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ATOM/053: Taiwan läßt zwei neue Reaktoren nicht ans Netz (Strahlentelex)


Strahlentelex mit ElektrosmogReport
Unabhängiger Informationsdienst zu Radioaktivität, Strahlung und Gesundheit
Nr. 658-659 / 28. Jahrgang, 5. Juni 2014

Atomwirtschaft
Taiwan läßt zwei neue Reaktoren nicht ans Netz

von Thomas Dersee



Die Katastrophe von Fukushima Daiichi hat auch die Anti-AKW-Bewegung in anderen Ländern der Region vorangebracht. Am 27. April 2014 verkündete der taiwanesische Premierminister, zwei Siedewasserreaktoren des Typs General Electric/Hitachi Advanced Boiling Reactor würden im Kraftwerk Lungmen im Norden der Insel vorläufig nicht in Betrieb genommen. Der Bau des Kraftwerks hatte 1999 begonnen, die Inbetriebnahme war für 2006 vorgesehen. Der eine Reaktor ist fertiggestellt, aber noch nicht beladen und soll nun "versiegelt" werden, der zweite wird vorläufig nicht weitergebaut. Das Kraftwerk wäre das vierte auf der dicht besiedelten Insel gewesen.

In den letzten Jahren gab es mehrere Großdemonstrationen gegen Atomkraft mit bis zu zweihunderttausend Teilnehmern. In den Tagen vor der Erklärung des Premierministers hatten mehrere zehntausend Demonstranten eine Zufahrtsstraße zum Hauptbahnhof der Hauptstadt Taipei mit einem Sitzstreik blockiert. Ein führender Politiker der parlamentarischen Opposition war in den Hungerstreik getreten. "Noch nie hat sich das Volk von Taiwan so entschlossen gezeigt wie in den letzten zwei Wochen. Ich bin bewegt und voller Bewunderung und bedanke mich bei allen. Die Gegner der Atomkraft sollten jetzt einen Schritt nach vorn tun und sicherstellen, daß auch der Zeitplan für die Schließung der Kraftwerke Eins, Zwei und Drei eingehalten wird," sagte Lin Yi-hsiung nach Beendigung seines Hungerstreiks am 30. April 2014.

Taiwan liegt auf dem Pazifischen Feuerring. Erst 1999 hatte ein starkes Erdbeben die Insel erschüttert und etwa 2.400 Menschen das Leben gekostet. Bereits die sechs Reaktoren in Betrieb stellen, so ein Bericht des taiwanesischen Rates zum Schutz natürlicher Ressourcen, wegen der Erdbeben- und Tsunamigefahr und der dicht besiedelten Umgebung extrem hohe Risiken für einen Unfall mit verheerenden Konsequenzen dar.

Das Atommüllproblem ist auch auf Taiwan nicht gelöst, die abgebrannten Brennstäbe werden auf dem Gelände der drei in Betrieb befindlichen Kernkraftwerke in Abklingbecken gelagert. Zur Zeit sollen das 16.617 Brennelemente sein. Die Abklingbecken haben nicht die Kapazität, die für die gesamte Laufzeit von 40 Jahren benötigt würde. Lager für die Trockenlagerung in Castoren oder für schwach-radioaktive Abfälle gibt es auf Taiwan nicht, denn die dafür vorgesehenen Gemeinden hatten sich geweigert, die erforderlichen Referenden durchzuführen.

Verschiedene Pläne, den radioaktiven Müll zu exportieren oder in Frankreich wiederaufarbeiten zu lassen, sind bisher im Sande verlaufen.

Die taiwanesische Regierung hat ein Referendum vorgeschlagen, um zu klären, wie es mit dem vorläufig außer Betrieb gestellten Kraftwerk weitergehen soll. Bisherige Referenden zu anderen Fragen sind stets an der mangelnden Beteiligung der Wahlberechtigten gescheitert. Daher verlangt die parlamentarische Opposition, entweder das Quorum herabzusetzen, oder das Kraftwerk Lungmen ohne Referendum wieder abzureißen.

WISE Nuclear Monitor No 786 vom 16. Mai 2014.


Der Artikel ist auf der Website des Strahlentelex zu finden unter
http://www.strahlentelex.de/Stx_14_658-659_S14-15.pdf

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Quelle:
Strahlentelex mit ElektrosmogReport, Juni 2014, Seite 15
Herausgeber und Verlag:
Thomas Dersee, Strahlentelex
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veröffentlicht im Schattenblick zum 13. Juli 2014