Schattenblick →INFOPOOL →UMWELT → INTERNATIONALES

ENERGIE/016: Wüsten-Strom-Projekt Desertec - Nordafrikanische "Revolutionen" als "Türöffner" (UZ)


UZ - Unsere Zeit, Nr. 17 vom 29. April 2011 / Hintergrund

Wüsten-Strom-Projekt Desertec
Nordafrikanische "Revolutionen" als "Türöffner"

Von Hans-Peter Brenner


Es war ein wenig ruhig geworden um das gigantische Solarenergie-Projekt "Desertec". Im Juli 2009 hatte ein internationales Solarenergie-Konsortium mit ersten Bekanntmachungen weltweit aufhorchen lassen. "Europas Energiehunger soll durch riesige Solaranlagen in der Sahara gestillt werden!" So, oder so ähnlich klangen die Meldungen. (Vergl. unsere zeit - Zeitung der DKP, 26. Juni 2009: "Aufbruch ins monopolkapitalistische Solarzeitalter?") Auch die finanziellen Dimensionen des Projektes ließen aufhorchen. Alles klang irgendwie phantastisch und grandios. Experten schätzten im Sommer 2009 das Projektvolumen auf 400 Milliarden Euro. Allein der Bau solarthermischer Kraftwerke in der Sahara würde etwa 350 Milliarden Euro verschlingen. Den Rest würden die Baukosten für neue Gleichstrom-Hochspannungsnetze erfordern, die den Strom nach Europa leiten sollten. Das Projekt wurde als "eine der größten privaten Ökostrom-Initiativen aller Zeiten" gefeiert.

Zu den Hauptinitiatoren dieses Großprojektes zählte der größte und weltweit operierende Versicherungskonzern "Münchner Rück" (Munich Re). Waren es zu Beginn 20 Großunternehmen, so sind mittlerweile 50 Firmen aus Europa und Nordafrika beteiligt. Aus Deutschland sind unter anderem die Deutsche Bank, E.ON, RWE, Schott Solar und Siemens dabei.

René Umlauft, Vorstandsvorsitzender von "Siemens Renewable", im Siemens-Konzern zuständig für das Geschäft mit erneuerbaren Energien wie Windkraft- und Solaranlagen, strahlte damals puren Optimismus aus: "Wir wissen längst, dass es funktioniert", sagt er. "Technisch ist alles machbar." Und weiter hieß es bei Siemens: "Desertec ist aus unserer Sicht ein visionäres und sehr spannendes Projekt. Eine Fläche von 300 mal 300 Kilometern mit Parabolspiegeln in der Sahara würde ausreichen, um den gesamten Energiebedarf der Erde zu decken." (www.faz.net vom 16.06.09) In etwa zehn Jahren werde der erste Solar-Strom nach Europa und Deutschland fließen, wenn noch mehr Konzerne mitmachten.


Verschleierungstaktik eines straff organisierten Konzerns

Knapp zwei Jahre später, hält die offizielle homepage "www..desertec.org" sich in der Frage der Initiatoren und Finanziers seltsam bedeckt. Die Selbstdarstellung könnte von einer kleinen Bürgerinitiative oder einem "Lions Club" aus dem hinteren Westerwald oder aus der tiefsten Eifel stammen (Nichts gegen diese schönen Landstriche und deren Menschen!) Auf die selbst gestellte Frage: "Wer steht hinter Desertec?" kommt folgende rührend-naiv-klingende Antwort: "Die DESERTEC Foundation wurde am 20. Januar 2009 als gemeinnützige Stiftung gegründet, um die Umsetzung des globalen DESERTEC-Konzeptes 'Sauberer Strom aus Wüsten' weltweit voranzutreiben. Stiftungsgründer der DESERTEC Foundation sind die Deutsche Gesellschaft Club of Rome e. V., Mitglieder eines internationalen Wissenschaftlernetzwerks sowie engagierte Privatpersonen, die sich schon seit langem für die DESERTEC-Idee einsetzen." Wie es um die Qualität der "Partner" bestellt ist, lässt sich durch einen weiteren Mausklick erfahren. "Die DESERTEC Foundation wurde am 20. Januar 2009 mit der Unterstützung Seiner Königlichen Hoheit Prinz Hassan bin Talal von Jordanien sowie der Deutschen Gesellschaft Club of Rome e. V. gegründet." Also ein veritabler Königssohn ist dabei. Und dann folgt eine Liste von Privatpersonen mit und ohne Ing.- bzw. Dr.-Titel. Alles "gestandene" Männer.

