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TECHNIK/093: KlimaKompakt Nr. 68 - CCS im Energiekonzept, CCS und Grundwasser, dena-Netzstudie (GW)


Germanwatch e. V.

KlimaKompakt Nr. 68 - Dienstag, 30. November 2010


Editorial
CCS bei Prozessemissionen am wenigsten strittig

CCS im neuen Energiekonzept der Bundesregierung
Bei Prozessemissionen zentral

Warnung der norddeutschen Wasserwirtschaft zur möglichen Trinkwasserversalzung
Schränkt Gefährdung des Trinkwassers CCS-Nutzung ein?

WWF-Gutachten zur Bewertung der dena-Netzstudie II
Unseriöse Netzausbauszenarien durch falsche Methodik


Raute

Editorial

CCS bei Prozessemissionen am wenigsten strittig

Vor gut einem Jahr wurde der erste Entwurf des CCS-Gesetzes von der Tagesordnung des Kabinetts genommen - seitdem ist er dort nicht wieder gelandet.

Vage Versprechen für CCS-fähige Kraftwerke dienen nach wie vor als Akzeptanzbeschaffer für neue Kohlekraftwerke. Durch die berechtigte Kritik daran, gerät CCS insgesamt unter Beschuss. Dabei wird diese Technologie nach heutigem Kenntnisstand gebraucht, um einen im großen Maße gefährlichen Klimawandel zu verhindern.

Die Akzeptanz von CCS würde steigen, wenn die Bundesregierung klar sagen würde: Kein Neubau von Kohlekraftwerken in Deutschland - nicht ohne und nicht mit CCS. Stattdessen CCS für bereits in den letzten Jahren gebaute Kraftwerke und für industrielle Prozessemissionen (wie sie bei der Zement- oder Stahlproduktion anfallen). Die Bundesregierung hat zwar in ihrem Energiekonzept erstmals CCS für industrielle Prozessemissionen priorisiert. Zugleich aber gibt sie grünes Licht für die Subventionierung von Kohlekraftwerken - wenn diese auch nur "CCS-fähig" sind. Nicht einmal die Nachrüstung wird verbindlich verlangt.

Manfred Treber


*


CCS im neuen Energiekonzept der Bundesregierung

Bei Prozessemissionen zentral

Bisher stand Kohle im Zentrum der deutschen CCS-Debatte. Das am 29. September verabschiedete Energiekonzept der Bundesregierung stellt erstmals - und mit gutem Grund - die industriellen Prozessemissionen in den Vordergrund. Dies ist notwendig angesichts fehlender Alternativen für diese Sektoren. Leider zieht die Bundesregierung hingegen nicht den notwendigen Schluss, auf den Neubau von Kohlekraftwerken mit und ohne CCS zu verzichten.

Germanwatch dokumentiert Auszüge aus dem Energiekonzept der Bundesregierung:

"(...) Um die Wettbewerbssituation kleinerer Anbieter auf dem Strommarkt zu verbessern, wird die Bundesregierung (...) die im europäischen Energie- und Klimapaket vereinbarte Möglichkeit nutzen, den Neubau hocheffizienter und CCS-fähiger fossiler Kraftwerke zu fördern:
- Förderfähig sind Kraftwerksbetreiber mit einem Anteil an den deutschen Erzeugungskapazitäten von weniger als 5%.
- Förderfähig sind hocheffiziente und CCS-fähige Kraftwerke, vorrangig Kraftwerke mit Kraft-Wärme-Kopplung.
- Die Fördersumme ist begrenzt auf 5 Prozent der jährlichen Ausgaben des Energie- und Klimafonds in den Jahren 2013 bis 2016. (...)

Bedeutung von CCS

Für das Ziel einer Minderung der Treibhausgasemissionen um mindestens 80% bis 2050 wollen wir (...) auch die Abscheidung und Speicherung von CO2 (CCS) als Option erproben. Dies ist vor allem für energieintensive Industriezweige mit hohen prozessbedingten CO2-Emissionen (z.B. Stahl, Kalk, Zement, Chemische Industrie, Raffinerien) sowie für fossile Kraftwerke (Braun- und Steinkohle) langfristig von Bedeutung. (...)

