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ARTENSCHUTZ/070: Indien - Rückkehr der Geparden, Auswilderungspläne erzürnen Bundesstaat Gujarat (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 18. April 2012

Indien: Rückkehr der Geparden - Auswilderungspläne erzürnen Bundesstaat Gujarat

von Malini Shankar


Auch die Thar-Wüste soll Heimat afrikanischer Geparden werden - Bild: © Malini Shankar/IPS

Auch die Thar-Wüste soll Heimat afrikanischer Geparden werden
Bild: © Malini Shankar/IPS

Bangalore, Indien, 18. April (IPS) - Der indische Bundesstaat Gujarat wehrt sich gegen Pläne der Zentralregierung, in verschiedenen Regionen des südasiatischen Landes Geparden aus Afrika auszuwildern. Damit soll der Verlust der einheimischen Art wettgemacht werden. Die indischen Großkatzen gelten seit 1952 als ausgestorben. Sie waren dem Jagdfieber lokaler Adliger zum Opfer gefallen.

Die Behörden in Gujarat begründen ihre ablehnende Haltung damit, dass vor einer Einführung fremder Tierarten zunächst die in Indien vorkommenden Arten geschützt werden müssten. Sie wandten sich an den Obersten Gerichtshof. Das Umweltministerium schlug daraufhin für den 9.‍ ‍April eine Anhörung vor, die jedoch nicht stattfand. Nun muss ein neuer Termin gefunden werden. Die Zentralregierung wollte mit dem Projekt noch in diesem Frühjahr beginnen.

Neu-Delhi beruft sich auf eine wissenschaftliche Studie des 'Wildlife Institute of India' (WII) und des 'Wildlife Trust of India' (WTI), die eine Wiedereinführung der ausgerotteten Großkatze dringend empfehlen. "Indien verfügt über die wirtschaftlichen Voraussetzungen, um sich Gedanken darüber machen zu können, sein Naturerbe aus ethischen und ökologischen Gründen wiederzubeleben", schrieben die Autoren Y.V. Jhala und M.K. Ranjitsinh und schlugen mehrere Orte in den Bundesstaaten Rajasthan, Gujarat, Madhya Pradesh, Uttar Pradesh und Chhattisgarh als geeignete Geparden-Lebensräume vor.


Anwohner sollen umgesiedelt werden

Die Zentralregierung gibt die Kosten für das Geparden-Projekt mit umgerechnet 58 Millionen US-Dollar an. 351.000 Dollar sind für das laufende Jahr vorgesehen. Ein Großteil der Gelder soll für die Instandsetzung der künftigen Geparden-Habitate und für finanzielle Anreize verwendet werden, um die dort lebenden Menschen zu einem Umzug in andere Regionen zu bewegen. Für die insgesamt 45 afrikanischen Geparden müsste Indien nichts bezahlen. Sie wären ein Geschenk der namibischen Stiftung für Gepardenschutz.

Die Regierung in Neu-Delhi hatte bereits 2009 eine Studie in Auftrag gegeben, die die Einführung gesunder Geparden-Populationen aus Afrika und dem Iran empfiehlt. Dadurch sollte ein Gen-Pool gebildet werden, um das langfristige Überleben der Spezies zu garantieren. Als Voraussetzungen wurden geeignete Habitate und eine Umsiedlung der dort lebenden Menschen genannt.

Die gemeinsame Untersuchung von WII und WTI geht davon aus, dass sich die Rückkehr der Geparden positiv auf die ausgewählten Habitate auswirken und die Zahl ihrer Beutetiere wie Hirschziegenantilopen, Hirsche und Hasen gesundschrumpfen wird. Zu den zehn in der Studie vorgeschlagenen Projektgebieten gehören neben semi-ariden Dschungelgebieten auch Wüsten und Grassteppen.

Nachdem das Oberste Gericht das Projekt ausgesetzt hat, geht die Debatte mit unverminderter Heftigkeit weiter. Die Regierung von Gujarat argumentiert, dass einer der für die Geparden ausgewählten Orte - der Kuno-Palpur-Wildpark im Nordwesten von Madhya Pradesh - bereits als neue Heimat asiatischer Löwen aus dem Gir-Nationalpark in Gujarat vorgesehen sei.


Konflikte zwischen verschiedenen Raubtierarten befürchtet

In Kuno Palpur gibt es zudem schon andere Wildkatzen wie Tiger und Leoparden, die dort ausgewildert wurden oder selbst eingewandert sind. Die Behörden in Gujarat argumentieren, dass das Gebiet für so viele verschiedene Raubtierarten zu klein sei und die Nahrung nicht ausreichen würde.

Da Löwen der Stolz Gujarats sind, stellt sich die Regierung des Bundesstaates entschieden gegen das Geparden-Projekt. Unterstützung erhält sie von Umweltschützern, die eine Wiederansiedlung der Geparden mit der Begründung ablehnen, die verfügbaren Ressourcen sollten lieber in den Erhalt der bedrohten Tiger gesteckt werden. Ihrer Meinung nach soll die Neuansiedlung der Geparden vor allem von der 'Tiger-Krise' ablenken.

"Das Projekt ist vom wissenschaftlichen Standpunkt her schlecht geplant. Es ist höchst unwahrscheinlich, dass es längerfristig für eine lebensfähige Population wildlebender Geparden sorgen wird", meint der Biologe Ullas Karanth von der 'Wildlife Conservation Society' in Bangalore.

Schon die Versuche, die gefährdeten Tiger zu retten, seien erfolglos, warnte Praveen Bhargav von der Umweltgruppe 'Wildlife First'. Die Bestände gingen in vielen Reservaten und Habitaten immer weiter zurück.

Andere Umweltorganisationen geben zu bedenken, dass auf dem Subkontinent zahlreiche Arten wie Luchse, Nebelparder und Schneeleoparden vorkommen. Durch die Wiedereinführung der Geparden könnten sie in Bedrängnis gebracht werden.

Doch Jhala zufolge gilt es beides zu tun: die Tiger und Löwen zu schützen und die Geparden zurückzuholen, die durch Menschenhand ausgerottet worden seien. "Wir haben die moralische Pflicht, unser Land und das in der jüngeren Vergangenheit verlorene biologische Erbe wiederherzustellen." (Ende/IPS/ck/2012)

Links:
http://199.48.254.95/~wtiorgin/publications/cheetah-report.pdf
http://www.ipsnews.net/news.asp?idnews=107388

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veröffentlicht im Schattenblick zum 20. April 2012