Das klingt zu naiv und harmlos, um wahr zu sein. Weshalb dann eine Organisationsstruktur dieser "gemeinnützigen Stiftung", die doch eher einem Großkonzern ähnelt und schon auf den allerersten Blick etwas ganz anderes signalisiert? Die "DESERTEC Foundation" verfügt über Aufsichtsrat, Management, Netzwerk-Koordinatoren, Partner & Unterstützer.

Vorsitzender des Aufsichtsrates der DESERTEC Foundation ist Max Schön, ein "Unternehmer aus Lübeck und Präsident der Deutschen Gesellschaft Club of Rome e. V.". Eines von fünf weiteren Mitgliedern des Aufsichtsrates ist Dr. Gerhard Timm, seines Zeichens Geschäftsführer der BAG der Freien Wohlfahrtspflege e. V. in Berlin.

Also doch !? Selbstlos, uneigennützig, karitativ, menschenfreundlich - diese Attribute purzeln einem nur so durchs Gehirn. Sollte man nicht froh sein, wenn solche "seriösen" Herren sich endlich einem der wichtigsten Menschheitsprobleme annehmen. Als "Stiftung" "gemeinnützig" - irgendwie fast schon "kommunistisch" zumindest aber "humanistisch"!? Zweifel sind mehr als angebracht.


Aktiv "trotz" der Unruhen in Nordafrika?

Hauptinstrument der DESERTEC Foundation ist die "Industrieinitiative DII GmbH"; das Kürzel DII steht für "Desertec Industrial Initiative." Deren Aufgabe ist laut Firmenwerbung "die Beschleunigung der Umsetzung des DESERTEC-Konzeptes in der Fokusregion EUMENA." (EUMENA = Europa, dem Nahen Osten und Nordafrika) Dabei ist vieles nicht bekannt; aber die Erfolge sind geradezu "durchschlagend". Dazu passt eine kleine, unscheinbare Meldung, lanciert von der französischen Presseagentur AFP. Man erinnere sich: die ersten Nachrichten über die "humanitären und menschenfreundlichen" Rettungsaktionen des französischen Präsidenten in Libyen, bei denen es angeblich nur und ausschließlich um den "Schutz von Zivilisten" geht, die von einem "monströsen Diktator" gepeinigt werden, liefen unkommentiert auch über AFP.

In der jüngsten Meldung zu "Desertec" nun heißt es am 11. April bei AFP: Das Wüstenstrom-Projekt Desertec plane "trotz (!!!) der jüngsten Unruhen in der arabischen Welt, dort den Bau von Solarkraftwerken voranzutreiben." Die erste solarthermische Anlage solle in Marokko entstehen. Ende 2012 würden die Ausschreibungen für das erste Desertec-Solarkraftwerk erfolgen. Ab etwa 2015 könne dann der Bau der Anlage beginnen. Aus der rund zwei Milliarden Euro teuren Pilotanlage in Marokko sollen laut DII zunächst 80 Prozent des Stroms ins Ausland fließen, 20 Prozent sollen dem marokkanischen Energiemarkt bleiben. Die marokkanische Anlage wird nach den Plänen von DII eine Leistung von 500 Megawattstunden aufbringen. Endgültig "abgesegnet" seien diese Pläne von den dortigen Verantwortlichen jedoch noch nicht. Derzeit seien noch einige "regulatorische, politische und Finanzierungsfragen zu klären."


Unsicherheitsfaktor "politische Stabilität"

Es handelt sich dabei ganz offenkundig um grundsätzliche Fragen, die Desertec (nicht nur) für Marokko noch nicht beantwortet hat. Nach eigener Darstellung sei etwa noch nicht festgelegt, wie viel Prozent des Solarstroms nach Europa exportiert werden sollen und wie viel im jeweiligen Land bleibt. Entsprechend bleibe auch noch offen, wie viel Geld "Europa" in den Aufbau von Desertec-Kraftwerken stecken werde.

Man darf spekulieren: Jedem Laien fällt das krasse Ungleichgewicht der Verteilung des marokkanischen Wüstenstroms auf: 80 Prozent für Europa und nur 20 Prozent für den "Hersteller"!? Will Marokko etwa "zu viel" von der im Prinzip kostenlos vom Himmel abzuzapfenden Solarenergie für sich selbst behalten? Verbirgt sich das hinter den "regulatorischen" Unklarheiten? Und wann wird das marokkanische Königshaus nachgeben? Und wenn es sich zu sehr "ziert"? Gibt es dann noch eine weitere "Revolution" in Nordafrika?