Viele Staaten werden auch in Zukunft bei ihrer Energieversorgung auf Kohle setzen. Vor diesem Hintergrund bieten sich im Bereich der CCS-Technologie für die deutsche Wirtschaft zukunftsträchtige Exportchancen. (...) Zugleich unterstützt die Bundesregierung die Erprobung und gegebenenfalls Nutzung der CCS-Technologie in Deutschland. (...)

Zunächst sollen in Demonstrationsvorhaben Erfahrungen mit dem Einsatz von CCS und der Sicherheit der Speicher gesammelt werden. (...)
Bis 2020 sollen auf Basis des CCS-Gesetzes zwei der zwölf EU-weit förderfähigen CCS-Demonstrationsvorhaben mit dauerhafter Speicherung von CO2 in Deutschland gebaut werden. Darüber hinaus soll ein Speicherprojekt für industrielle CO2-Emissionen (z.B. ein Gemeinschaftsprojekt für Industrie-Biomasse-CO2) errichtet werden. Die Demonstrationsphase wird als Entscheidungsgrundlage für einen möglichen kommerziellen Einsatz der CCS-Technologie evaluiert.
Die Bundesregierung wird gemeinsam mit der Industrie die Nutzung von CO2 als Rohstoff, möglichst in Verbindung mit erneuerbaren Energien (z.B. synthetisches Methan, Algenreaktoren) untersuchen. Hierzu werden Forschungs- und Entwicklungsanstrengungen eingeleitet.
Wir werden einen Geothermie-Atlas beauftragen, um Nutzungskonkurrenzen zwischen CCS und Geothermie zu prüfen.
Die Bundesregierung wird über die CCS-Technologie einen intensiven Bürgerdialog führen. (...)"

Quelle:
http://www.bundesregierung.de/nn_774/Content/DE/StatischeSeiten/Breg/Energiekonzept/energiekonzept-final,property=publicationFile.pdf


Warnung der norddeutschen Wasserwirtschaft zur möglichen Trinkwasserversalzung

Schränkt Gefährdung des Trinkwassers CCS-Nutzung ein?

Auch wenn CO2 in unterirdischen Gesteinsformationen gespeichert wird, gilt der Lehrsatz: "Wo ein Körper ist, kann kein Zweiter sein". Das geologische Verpressen von CO2 kann vorhandenes Salzwasser aus Gesteinsporen verdrängen. Die Wasserwirtschaft befürchtet nachteilige Folgen auf die Trinkwasserqualität.

Germanwatch dokumentiert Auszüge einer Stellungnahme der norddeutschen Wasserwirtschaft und eines Beitrags von Alexander Boehringer, Umweltbundesamt, erschienen in der Germanwatch-Zeitung Weitblick Nr. 6/2010.

Stellungnahme der norddeutschen Wasserwirtschaft

"(...) Abschätzungen der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) vermuten im gesamten Norddeutschen Becken in großer Tiefe potentielle Speichergesteine, die zur dauerhaften Einlagerung von größeren Mengen CO2 geeignet erscheinen. (...) Für eine dauerhafte Einlagerung von CO2 wäre ein Zeitraum von 10.000 Jahren erforderlich, innerhalb dessen das eingelagerte CO2 den Speicherort nicht verlassen dürfte, um eine messbare Entlastung der Atmosphäre zu bewirken. (...)

Risiko für die Wasserversorgung

Das eingelagerte CO2 würde direkt bis zu 20 Milliarden m3 salinares Porenwasser verdrängen, da das Porenvolumen der Gesteinsschichten im unmittelbar beeinflussten Bereich der CO2-Lagerstätte eben nicht leer ist. (...)

