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AGRARINDUSTRIE/014: Zertifikat für's Desaster - Der Round Table on Sustainable Palm Oil (FUE Rundbrief)


Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 2/2012
Lost in Translation? Von Siegeln, Labels und Zertifikaten

RSPO - Zertifikat für's Desaster

von Antje Wagner



Der Round Table on Sustainable Palm Oil (RSPO) wird sowohl von Umwelt- als auch von Menschenrechtsorganisationen scharf kritisiert. Wichtigste Kritikpunkte sind die Expansion von Palmöl-Monokulturen, die viel zu geringen Anforderungen des Zertifizierungssystems sowie fehlende Sanktionsmöglichkeiten bei Regelverstößen.

Palmöl - Segen für die Wirtschaft ...

Palmöl ist das weltweit meist genutzte Pflanzenöl. 2010 wurden rund 45 Millionen Tonnen produziert, 2015 sind es 63 Millionen Tonnen, das bedeutet eine Steigerung um 30 Prozent in nur fünf Jahren!
Die Gründe für den Boom: Palmöl ist billig und vielseitig einsetzbar. Die enorme Verbrauchssteigerung liegt zum einen an steigenden Einkommen in Schwellenländern wie Indien und Pakistan, wo Palmöl fast ausschließlich als Nahrungsmittel verwendet wird. Zum anderen trägt auch die Verwendung von Agrarkraftstoffen, die mittlerweile für rund fünf Prozent des weltweiten Palmölverbrauchs verantwortlich sind, zum steigenden Palmölkonsum bei.

... Fluch für Mensch und Umwelt

Für die Industrie ist Palmöl ein sehr begehrenswertes Produkt. Für Umweltschützer und Menschenrechtler ist es ein Desaster: Riesige Naturwälder werden für Palm-Monokulturen gerodet, die Menschenrechte werden dabei geflissentlich missachtet. Die starke wirtschaftliche Position der Plantagenbesitzer führt zu einem korrupten Geflecht von Industrie, Polizei und Politik. Vertreibungen, Morde, Folter und Entführungen sind vielfach dokumentiert.

Aufgrund der Kampagnen von Umweltorganisationen wurde diese Problematik einem breiten Publikum bekannt. Die Nutzung von Palmöl war plötzlich stark negativ besetzt. Daher rief der World Wildlife Fund for Nature (WWF) den Round Table on Sustainable Palm Oil (RSPO) ins Leben. Im RSPO sind Vertreter von Industrie, Handel, Banken und Nichtregierungsorganisationen vertreten. Ziel ist es, »nachhaltige« Anbaumethoden für Palmöl durchzusetzen.

RSPO im Aufwärtstrend

Der Handel mit RSPO-zertifiziertem Palmöl nimmt stetig zu. Die ersten Zertifizierungen wurden 2008 durchgeführt. Von 2009 bis 2011 steigerte sich die Menge zertifizierten Palmöls von 1,3 Millionen Tonnen auf 5,6 Millionen Tonnen. Rund ein Zehntel der weltweiten Palmöl-Produktion sind bereits RSPO zertifiziert. Allein dieses Wachstum macht stutzig: Können innerhalb weniger Jahre große Teile der Weltproduktion hohe ökologische und soziale Standards erfüllen? Und dies in Ländern, in denen Korruption weit verbreitet ist?

Nachhaltigkeit - das Gummi-Wort

Grundproblem des RSPO ist, dass sich kaum ein Unternehmen auf harte Zertifizierungsstandards einlassen will. Dementsprechend sind die Zertifizierungskriterien des RSPO-Labels äußerst weich und schwammig formuliert.

So gibt es zum Beispiel kein Verbot hochgiftiger Agrarchemikalien. Stattdessen heißt es in den Zertifizierungsstandards: »Wo Agrochemikalien benutzt werden, die von der Weltgesundheitsorganisation [als hochgefährliche Pestizide] kategorisiert wurden, [...] sollen die Palmölproduzenten aktiv Alternativen suchen [...]«. Solche und ähnliche Formulierungen ziehen sich durch alle RSPO-Kriterien. Es gibt kaum eine verbindliche Anforderung, die über die staatliche Gesetzgebung hinausgeht.

RSPO - ein zahnloser Tiger

Zu den schwachen Standards kommen fehlende Kontrollen und Sanktionsmöglichkeiten. Einzige Sanktionierung ist der Ausschluss aus dem RSPO. Dieser kam, trotz massiver Verstöße gegen die an sich schon schwachen Kriterien, bisher nicht vor.

Seit seiner Gründung ist der RSPO daher mit grober Missachtung der Standards durch seine Mitglieder konfrontiert. Unternehmen wie United Plantations, Sinar Mas, Wilmar oder Herakles wurden schwerer Menschenrechtsverletzungen und/oder großflächiger Naturwaldrodungen überführt. Diese Missstände brachte jedoch nicht der RSPO ans Licht der Öffentlichkeit, auch Konsequenzen wurden nicht gezogen.

Es scheint den Mitgliedern weitgehend selbst überlassen, ob sie die Regeln des RSPO beachten. »Kontrolle« üben dagegen NGOs wie Rettet den Regenwald oder Greenpeace aus, die nicht zu den Mitgliedern des RSPO zählen.

Dazu kommt, dass RSPO-Mitglieder auch einzelne Plantagen oder Teile ihrer Produktion zertifizieren können. Ein Unternehmen kann also auf einer Fläche Naturwälder abholzen und die Bevölkerung terrorisieren, auf einer anderen »nachhaltiges« Palmöl produzieren.

