie sehen die Produktion von insgesamt zwei Gigawatt zu einem Preis von umgerechnet weniger als 58 Dollar pro Megawattstunde vor. Damit liegen die Kosten deutlich unter denen für Wasserkraft. Als Voraussetzung für ein robustes Wachstum sieht Abeeólica-Chefin Melo allerdings noch den Ausbau der Transportlogistik. (Ende/IPS/ck/2011)


Links:
http://www.oit.org.br/sites/default/files/topic/green_job/pub/empregos_verdes_brasil_256.pdf
http://www.cresesb.cepel.br/publicacoes/index.php?task=livro&cid=1
http://www.abeeolica.org.br/site/zpublisher/secoes/home.asp
http://www.ipsnoticias.net/nota.asp?idnews=99531
http://www.ipsnews.net/news.asp?idnews=105772

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veröffentlicht im Schattenblick zum 22. November 2011