Die Verlagerung des Porenwassers durch gestörte Gesteinsformationen in das Meer und - was weit aus problematischer ist - in den oberflächennahen und grundwasserberührten Bereich, führt dann möglicherweise zu einer Versalzung und irreversiblen Kontamination des Grundwassers mit Schadstoffen. In vielen Regionen Norddeutschlands stellen aufsteigende saline Wässer bereits heute eine Gefahr für die öffentliche Wasserversorgung dar. Die Trinkwasserversorgung im gesamten norddeutschen Raum, die aus regional gefördertem Grundwasser erfolgt, wäre durch CO2-Einlagerung auf Jahrhunderte zusätzlich gefährdet.

Bewertung

Die norddeutschen Wasserversorgungsunternehmen (...) fordern die Bundesregierung in Abwägung der angesprochenen Punkte dazu auf, im Norddeutschen Becken CO2-Speicherstätten gemäß Art. 4 Abs. 1 EU Richtlinie 1 nicht zuzulassen. (...) Die norddeutschen Wasserversorgungsunternehmen sprechen sich dafür aus, bei der Nutzung des Untergrundes, der Trinkwassergewinnung grundsätzlich Vorrang einzuräumen, weil der damit verbundene Grundwasser- und Ressourcenschutz von elementarer Bedeutung ist.

Diese Forderung der Wasserversorgungsunternehmen wird vom unlängst novellierten Wasserhaushaltsgesetz gestützt, in welchem die "nachhaltige Gewässerbewirtschaftung" und damit auch das Grundwasser vor nachteiligen Auswirkungen zu schützen ist. Es ist zu befürchten, dass durch ein CCS-Sondergesetz diese allgemein anerkannten wasserwirtschaftlichen Festlegungen ausgehöhlt und unterlaufen werden. (...)"

Quelle:
http://p120606.typo3server.info/fileadmin/downloads/Stellungnahme_nordd_Wasserwirtschaft_im_BDEW_unterschriebene_Endfassung.pdf


Unterirdische CO2-Speicher könnten zu Versalzung führen (von A. Boehringer)

"(...) Um die Sicherheit eines CO2-Speichers beurteilen zu können, ist (...) neben der möglichen Ausbreitung des CO2 selbst und eventueller Verunreinigungen des CO2-Stroms (...) auch die Ausbreitung des durch die CO2-Verpressung verdrängten Grundwassers zu betrachten. Der geologische Untergrund ist niemals gleich, deshalb müssen diese Ausbreitungspfade für jeden Speicherstandort individuell untersucht werden. (...)

Wenn (...) salzhaltiges Grundwasser zuvor nicht salzhaltiges Grundwasser versalzt, liegt eindeutig eine nachteilige Veränderung vor. Unabhängig davon, ob dieses Grundwasser für Trinkwasserzwecke gewonnen wird oder nicht. (...) Die Gefährdung von nicht versalzenem Grundwasser ist (...) ein Grund, einzelne Standorte für die CO2-Speicherung abzulehnen. Ein genereller Grund für die Ablehnung der CCS-Technik ist dies jedoch nicht. (...) Für das wichtige Schutzgut "Grundwasser" gelten strenge Maßstäbe. Dies kann auch zu einer reduzierten Auswahl an geeigneten Standorten für die CO2-Einlagerung führen. Sollte dies häufiger der Fall sein, was noch zu verifizieren ist, würde sich dadurch die Kapazität verfügbarer CO2-Speicher reduzieren und damit die Reichweite der CCS-Technik als Klimaschutzmaßnahme verringern. Und damit wäre auch die Sinnhaftigkeit der CO2-Speicherung in Deutschland erneut zu hinterfragen."

Quelle:
Germanwatch-Zeitung Weitblick Nr. 6/2010, S. 2, www.germawatch.org/zeitung/2010-6.htm


WWF-Gutachten zur Bewertung der dena-Netzstudie II

Unseriöse Netzausbauszenarien durch falsche Methodik

Die Deutsche Energieagentur (dena) hat am 23.11.10 die Ergebnisse der zweiten dena-Netzstudie zur Notwendigkeit des Ausbaus der deutschen Stromnetze vorgelegt. Die Studie, die sich nicht an den im Energiekonzept der Bundesregierung beschlossenen Zielen orientiert, sieht einen Bedarf für den Netzausbau in Deutschland bei 1500 bis 3600 Kilometer Trassenlänge. Wegen des darin vorgesehenen Neubaus zahlreicher Kohle- und Braunkohlekraftwerke sowie durch eine äußerst fragwürdige Methodik kann die Studie nicht als Blaupause für den notwendigen Ausbau der Stromnetze dienen.