Wälder zu Ölfeldern

Wichtigstes Kriterium für eine nachhaltige Palmölproduktion wäre das Verbot jeglicher Neuanlage von Plantagen. Denn die extreme Expansion riesiger Monokulturen kann niemals nachhaltig sein. Im Gegenteil: Der Ausbau der Ölpalmplantagen ist eines der größten Umweltprobleme weltweit. Indonesien ist nach China und den USA drittgrößter Emittent von Kohlenstoff.

Dennoch plant Indonesien, seine Ölpalmplantagen weiter auszubauen: von heute rund fünf auf bis zu 20 Millionen Hektar. Wenn diese Pläne auch nur zum Teil umgesetzt werden, wird ein großer Teil der Wälder Indonesiens verschwinden, Millionen Tonnen Kohlendioxid werden in die Atmosphäre gelangen, Menschen und Tiere verlieren ihre Heimat.

Auch Amazonien droht die Palmöl-Plage: Gemäß dem brasilianischen Agrarforschungsinstitut EMBRAPA eignen sich 29 Millionen Hektar des Amazonasgebiets für den Anbau von Ölpalmen (zum Vergleich: die Fläche Deutschlands beträgt rund 35 Millionen Hektar).

Doch der RSPO wendet sich mit keinem Wort gegen den Ausbau der Palmplantagen, welche das eigentliche Nachhaltigkeitsproblem darstellen. Der RSPO verbietet lediglich, Primärwälder oder »Gebiete mit hohem Schutzwert« in Plantagen umzuwandeln. Wie diese »Gebiete mit hohem Schutzwert« definiert sind, bleibt offen.

De facto werden immer wieder Naturwälder für neue Palmplantagen gerodet. Aktuell wird der Konzern Herakles Farms angeklagt, eine 70.000 Hektar große Plantage im Regenwald Kameruns anzulegen. Dabei ist Herakles Mitglied im RSPO und wollte die Plantage sogar zertifizieren lassen: Im ursprünglichen Umweltgutachten hieß es, das geplante Plantagengebiet sei ökologisch nicht bedeutend.

Das fehlende Verbot des RSPO, neue Plantagen anzulegen, erinnert an die ISO-140001-Umweltzertifizierung von Atomkraftwerken: Auch diese sind nicht weniger gefährlich, wenn Orchideen auf dem Werksgelände geschützt werden.

Was ist faire Repräsentanz?

Wäre dem RSPO an Nachhaltigkeit gelegen, müsste er als erstes gegen den weiteren Ausbau der Palmölproduktion aktiv werden. Doch dies ist nicht vorstellbar, da der RSPO vor allem eine Vereinigung der Palmölindustrie ist. Von den insgesamt 617 Mitgliedern gehören 52 Prozent der Palmölindustrie an, 44 dem Handel und Finanzsektor. Nur vier Prozent der Mitglieder sind ökologisch oder sozial orientierte NGOs. Unter diesen ist der WWF als Initiator des RSPO gleich viermal, lokale Initiativen und die von Plantagen betroffene Bevölkerung sind dagegen überhaupt nicht vertreten.

Der geschäftsführende Vorstand besteht aus 16 Mitgliedern: sechs vertreten die Palmölindustrie, sechs die Hersteller, Handel und Banken und vier die NGOs. Auf der Webseite des RSPO wird diese Kräfte- und Stimmverteilung als »faire Repräsentanz der einzelnen Sektoren« gedeutet.

Was tun?

Der Ölpalmenanbau liefert zwar im Vergleich zu Soja oder Raps deutlich mehr Ertrag pro Hektar Anbaufläche. Doch aufgrund des billigen Rohstoffs, der in agroindustriellen Strukturen erzeugt wird, steigt auch der weltweite Verbrauch. Billiges Palmöl fördert so fetthaltige Ernährung und die Nutzung von Agrarkraftstoffen.

Anstatt den ungebremsten Ausbau der Palmölplantagen durch dubiose »Nachhaltigkeitszertifikate« zu unterstützen, müssen Umweltschutzorganisationen über die furchtbaren Auswirkungen der Palmölindustrie aufklären und politische Lösungen auf staatlicher Ebene anstreben. So sollte jegliche Förderung für Agrartreibstoffe abgeschafft werden, für die mittlerweile 15 Prozent der weltweit produzierten pflanzlichen Öle verwendet werden. Die Nutzung von Biomasse muss weltweit reduziert, Waldschutz muss intensiviert und finanziert werden. Ab 2015 muss die Verwendung von Palmöl in Lebensmitteln gekennzeichnet werden, so dass Verbraucher dann palmfetthaltige Produkte meiden können. Bis dahin gilt: möglichst wenig fetthaltige Fertigprodukte, Kosmetika und Waschmittel konsumieren.

Die Autorin arbeitete als Forstwirtin in Argentinien, Bolivien, Costa Rica und Chile und ist heute Referentin für Energie und Klima im Umweltinstitut München.


Das Forum Umwelt & Entwicklung wurde 1992 nach der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung gegründet und koordiniert die Aktivitäten der deutschen NRO in internationalen Politikprozessen zu nachhaltiger Entwicklung. Rechtsträger ist der Deutsche Naturschutzring, Dachverband der deutschen Natur- und Umweltschutzverbände (DNR) e.V.

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Quelle:
Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 2/2012
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veröffentlicht im Schattenblick zum 18. August 2012