Damit wird die alles entscheidende, die Frage nach den ungeklärten "politischen Rahmenbedingungen" des Mammut-Projektes in der Sahara aufgeworfen. Bereits bei der Vorankündigung des Projektes im Jahre 2009 konnte ein etwas wachsamer Leser nicht umhin angesichts einiger Formulierungen zu stutzen. Am 16. 6. 2009 konnte man bei FAZ-Net folgenden Hinweis finden: "Das Unternehmen Solarworld sieht die Pläne sogar recht skeptisch. 'Baut man die Solarkraftwerke in politisch instabilen Ländern (Hervorhebung durch mich - HPB), bringt man sich in die gleiche Abhängigkeit wie beim Öl', sagte der Vorstandsvorsitzende Frank Asbeck." Und Münchner-Rück-Vorstand Jeworrek sagte der "Süddeutschen Zeitung", es sei wichtigstes Kriterium, dass die Anlagen in politisch stabilen Ländern stehen. "Technisch ist das Projekt realisierbar", sagte Jeworrek damals.

Die Frage nach der politischen "Stabilität" bewegte von Beginn an die Gemüter der Investoren. Kein Wunder bei diesen Riesensummen. Das Projekt müsse und werde sich langfristig selbst tragen erklärte der Siemens-Manager; Vorausetzung jedoch sei: "Es braucht natürlich am Anfang eine gewisse Investitionssicherheit, zum Beispiel eine Abnahmegarantie zu einem bestimmten Preis."


BRD-Imperialismus braucht und verschafft sich "Investitionssicherheit"

Dass deutsche Großkonzerne es verstehen, auf eine ganz besondere Art für "Investitionssicherheit" und die geeigneten "politischen Rahmenbedingungen" zu sorgen, zeigt ein Blick nicht nur in die Geschichte des räuberischen deutschen Imperialismus vor 1945, sondern auch in die Jahrzehnte danach. Unvergessen ist und bleibt die Rolle (west-)deutscher Konzerne und Institutionen bei der Wühlarbeit und beim Putsch gegen die Regierung der chilenischen Unidad Popular-Regierung unter Salvador Allende am 11. September 1973.

Der Leiter der chilenischen Niederlassung des Westdeutschen Chemiekonzerns "Farbwerke Hoechst" schrieb nur wenige Tage nach dem Putsch (am 17. 9.) in einem Brief an den Mutterkonzern in Frankfurt/M. adressiert an "Wirtschaftspol. Abteilung Handelspol. Büro": "Betr.: Regierungswechsel in Chile. Der so lang erwartete Eingriff der Militärs hat endlich stattgefunden." (Vergl. Faksimile des Briefes in: Chile. Ein Schwarzbuch, S. 102).

Die Dresdner Bank, die Deutsche Bank, die Konrad-Adenauer-Stiftung, das Goethe-Institut und hochrangige Konzernvertreter, die im "Arbeitsring Ausland für kulturelle Aufgaben e. V." organisiert waren, zählten zu den ideell-politischen und finanziellen Unterstützern des Lagers der Putschisten.


Nordafrikanische "Revolutionen" ganz im Sinn von Desertec

Und heute? Ist es ein Zufall, dass der Berliner "Tagesspiegel" am 11. April dieses Jahres mit der Meldung "Desertec setzt auf die Revolution" Schlagzeile machte? Ist es ein Zufall, dass man lesen konnte: "Das Wüstenstromprojekt Desertec sieht sich durch die Demokratisierung in Nordafrika gestärkt"?

Nach Marokko, so hieß es im "Tagesspiegel" weiter, plane Desertec jetzt ein Engagement in Tunesien. Deshalb hätten Vertreter des Konsortiums in verschiedenen Ministerien der dortigen Übergangsregierung offizielle Verhandlungen aufgenommen, erklärte der "Koordinator für wissenschaftliche Zusammenarbeit" bei Desertec, Mouldi Miled, der ganz zufällig (?) tunesischer Staatsangehöriger ist. "In Tunesien haben wir unglücklicherweise - oder vielleicht auch glücklicherweise - kein Öl", sagte Miled, "wir brauchen neue Energien." Noch deutlicher wurde am 11. 4. Die "Süddeutsche Zeitung". In Tunesien könne jetzt der Bau von Desertec-Anlagen "vorangehen". Das Industriekonsortium DII habe eine "Machbarkeitsstudie" für den Bau von Sonnenkraftwerken in den Wüsten des nordafrikanischen Landes gestartet.

