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AFRIKA/084: Südafrika - Kontroverse über Atomkraft, Dissens vor Weltklimagipfel (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 29. Juli 2015

Südafrika: Kontroverse über Atomkraft - Dissens vor Weltklimagipfel

von Munyaradzi Makoni


Bild: © Gerhard Roux/CC BY-SA 4.0-3.0-2.5-2.0-1.0

Das Arnot-Kohlekraftwerk im südafrikanischen Middelburg
Bild: © Gerhard Roux/CC BY-SA 4.0-3.0-2.5-2.0-1.0

KAPSTADT (IPS) - In Südafrika halten Kernkraftgegner derzeit Mahnwachen vor dem Parlament in Kapstadt gegen den geplanten Bau von acht russischen Atomkraftwerken ab.

Die staatlichen Atomkraftpläne haben einen Keil zwischen Regierung und Zivilgesellschaft getrieben und bremsen Bemühungen aus, sich im Vorfeld der internationalen Klimakonferenz (COP21) Ende des Jahres in Paris auf eine gemeinsame Position zu einigen.

Staatspräsident Jacob Zuma und das russische Unternehmen 'Rossatom' hatten sich im September 2014 auf den Atomdeal geeinigt. Seither wächst der Widerstand gegen das 84 Milliarden US-Dollar teure Vorhaben. Das 'Southern African Faith Communities' Environment Institute' (SAFCEI), eine von Bischof Geoff Davies geführte konfessionelle Umweltinitiative, kritisierte die staatlichen Atompläne als irrwitzig und unmoralisch.

SAFCEI drängt die Regierung dazu, die umstrittenen Pläne fallenzulassen. Unterstützung kommt von Südafrikas zivilgesellschaftlichen Organisationen, (CSOs), die sich für nachhaltige Umwelt- und Klimamaßnahmen starkmachen. Obwohl sich die CSOs und die Regierung über die Notwendigkeit einig sind, möglichst rasch auf den Klimawandel zu reagieren, sind sie im Vorfeld der COP21 in Paris im Dezember noch weit von einer gemeinsamen Position entfernt.


Klimaanpassungsmaßnahmen gefordert

"Wir sind der Meinung, dass besonderer Nachdruck auf Klimaanpassungsmaßnahmen gelegt werden muss", betonte die SAFCEI-Energieexpertin Liziwe McDaid. "Der Aufbau von Kapazitäten der vom Klimawandel besonders betroffenen Gemeinschaften muss prioritär behandelt werden", fügte sie hinzu. Um den Klimawandel aufzuhalten, gelte es die Förderung der erneuerbaren Energien zu intensivieren und von einem CO2-intensiven zu einem CO2-armen Energiesektor zu gelangen.

Als Akteure, die an den Nationalen Gesprächen über den Klimawandel teilnehmen, unterstützt SAFCEI die Bemühungen um eine verantwortungsvolle Klimapolitik. "Und in vielen Fällen decken sich unsere Vorstellungen mit denen der Regierung, wie das Weißbuch gezeigt hat", erläuterte McDaid. Das südafrikanische Weißbuch listet Maßnahmen auf, die einen besonders hohen Klimaanpassungswert versprechen, das Wirtschaftswachstum begünstigen und Arbeitsplätze schaffen sowie sich positiv auf die öffentliche Gesundheit auswirken.

Doch in der Frage der Kernkraft gehen die Positionen weit auseinander. SAFCEI hält die Atomenergie für die falsche Antwort auf den Klimawandel. Der geplante Bau der Atomkraftwerke werde das Land aller Wahrscheinlichkeit nach in den Bankrott führen und die Energiearmmut weiter vorantreiben, warnte McDaid.

Nach Ansicht von David Hallowes, Wissenschaftler und Redakteur der Publikation 'Slow Poison' von 'groundWork', einer weiteren Gruppe, die zu Klimaschutzmaßnahmen drängt, fehlt es im Vorfeld der COP21 an einer gemeinsamen Position zwischen den CSOs und der Regierung.

