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ABFALL/010: China - Elektroschrottberge wachsen, Müllmanagement in den Kinderschuhen (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 12. August 2011

China: Elektroschrottberge wachsen - Müllmanagement in den Kinderschuhen

Von Mitch Moxley


Peking, 12. August (IPS) - Jahrzehnte lang war China der globale Abladeplatz für Elektroschrott. Nun steht das Land vor der schwierigen Aufgabe, Millionen Tonnen der für Mensch und Natur gleichermaßen gefährlichen Hinterlassenschaften adäquat zu entsorgen. Hinzu kommen 2,3 Millionen Tonnen pro Jahr aus heimischer Herstellung.

Mehr Elektroschrott wird nur noch in den USA produziert. Dort fallen jedes Jahr drei Millionen Tonnen an, geht aus einem Bericht des UN-Umweltprogramms (UNEP) aus dem letzten Jahr hervor. Ein Teil des Mülls findet sich in China wieder. Dort sind E-Müll-Importe zwar verboten, werden aber weitgehend toleriert.

Trotz einer Vielzahl von Verbesserungen, was Entsorgung und Recycling angeht, fehlen im Reich der Mitte noch etliche High-Tech-Anlagen. Oft wird der Elektroschrott verbrannt oder einfach nur irgendwo abgeladen, wie aus einem Bericht der 'China Environment News' hervorgeht.

"China hat noch kein adäquates E-Müll-Management- und Recycling-System eingeführt", bestätigt Peng Ping'an, Wissenschaftler am Geochemischen Institut der Chinesischen Akademie für Sozialwissenschaften. "Große Mengen Elektroschrott werden oft von den Mitarbeitern kleinerer Betriebe mit bloßer Hand sortiert."

Und der Müll türmt sich. Die 'China Construction News', die vom Ministerium für Wohnbau und städtisch-ländliche Entwicklung herausgegeben wird, schätzt die diesjährige E-Schrott-Menge auf 3,5 Millionen Tonnen. Dem UNEP-Bericht zufolge werden sich die Berge alter Computer bis 2020 um 400 Prozent erhöhen. Die Menge ausrangierter Mobiltelefone soll sich bis dahin verachtfacht haben.


Neue Bestimmungen

Die Regierung hat erste Schritte unternommen, um das Problem zu lösen. Anfang des Jahres gab der Staatsrat neue Bestimmungen für den Umgang mit E-Müll aus. Zudem verpflichtete sich Peking zur Einrichtung eines E-Müll-Entsorgungsfonds. Doch Peng zufolge sind die bestehenden Gesetze unzureichend, und die Entsorgung des E-Schrotts sei unorganisiert.

Bisher gibt es etwa 100 Firmen und Institute, die Elektroschrott entsorgen und wiederaufbereiten. Peng zufolge sind sie wenig effizient und benötigten dringend staatliche Hilfe.

In seinem Bericht legt das UNEP den Entwicklungsländern nahe, in moderne Wiederaufbereitungsanlagen zu investieren. Dadurch ließen sich gleich mehrere Fliegen mit einer Klappe schlagen. Neben der Müllentsorgung würden neue Arbeitsplätze geschaffen, die CO2-Emissionen verringert und wertvolle Metalle wie Silber, Gold, Palladium, Kupfer und Indium wiedergewonnen.

Erste Erfolge sind bereits sichtbar. In Tianjin, einer Küstenstadt nahe Peking, wurden nach Schätzungen der lokalen Umweltbehörde im letzten Jahr um die vier Millionen Fernseher, Kühlschränke, Computer, Waschmaschinen und Luftkühlgeräte abgewrackt. Einem Bericht der Zeitung 'People's Daily' ließen sich auf diese Weise 38.000 Tonnen Elektromüll abbauen.


Recycling in privater Hand

Etwa 90 Prozent dieser Abfälle wurden von Privatunternehmen recycelt. Der 'Grüne Engel', ein Wiederaufbereitungszentrum unter Aufsicht der Stadt Tianjin, konnte 70.000 Haushaltsgeräte abwracken. Insgesamt ist das Zentrum in der Lage, jährlich bis zu 200.000 Geräte auszuschlachten und nachhaltig zu entsorgen.

Der unsachgemäße Umgang mit dem Elektroschrott gefährdet Mensch und Natur. Gelangen Schwermetalle wie Blei und Barium in die Umwelt, verseuchen sie Gewässer und das Grundwasser. Durch die verbreitete Praxis, Stromkabel abzufackeln, um die darin enthaltenen Kupferdrähte freizulegen, gelangen krebserregende Stoffe in die Luft.

China dient seit den 1990er Jahren anderen Ländern als Abladeplatz für Elektroschrott - Segen und Fluch zugleich. Ist das Ausschlachten von Elektrogeräten ein durchaus lukratives Geschäft, so führte der Mangel an adäquaten Entsorgungs- und Wiederaufbereitungsanlagen dazu, dass toxische Rückstände Böden, Gewässer und Menschen vergifteten.


Dioxinstadt Guiyu

Guiyu in der südchinesischen Provinz Guangdong ist die Stadt mit den höchsten Dioxinwerten der Welt. Dioxine werden bei der Verbrennung von Plastik freigesetzt und sind eine ernste Gefahr für die menschliche Gesundheit.

Die Regierung versucht mit Hilfe finanzieller Anreize die Wiederaufbereitung von Elektroschrott zu fördern. So können die Menschen beim Kauf von neuen Geräten ihre alten Geräte in Zahlung geben, die wiederum an Entsorgungs- und Wiederaufbereitungsanlagen weiterverkauft werden.

Problem ist nur, dass einige Privatpersonen aus dem System Profit schlagen, indem sie Billiggeräte aus illegalen Fabriken beziehen, die bereits ausgeschlachtet worden sind. Wenn diese Geräte die Aufbereitungszentren erreichen, sind sie wertlos.

"Wir alle kennen dieses Problem", berichtet Lou Yi vom Verwertungsunternehmen 'Taiding (Tianjin) Environmentally Friendly Science and Technology Corporation'. Dennoch sei das staatliche Handelsschema für die Wiederaufbereitungsbetriebe überlebenswichtig. "Es abzuschaffen", so der Unternehmer, "wäre unser Bankrott". (Ende/IPS/kb/2011)


Links:
http://www.unep.org/PDF/PressReleases/E- Waste_publication_screen_FINALVERSION-sml.pdf
http://www.unep.org/Documents.Multilingual/Default.asp?DocumentID=612&ArticleID=6471
http://www.ipsnews.net/news.asp?idnews=56572

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veröffentlicht im Schattenblick zum 13. August 2011