Schattenblick →INFOPOOL →UMWELT → INTERNATIONALES

ASIEN/071: Kohleabbaugebiete in Vietnam - Neues Leben auf alten Mondlandschaften (UFZ-Newsletter)


Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung GmbH - UFZ
UFZ-Newsletter Juni 2012

Neues Leben auf alten Mondlandschaften

von Tilo Arnhold



Man stelle sich vor, die Kohlebagger des rheinischen Reviers hätten die Erde bis weit nach Köln hinein abgetragen und wären erst kurz vor dem Dom zum Stehen gekommen. Im heutigen Deutschland kaum denkbar. In Vietnam dagegen sind die Tagebauhalden nur einen Steinwurf von der weltberühmten Halong-Bucht entfernt. Die "Bucht der untertauchenden Drachen" ist UNESCO-Weltkulturerbe und zieht mit ihren Kalksteinfelsen jedes Jahr Tausende von Touristen an. Bedeutendster Wirtschaftsfaktor im Norden des asiatischen Boomlandes ist jedoch die Kohleindustrie. Abbau und Siedlungen drängen sich in einem schmalen Küstenstreifen. Entsprechend hoch sind der Nutzungsdruck und auch die Notwendigkeit, die Bergbaufolgen zu mildern: Kohlestaub von den Halden belastet die Anwohner. Sickerwasser verschmutzt das Grund- und Oberflächenwasser. Der Schwefel in der Kohle sorgt für eine Versauerung der Böden.

Probleme, die denen der Tagebauregionen Mitteleuropas sehr ähneln. Auch deshalb waren hier in den vergangenen Jahren verschiedene deutsche Wissenschaftlergruppen und Unternehmen im Rahmen des vom BMBF geförderten Forschungsprojektes RAME (Research Association Mining and Environment) aktiv, um nach Konzepten für eine nachhaltige Nutzung der Kohleabbaugebiete zu suchen. Das Themenspektrum reichte von der Haldenstabilisierung über die Reinigung von Abwässern bis hin zur Rekultivierung der Halden. Die UFZ-Forscher beispielsweise haben zusammen mit der Leipziger Firma BioPlanta Pflanzenkläranlagen an die Bedingungen vor Ort angepasst und so eine kostengünstige Möglichkeit zur Abwasserreinigung geschaffen. Auch bei der Begrünung der Halden war ihre Expertise gefragt. Denn bislang fährt der staatliche Bergbaukonzern VINACOMIN tonnenweise Mutterboden an und pflanzt schnellwüchsige Arten, die gedüngt und gepflegt werden müssen. Das ist sehr aufwendig und verursacht hohe Kosten. "Dazu kommt noch, dass das Laub dieser in Monokultur angebauten exotischen Akazien- und Kiefernplantagen sehr langsam zersetzt wird, was die Gefahr von Haldenbränden erhöht. Vom Risiko, dass die Ökosysteme durch die nichtheimischen Pflanzenarten in Mitleidenschaft gezogen werden, ganz zu schweigen", berichtet Dr. Sonja Knapp, die den UFZ-Anteil am Projekt koordiniert hat.

Die Wissenschaftler suchten daher nach Alternativen und fanden sie in Arten wie dem Zedrachbaum oder dem Wilden Zuckerrohr, die dort natürlich vorkommen und daher gut an die subtropischen Bedingungen angepasst sind. "Das Wachstum dieser Arten hat selbst uns überrascht. Unseren Versuch mussten wir zwei Monate eher beenden, weil die Pflanzen die Gewächshäuser bis an die Decke zugewuchert hatten", erinnert sich Nicole Winkler, die in der Feldversuchsstation des UFZ in Bad Lauchstädt Wachstum und Konkurrenzverhalten der Pflanzen untersucht hat. Parallel lief im vietnamesischen Chinh Bac ein Begrünungsversuch im Freien, bei dem die Eignung einheimischer Arten erfolgreich bestätigt wurde. Die Chancen, die jetzt noch grauen Halden später in grüne Hügel zu verwandeln, stehen also gut.

Vorausgesetzt, es werden ein paar Aspekte beachtet: Dazu gehört auch die Nährstoffarmut des Haldenbodens. Versuche der UFZ-Bodenphysiker zeigten, dass man auf den Mutterboden durchaus verzichten kann. Anspruchslosen Pionierpflanzen kann der Start auf der Halde auch durch das Ausbringen von verkohltem Reisstroh erleichtert werden, das beim Verrotten organische Stoffe freisetzt. Kosten sparen könnte auch die Bepflanzung in "Inselbauweise". Den Raum zwischen Bepflanzungsinseln erobern die Pflanzen nach einiger Zeit von selbst. Die neuen Pflanzen können später als Bauholz oder Rohstoffe für die Pharmaindustrie genutzt werden, was die Akzeptanz bei der Bevölkerung verbessern würde.

Lösungen bietet das im vergangenen Jahr abgeschlossene Projekt also viele an. Doch werden sie auch umgesetzt? "Das Umweltbewusstsein ist leider noch nicht sehr stark ausgeprägt. Vieles wird nur kurzfristig betrachtet - ohne Langzeitfolgen und -nutzen im Blick zu haben. In dieser Frage wird sich in Vietnam in den nächsten Jahren sicher noch viel bewegen", hofft Sonja Knapp. Vor der Bevölkerung müssen die Wissenschaftler aber erst einmal die Verantwortlichen beim staatlichen Bergbaukonzern überzeugen. Und da helfen - wie fast überall auf der Welt - vor allem die finanziellen Argumente.

UFZ-Ansprechpartner:
Dr. Sonja Knapp
Dept. Biozönoseforschung

e-mail: sonja.knapp[at]ufz.de

Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:
In der Provinz Quang Ninh im Nordosten Vietnams werden 95 Prozent der Steinkohle des Landes zutage gefördert. Gleichzeitig bietet die Gegend mit der Halong-Bucht ein attraktives Ausflugsziel für viele Touristen aus der ganzen Welt.

*

Quelle:
UFZ-Newsletter Juni 2012, Seite 6
Herausgeber:
Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung GmbH - UFZ
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Permoserstraße 15, 04318 Leipzig
Tel.: 0341/235-1269, Fax: 0341/235-1468
E-mail: info@ufz.de
Internet: www.ufz.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 18. Juli 2012