DII-Chef Paul van Son habe bereits mit der tunesischen Übergangsregierung weitere Schritte zur Realisierung der "Wüstenstromvision" vereinbart. Mehrere Minister der Regierung hätten bei einem Besuch die Unterstützung der Pläne signalisiert. Nach Marokko, das unmittelbar vor dem Bau erster Anlagen steht, könnte Tunesien damit das zweite Land werden, das den Bau solarthermischer Kraftwerke vorantreibt. Das habe für die Initiative "strategische Bedeutung", hieß es weiter.

Die Erneuerbare-Energien-Tochter des staatlichen Energiekonzerns STEG und die DII loteten dazu nun gemeinsam mögliche Standorte für große Solar- und Windenergie-Projekte in Tunesien aus. Untersucht werden dabei die technischen und regulatorischen Voraussetzungen für die Einspeisung der Energie in lokale Netze und den Export des Stroms in Nachbarländer sowie nach Europa. Auch die Finanzierung eines möglichen Referenzprojekts in Tunesien sei besprochen worden.

Um den Ausbau der Desertec-Pläne in Nordafrika rascher vorantreiben zu können, eröffne die DII zudem ein eigenes Büro in Tunis. Vertreter von Desertec in Nordafrika soll der ehemalige Tunesien-Chef des Industriekonzerns Siemens, René Buchler, werden. Der Industriemanager arbeite seit vielen Jahren in der Region. Er verfüge daher über viel Erfahrung in der Umsetzung großer Projekte.

DII-Chef van Son erklärte: "Die enge Zusammenarbeit mit der tunesischen Regierung und die Gründung des tunesischen Büros schaffen die Grundlage, um die Verwirklichung der Desertec-Vision zu beschleunigen."
(www.sueddeutsche.de/wirtschaft/desertec-in-tunesien-wuestenstrom-nach-der-revolution-1.1083604)


"Revolutionen" als "Türöffner" für die Energie-Konzerne

Am 31. März hatte Desertec bereits in einer Stellungnahme mit dem Titel "Regierungswechsel hat Tür für Energierevolution geöffnet" seine unverhohlene Zufriedenheit mit dem Regimewechsel in Nordafrika erklärt. Es hieß darin: "Nach den erfolgreichen politischen Umbrüchen in Ägypten und Tunesien blicken Experten einer Energiewende hin zu erneuerbaren Energien zuversichtlich entgegen. Hani Nokraschy, stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender der DESERTEC Foundation, bewertet die Revolution in Ägypten als durchweg positiv für die Umsetzung des ehrgeizigen Wüstenstromkonzeptes und auch in einigen Nachbarländern wird man aufmerksam."

Einen "steigenden Energiebedarf" sehen Experten auch für Ägypten. Sowohl Tunesien als auch Ägypten hoffen, durch den Bau der Wüstenstrom-Anlagen nicht nur mehr "saubere Energie" zu gewinnen, sondern auch die eigene Wirtschaft anzukurbeln.

Und Libyen?? Es wäre keine wirkliche Überraschung, wenn nach einem von der NATO herbei gebombten Sieg der "aufständischen Gaddafi-Gegner", an deren Spitze ausgemachte Experten aus dem Internationalen Währungsfonds mit großen Investmenterfahrungen zu finden sind, demnächst ähnliche Meldungen erschienen.

http://dkp-online.de/uz/


*


Quelle:
Unsere Zeit (UZ) - Zeitung der DKP, 43. Jahrgang, Nr. 17 vom 29. April 2011, Seite 9
Herausgeber: Parteivorstand der DKP
Anschrift von Verlag und Redaktion:
Hoffnungstraße 18, 45127 Essen
Telefon 0201 / 22 54 47
E-Mail: redaktion@unsere-zeit.de
Internet: www.unsere-zeit.de

Die UZ erscheint wöchentlich.
Einzelausgabe: 2,80 Euro
Jahresbezugspreise:
Inland: 126,- Euro
Ausland: 130,- Euro
Ermäßigtes Abo: 72,- Euro


veröffentlicht im Schattenblick zum 6. Mai 2011