Germanwatch bringt Auszüge aus der im Auftrag des WWF Deutschland erstellten Gutachtens unter der Leitung von Prof. Hirschhausen (TU Berlin). Dieses prüft die dena-Netzstudie II aus gesamtwirtschaftlicher Perspektive auf ihren Beitrag zum Aufbau einer nachhaltigen Energiewirtschaft.

"(...) Die dena-II-Studie liefert für die kurzfristige Netzausbauplanung (5-10 Jahre) wenig neue normative Ergebnisse und sie ist umgekehrt auch nicht darauf ausgelegt, die Transformation der Energiewegeplanung mit dem Horizont 2050 mitzugestalten. Das methodische Vorgehen stellt zentrale Ergebnisse der Studie in Frage.

Die wichtigsten Aspekte sind: Kurzfristig dominieren die Umsetzungsdefizite der dena-I-Studie sowie des hieraus abgeleiteten Energieleitungsausbaugesetzes (EnLAG 2009) die weitere Ausbauplanung. Von den in dena-I als notwendig definierten 850 km Leitungsneubau bis zum Jahr 2015 (460 km bis 2010) sind bis heute lediglich 80 km realisiert worden; angesichts dieser Umstände ist es nicht anzunehmen, dass es bis zum Jahr 2015 zu einer signifikanten Verbesserung der Zielerreichung kommt.

Die in dena-II getroffene Annahme einer (leicht verzögerten) Umsetzung von dena-I Ausbauprojekten ist somit hinfällig; längerfristige Ziele wie die weitgehende Dekarbonisierung des Elektrizitätssektors durch erneuerbare Energien wurden in der Analyse nicht berücksichtigt.

Längerfristiger Nutzen alternativen Leitungsbaus, z.B. CO2-Einsparungen oder eine weitgehende Umstellung auf erneuerbare Energien, wurde vernachlässigt. Die Integration in ein europäisches Netz, jenseits der im zehnjährigen Netzentwicklungsplan der Vereinigung der Europäischen Netzbetreiber für Elektrizitätsnetze (ENTSO-E) festgelegten Ausbaumaßnahmen wurde aufgrund des kurzen Zeithorizonts nicht proaktiv weiter verfolgt; der derzeitige institutionelle Prozess der Energiewegeplanung, welcher auch in dena-II praktiziert wurde, ist mit einer Informationsasymmetrie zwischen den Übertragungsnetzbetreibern und den Aufsichtsbehörden (Ministerien, Bundesnetzagentur, etc.) verbunden: Die Netzbetreiber verfügen über die Daten und führen die Modellrechnungen aus, während die dena koordinierend und die Bundesministerien nicht direkt an den Netzplanungen beteiligt sind (dena, 2010, S. 3). Diese Vorgehensweise wird der Infrastrukturverantwortung des Staates nur unzureichend gerecht. Diese Informationsasymmetrie könnte zu einer überhöhten Informations"rente" für die Übertragungsnetzbetreiber führen; auch wird die Glaubwürdigkeit des Prozesses geschwächt und somit die Akzeptanz größerer Infrastrukturprojekte reduziert. (...)"

Quelle: www.wwf.de/fileadmin/fm-wwf/pdf_neu/Bewertung%20dena2.pdf

Siehe hierzu auch die Germanwatch-Stellungnahme unter: www.germanwatch.org/presse/2010-11-23.htm


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Quelle:
KlimaKompakt Nr. 68, 30. November 2010
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veröffentlicht im Schattenblick zum 2. Dezember 2010