Er wirft der Regierung vor, zu wenig im Bereich der Klimaanpassung zu unternehmen. So werde den Bergbaufirmen nach wie vor erlaubt, Böden und Gewässer in wichtigen Fischerei- und Agrarregionen zu verseuchen.

Die immer gleichen Fabriken und Entwicklungen verstärkten den Klimawandel und vergifteten die Menschen, Tiere und Pflanzen in ihrer Umgebung. Der Kampf für eine gesunde Umgebung sei längst zum Kampf gegen den Klimawandel geworden.

Hallowes zufolge gebe es unterschiedliche Ansichten in der Frage, was die erneuerbaren Energien leisten könnten. "Wir von groundWork sind nicht der Meinung, dass sie ein unendliches Wirtschaftswachstum ermöglichen werden. Ebenso wenig sind wir der Meinung, dass sie ein kapitalistisches Wirtschaftsmodell am Leben halten können. Kurzfristig sollten wir deshalb eine Verringerung des Energiebedarfs anstreben. Es geht um die Frage, wer für was Strom bekommen sollte."


Ruf nach Energiesouveränität

Auch was das Südafrikanische Programm zur Förderung der erneuerbaren Energien (REIPPP) anbetrifft, fehlt es an einem Konsens zwischen Regierung und CSOs. "Wir sind der Meinung, dass es eine demokratische Ownership ermöglichen und den Gemeinschaften die Kontrolle über die erneuerbaren Energien überlassen sollte. Wir nennen das Energiesouveränität."

Muna Lakhani, Gründer und nationaler Koordinator des 'Institute for Zero Waste in Africa' (IZWA), ist ebenso der Meinung, dass die Regierung zu wenig gegen den Klimawandel unternimmt. Selbst mit der Einführung grundlegender Mindeststandards etwa zur Messung der Luftqualität und die Einführung von CO2-Steuern, tue sie sich schwer, fügte er hinzu.

Wie Lakhani weiter erklärte, sind sich zumindest die CSOs, was die Strategien im Kampf gegen den Klimawandel angeht, einig. So seien sie für die Förderung der erneuerbaren Energien und für Maßnahmen, die die Widerstandsfähigkeit der Bevölkerung und insbesondere die armen und traditionell vernachlässigten Gemeinschaften gegen die Folgen des Klimawandels stärkten.

Laut Leluma Matooane von der Behörde für Wissenschaft und Technologie (DST) ist das südafrikanische Umweltministerium für die Umsetzung des Nationalen Klimaprogramms (DST) zuständig, dem wiederum die Führung und Koordination der Klimaforschung obliege. So stelle das DST sicher, dass die staatliche Klimapolitik auf robuste Klimaforschungsergebnisse zurückgreifen könne.

Im Rahmen des zehnjährigen DST-Innovationsplans liegt der Fokus auf der Verbesserung der wissenschaftlichen Erkenntnisse zu den Ursachen, Auswirkungen und Risiken des Klimawandels sowie den technologischen Innovationen, die das Land für die Anpassung der klimaanfälligen Wirtschaftssektoren und der Gesellschaft braucht.

Auch wenn die Meinungen über das Wie im Kampf gegen den Klimawandel auseinandergehen, wurde eine Multi-Stakeholder-Gruppe aus Vertretern der Regierung, des Privatsektors und der Zivilgesellschaft zusammengestellt, die Klimalösungen erarbeiten solle.

Die innerhalb der Gruppe stattfindenden Gespräche seien hilfreich bei der Entwicklung einer nationalen Position in den internationalen Klimadebatten. (Ende/IPS/kb/29.07.2015)


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http://www.ipsnews.net/2015/07/one-tune-different-hymns-tackling-climate-change-in-south-africa/

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veröffentlicht im Schattenblick zum 31. Juli 2015

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