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ABFALL/022: Chile - 'Größte Müllkippe Lateinamerikas', Bergbau gefährdet lokale Bevölkerung (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 28. Juni 2012

Chile: 'Größte Müllkippe Lateinamerikas' - Bergbau gefährdet lokale Bevölkerung

von Marianela Jarroud



Santiago de Chile, 28. Juni (IPS) - Der Bevölkerung der chilenischen Gemeinde Caimanes drohen große gesundheitliche Probleme, warnen Experten. Schuld ist ein Stausee, in den das Bergbauunternehmen Los Pelambres seine Rückstände einleitet. Die Familie Luksic, eine der reichsten Familien Chiles und Besitzerin des Unternehmens, beschuldigt nun ihrerseits die lokale Bevölkerung, Unwahrheiten zu verbreiten, um letztlich sich selbst zu bereichern.

"Das sind Verbrechen, die das Unternehmen begeht - Menschenrechtsverbrechen", sagt der Archäoastronom Patricio Bustamante, der Studien über die Umwelt- und Gesundheitsgefahr, die von dem Stausee ausgeht, geleitet hat. "Es liegt am Staat, zu entscheiden, ob er seiner eigenen Bevölkerung Trinkwasser zur Verfügung stellen will oder ein Unternehmen unterstützt, das die Menschen in Lebensgefahr bringt."

Bustamante zufolge steht nicht nur die Gesundheit auf dem Spiel. Auch das kulturelle Erbe der Region ist gefährdet - und hat bereits einige Opfer gefordert: Für die Los-Pelambres-Kupfermine in Valle del Choapa, 250 Kilometer nördlich von Chiles Hauptstadt Santiago, wurden 140 archäologische Fundstellen abtransportiert sowie 500 Steinwände, auf denen Felszeichnungen zu sehen waren.

Doch die Auswirkungen des durch die Bergbauarbeiten der Firma Los Pelambres kontaminierten Wassers des Stausees El Mauro hält Bustamante für weitaus gravierender. Der Stausee wurde mitten in den Gebirgszügen der Anden gebaut, acht Kilometer flussaufwärts von Caimanes entfernt. Er ist sieben Kilometer lang und 270 Meter tief. Dem Wissenschaftler zufolge hat er sich zur größten Chemie-Müllkippe Lateinamerikas entwickelt.


Verlust der Artenvielfalt

Seinen Untersuchungen entsprechend hat der Stausee den Grundwasserspiegel merklich gesenkt, die Artenvielfalt in der Region reduziert und ist für den Verlust großer Teile eines einzigartigen Zimtbaumwaldes verantwortlich. Bustamante kritisiert darüber hinaus, dass die lokale Bevölkerung keine fünf Minuten Zeit hätte, sich bergaufwärts zu retten, sollte der Staudamm brechen und das Wasser den Berg herunter rauschen - und für einen solchen Fall existiere nicht einmal ein Warnsystem.

Eine Studie der staatlichen Universität von Chile vom November letzten Jahres hat in etlichen Gewässern in der Nähe des Stausees hohe Konzentrationen von Rückständen mehrerer Metalle gefunden. Die Konzentration von Eisen hat demzufolge an einigen Stellen die Norm um 50 Prozent überschritten. Die Konzentration von Mangan war teilweise sogar doppelt so hoch wie gesetzlich erlaubt.

"Mangan kann gravierende Folgen für die Gesundheit haben: Es kann das zentrale Nervensystem angreifen und Parkinson oder Demenz verursachen", sagte der Leiter der Studie, Andrei Tchernitchin.

Eine zweite Studie der Universität im Februar 2012 kam zu ähnlichen Ergebnissen. Tchernitchin geht davon aus, dass die chemischen Substanzen aus dem See bereits in obere Erdschichten gesickert sind und nach ein paar Jahren das Grundwasser erreichen könnten.


"Firma zur Rechenschaft ziehen"

Tchernitchin fordert weitere Untersuchungen, um die genauen Gesundheitsgefahren abschätzen zu können. Gleichzeitig muss seiner Meinung nach aber auch das Unternehmen gezwungen werden, das Wasser zu dekontaminieren. "Wer Umweltschäden verursacht, ist auch dafür verantwortlich, sie wieder rückgängig zu machen - egal, wie teuer das ist." Merkwürdig fand er auch, dass die Firma zwar selbst Untersuchungen durchführen ließ, diese aber keine seiner Ergebnisse bestätigten.

Vor ein paar Jahren hatte die Justiz in einem Urteil die Verschmutzung des Wassers infolge des El-Mauro-Stausees bestätigt, die die Firma heute leugnet. Dennoch konnte die Firma infolge einer Vergleichszahlung von 25 Millionen US-Dollar, die sich ein Fondseigentümer, der ehemalige Anwalt der lokalen Bevölkerung und einige Firmenmanager geteilt hatten, weitermachen.

Die Menschen, die in der Nähe des Stausees wohnen, wollen allerdings nicht aufgeben. Sie haben erneut Anzeige erstattet, dieses Mal auch gegen ihren ehemaligen Anwalt. Elf von ihnen traten parallel dazu in einen 81-tägigen Hungerstreik.

Die Firma Los Pelambres ihrerseits wirft nun der Lokalbevölkerung vor, sich mit ihrer Anklage persönlich bereichern zu wollen. Sie beschuldigt außerdem Cristián Flores, den Leiter des Komitees zur Verteidigung von Caimanes, eine illegale Vereinigung gegründet und Amtsmissbrauch begangen zu haben. Die Anhörung steht kurz bevor. (Ende/IPS/jt/2012)


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veröffentlicht im Schattenblick zum 29. Juni 2012